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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Die deutschen Katholiken und die Pflege der Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0026

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20

Die Werkstatt der Runst.

Heft 2.

auf rein künstlerische Valeurs vielleicht außerordentlich ge-
glückte N)erk trotzdem als nicht befriedigend zur Seite
legen wird, weil er findet, daß die Arbeit nicht auch geistig
voll gelöst ist, weil er fühlt, daß sie noch zu wenig der
Aufgabe gerecht wird, nicht bloß ästhetisch anzusprechen,
sondern auch religiös zu erbauen. Und sie wird auch nicht
der Pietät sich begeben wollen, wenn sie über das Kunst-
streben und Kunstschaffen früherer, wenn auch nicht gerade
höchststehender Epochen aburteilt, die eben doch voraus-
gehen mußten, um das weiterschreiten der Kunst zu er-
möglichen, und sie wird trotzdem mit nicht minderem Er-
folg die neu erstehende Künstlergeneration begeistern können,
beherzten Schrittes voranzugehen und aufwärts zu steigen.
Ein besonders gutes Mittel zur Förderung und
Verbreitung des Kunstverständnisses sind Vorträge
im größeren Kreise über irgendein Thema aus dem Kunst-
gebiete, verbunden mit Lichtbilder-Vorführungen, wie
sie heute so beliebt sind. Ferner die Veranstaltungen so-
genannter Wanderausstellungen von Reproduktionen nach
guten Kunstwerken, insbesondere geeignet als gediegener
und zugleich billiger wand- und Zimmerschmuck, vergessen
wir nicht: die Kunst, die Kunst zu verstehen, wird nicht
aus Büchern gelernt, sondern vor allem durch Kunstsehen,
Sehen und immer wieder Sehen erworben. Benützen wir
sodann auch eifrig die Gelegenheit, welche unsere herrlichen
Kunstgalerien und die ständig wiederkehrenden Kunstaus-
stellungen uns bieten, unser Kunstverständnis immer mehr
zu bilden und zu vertiefen. Auf der Katholikenversamm-
lung vor zwölf Jahren hat der damalige Redner über die
Kunst — es war ein sehr kunstverständiger Mann und er
war Theologe — das Wort gesprochen: Es ist noch kein
verdien st, eine Kunstausstellung nichtzu besuchen.
Ich eigne mir das Wort voll an und sage noch weiter:
Ls kann angebracht, ja notwendig sein, am rechten Vrte
und in rechter weise neben den Galerien auch auf unsere
Kunstausstellungen als Bildungsgelegenheiten aufmerksam
zu machen, zur Benützung dieser Bildungsgelegenheiten
anzuregen und den Besuch durch gediegene kunstkritische
Besprechungen vorzubereiten. Wohl werden wir dort
manches sehen, was wir nachdrücklich ablehnen müssen.
Aber wo tritt uns solches nicht entgegen? wir dürften
ja sonst kaum durch die Straßen einer Großstadt gehen,
wir müssen uns vielmehr informieren, auf allen Gebieten
informieren, und müssen lernen, wo es etwas zu lernen
gibt. Auch von der modernen Kunst mit ihrer oft bis
zum Raffinement gesteigerten technischen Fertigkeit können
wir lernen, wir dürfen nicht glauben, vollständig los-
gelöst von dem modernen Kunstschaffen, ja unter Ignorie-
rung desselben eine moderne, bodenständige christliche Kunst
schaffen zu können. Auch die weiteren Schichten des Volkes
müssen allmählich befähigt werden, gute, ernste Kunst von
Nichtkunst zu unterscheiden. Auf hundertfältigen wegen
kann gute Kunst, kann vor allem unsere christliche Kunst
ins Volk getragen werden. Um nur eines zu erwähnen:
Hunderttausende von Heiligenbildchen werden Jahr für
Jahr in den deutschen Diözesen an die Jugend verschenkt;
Kommunionandenken werden gegeben, Sterbebilder werden
verteilt. Und wie billig ist das alles bei unserer heutigen
Reproduktionstechnik herzustellen. Lin ganzer Strom bester
Kunst könnte dadurch allein schon ins Volk geleitet werden.
Aber wie sieht es da vielfach noch aus in bezug auf künst-
lerische «Dualität? welches schale, süßliche, angeblich
„fromm" wirkende, in Wirklichkeit allen Geistes und aller
Empfindung bare Zeug — verzeihen Sie den Ausdruck —,
noch dazu technisch minderwertig ausgeführt, treffen wir
da häufig noch an? Und man brauchte nicht um einen
Pfennig mehr auszugeben und könnte das Volk auf diesem
Wege mit den besten Meisterwerken christlicher Kunst be-
kannt machen. Lin ganz besonderes Augenmerk verdient
die Kunsterziehung der Heranwachsenden jungen Kleriker,
wie wäre es, wenn ein Seminarregens einmal den Ge-
danken fassen würde, ab und zu gute Künstler in das
Seminar kommen zu lassen, damit die Alumnen aus
Künstlermund über praktische Fragen der Kunst und des

