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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Marcus, Otto: Praktischer Unterricht in den Kunstakademien, 3
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Schmidkunz, Hans; Hellwag, Fritz: Die deutschen Katholiken und die Pflege der Kunst, 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0039

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Heft 3.

Die Werkstatt der Kunst.

33

Ermahnungen zur Besserung der Unterrichtsmethoden sind
an Holbein nicht verloren gewesen. Leider ist ja Holbein
zugleich Höhepunkt und Abschluß einer Periode hohen
formalen Könnens in Deutschland. Wie so viele zu jener
Zeit zerrissene Fäden in unseren Tagen neu angeknüpst
sind, sollte es auch mit dem methodischen Unterricht ge-
schehen. An glänzenden Beispielen von Selbstschulung ist
ja bei uns kein Mangel. Ls müßte nun heißen, alle
Einzelbestrebungen zusammenzufafsen, die Ansichten zu
klären und die am Unterricht Beteiligten zu gemeinsamem
Vorgehen zusammenzubringen. Fast alle Berufe haben ihre
Tagungen und Kongresse, die sich mit der Weiterbildung
des Berufs beschäftigen, es gibt musikxädagogische Kon-
greße, aber für die bildende Kunst, der es gewiß not täte,
existiert nichts dergleichen.
Als Zeichen erstarkenden Selbstbewußtseins ist es
freudig zu begrüßen, daß sich ein Verein zur Förderung
deutscher Kunst im Ausland gebildet hat. Die vielfach
noch unverstandenen Vorzüge der deutschen Kunst müßen
durch einsichtsvolle und geschickte Propaganda dem Ausländer
nahe gebracht werden. Nebenher dürfen wir aber nichts
unterlaßen, was zur Hebung der Kunst in der Heimat
dienen kann. Ls ist eine alte Weisheit, daß in der Kunst
Stillstand Rückschritt bedeutet, und daß die Kunst von denen,
die ihr dienen, stets neu umworben und neu erobert
werden muß. Otto iVlurcus-Berlin.

- Vie cleullcken Ratkoliken -
uncl die pflege cler Runst. !II
wir empfingen folgendes Schreiben:
Sehr geehrter Herr Redakteur!
Ls ist kaum zu glauben, daß Ihnen, wie Ihr
Heft 2 auf Seite ^8 berichtet, „Verschärfung kon-
fessioneller Gegensätze" vorgeworfen wurde, weil
Sie die Katholikentagsrede von Rumpf-München
auf S. 66 s von Heft ^8 mit einigen charakterisierenden
Worten einleiten. Lher könnte das entgegengesetzte
Bedenken erhoben werden, daß Sie anscheinend jene
Rede ungerechterweise als ein „drastisches" Beispiel
einer Gefahr für die Runst, einer Benutzung dieser
zu äußeren Zwecken, behandeln. Um so eher ge-
statten wohl Sie und Ihre Leser einige Worte dazu,
die von keinem Partei- oder Ronfessions- oder Ten-
denz-Standpunkte, aber doch von dem Standpunkte
ausgehen, daß irgendwelche Parteien oder Kon-
fessionen oder Tendenzen ganz wohl und mit Recht
an der Runst beteiligt sein können.
„Die christliche Runst ist interkonfessionell." Dies
mag man sogar als eine belanglose Tautologie bei-
seiteschieben. Unter „christlich" versteht man ge-
wöhnlich eben das den Konfessionen, wenigstens den
positiv-gläubigen, Gemeinsame. Doch auch abge-
sehen davon: Katholiken werden sich freuen, wenn
der Protestant w. Steinhausen Anerkennung findet,
und Protestanten wohl auch, wenn der Katholik
G. Fugel sie findet.
Daß „vom künstlerischen Standpunkte kon-
fessionelle Gegensätze überhaupt nicht anzuerkennen"
seien, mag so richtig sein, wie man's nimmt; ohne
breitere kunstphilosophische Auseinandersetzungen
kommt man darüber und über alle Fragen nach dem
Inhaltlichen in der Kunst nicht zurecht. Betonen

Sie das Wort „Gegensätze", so gibt Ihnen wohl
jeder recht. Das Negative ist in der Kunst wohl
noch unbrauchbarer als anderswo; ihre Sache ist
das positive, speziell das Schaffende, Schöpferische.
Anders, als bei der Kunst selbst, wird es bei
der pflege der Kunst, einschließlich alles Aus-
stellungs-, Kritikwesens u. dgl. m. Hier haben wir
nun einmal mit gegensätzlichen Tatsachen zu tun;
hier kommen vor allem ungerechte Ignorierungen
vor, wie z. B. die geradezu herausfordernden Ein-
seitigkeiten im Betriebe der Berliner Nationalgalerie
(die weder einen Steinhausen noch einen Fugel aus-
genommen hat); hier anerkennen wir längst das Recht
jeglicher Künstlergruppe, ihre Werke, wenn sie nur
gut sind, zur Geltung und sogar zum „Gegensätze"
gegen andere zu bringen.
Aber nun auch die Kunst selbst! Sie will schöne
Ausdrucksform sein; sie will irgend etwas in schönen
Formen aussprechen; und das Was, dem ihr wie
dient, kann ihr schlechterdings nicht gleichgültig sein.
Am wenigsten dem Künstler persönlich. Ob er nun
ägyptischer oder griechischer Heide, ob er griechischer
oder römischer oder protestantischer Thrift, ob er
Brahmans oder Buddhist oder Mohammedaner, ob
er Pietist oder Rationalist, Erotiker oder ethischer
Kulturist, Liberaler oder Sozialdemokrat ist: er kann
sich für diese seine Partei oder Konfession oder Ten-
denz, für diese seine Religion oder Glaubenssubstanz
oder Weltanschauung, oder wie's heißen mag, so
erwärmen, daß er dafür auch eine künstlerische Aus-
sprache sucht.
Das tut im Grunde jeder Künstler; verschieden
sind nur die „Bekenntnisse" — um gerade dies
Wort zu gebrauchen — und, was gewöhnlich ganz
übersehen wird, die Bündigkeit oder Präzision oder
Schärfe oder Klarheit des Bekenntnisses und seiner
künstlerischen Versinnlichung. Dem Klang im einen,
dem Geräusch im anderen Falle zu vergleichen, tönt
doch jegliches Kunstwerk bekenntnisvoll; und welches
dies am wenigsten zu tun vorgibt, tönt nur eben
anders, als die benachbarten, tönt „gegensätzlich".
Alle große Kunst ist in solchem Sinn konfessionell
— von phidias bis zu Käthe Rollwitz. Die's nicht
zu sein scheint, ist eine gar kleine Kunst; ist z. B.
eine Baumstudie; doch auch sie trägt noch einen Rest
von Konfession in sich — Naturkultus, Sehkultus,
optische Begeisterung, ein Stück Materialismus. Und
gar erst die Eröffnungsreden unserer Seoessionsaus-
stellungen! wenn das keine Bekenntnis-Gegensätze
sind-—?!
Aber nichts von Gegensatz muß es sein, wenn
irgendeine Kulturneigung (um recht konfessionslos
zu sprechen) sich bemüht, ihre Substanz in alle Höhen
und Tiefen und Breiten hinein auszuschöpfen und
dazu nicht nur Politik und Literatur, sondern auch
Wissenschaft und Kunst in Anspruch nimmt — „in
Anspruch nimmt", nicht etwa „beugt", was ja so-
fort ihr selber schadet, falls es überhaupt gelingt.
Strömt dann die „fromme" — kirchlich oder auch
 
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