Kunstschaffens zu hören bekommen? Gder wenn er mit
seinen Alumnen die Ateliers christlicher Künstler besuchen
würde, um ihnen zu zeigen, wie ein Kunstwerk entsteht
und wie ein Künstler schafft? wäre das nicht die lebendigste
und wirksamste Art der Kunstunterweisung? würde da.
nicht schon von Ansang an, ich möchte sagen spielend, in
den jungen Klerikern das Verständnis für das originale
Kunstschaffen im Gegensatz zur Fabrik- und Schablonen-
kunst wachgerufen und entwickelt werden? Ich stehe nicht
an, zu erklären, daß mir die Kunstpstege, die Verbreitung
des Kunstverständnisses und der Kunstliebe im
Volke heutzutage geradezu als seelsorgerliche An-
gelegenheit erscheint. Dafür muß der Kleriker aber auch
herangebildet und ausgerüstet werden. Auch für die Heran-
bildung der Künstler, unserer christlichen Künstler, könnte
so manches wichtige und Gute geschehen. Man denke
z. B. nur an die Schaffung von Dozentenstellen an den
Kunstakademien und Kunstschulen, wodurch den jungen
Kunstbestissenen, welche der christlichen Kunst sich widmen
wollen, Gelegenheit würde, von theologischen Autoritäten
tiefer in das Verständnis der christlichen Lehre, der christ-
lichen Liturgie, der Kirchengeschichte, alles unter spezieller
Berücksichtigung für die Zwecke der Kunst und ihnen an-
gepaßt, eingeführt zu werden. Gder an die Stiftung von
auskömmlichen Stipendien für Studienreisen und Studien-
aufenthalte junger christlicher Künstler. Die staatliche
Kunstfürsorge verdient überhaupt unsere regste Auf-
merksamkeit in dem Sinne, daß wir erheblichen Ein-
fluß auch darauf gewinnen müssen. Sehen wir zu, daß
die staatlichen Kunstfonds auch für die christliche Kunst in
richtigem Verhältnis Verwendung finden. Achten wir
auf die Zusammensetzung der staatlichen Ankaufs-
kommissionen und der Kunstjurys. Ls sollte nicht
vorkommen können, daß zur Wertung und Begutachtung
von Werken der christlicher: Kunst eine Jury tätig wird,
ausschließlich aus Männern bestehend, die weder auf dem
Standpunkt der christlichen Weltanschauung stehen, noch
auch bewiesen haben, daß sie auf dem Gebiete der christ-
lichen Kunst etwas leisten. Es ist das ein durchaus wich-
tiger Punkt und ich weiß, daß ich damit den Finger an
seine Wunde lege. Man hört so häufig, das katholische
Volk sei nicht reich genug, um Kunst im großen zu fördern,
wenn man zusammenrechnet, was in den einzelnen Diö-
zesen unseres deutschen Vaterlandes allein im Laufe eines
Jahres für künstlerische Aufgaben ausgegeben wird, so ist
das immerhin eine gewaltige Summe. Prüft man hin-
gegen, was dafür an wirklichen Kunstwerten geschaffen
wird, dann ist es oft erstaunlich wenig. Die Schuld liegt
nicht daran, daß wir keine christlichen Künstler haben; ich
verweise Sie nur auf die Iahresmappen der so verdienst-
voll wirkenden „Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst"
und auf die in ihnen vertretenen zahlreichen trefflichen
Künstler. Die Schuld liegt bei den Bestellern, welche
die Künstler nicht zu finden wissen. Man hat z. B. be-
rechnet, daß für Paramente allein — ich berühre damit
beispielsweise nur einmal kunstgewerbliches Gebiet — ein
jährlicher Umsatz von t2—t5 Millionen in Deutschland
stattfindet. Und von weiterem Interesse ist dabei, daß die
heimische Fabrikation nur den kleinsten Teil davon liefert.
Die Geschäfte, privaten, Klöster und Vereine beziehen über-
wiegend vom Ausland, trotz der hohen einschlägigen Zoll-
spesen. Und welche Minderwertigkeiten beleidigen gerade
unter den Paramenten-Neuanschaffungen oft das künstle-
risch sehende Auge. Hier muß ebenfalls Remedur geschaffen
werden; und deshalb verdienen die von Kevelar ausgehen-
den sehr gesunden Reformbestrebungen für eine künstlerische
Hebung der Paramentik volles Interesse und tatkräftige
Unterstützung. Fördern wir überhaupt den direkten Ver-
kehr zwischen dem kunstliebenden und kunstbestellenden
Publikum und den originalschaffenden Künstlern auf allen
Gebieten der Kunsttätigkeit, wie dies schon seit Jahren von
der soeben genannten „Deutschen Gesellschaft für christliche
Kunst" und, ihren Anträgen folgend, von dem Katholikentage
immer wieder dringend nahegelegt und empfohlen wird. Hoch-
 
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