Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0070

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
auf die zwischen denlibera'Ien Fraktionen herrsckMden Ver-
hältnisse angewandt erscheint, so ist es das vom Kaiser Aus-
gangs der achtziger Jahre ausgegebene, dahin lautend, es
wäre zu wünschen, daß diejenigen Parteien,
denen die gedeihliche Entwicklung der vaterländi-
schen Verhältnisse am Herzen läge, einander
s ch o n t en.

Das Gegenteil dieser Parole ist die Sucht nach Ge-
sinnungsschnüffelei. Wenn letztere von irgend einer libera-
len Seite begehrt werden sollte, würden die Bestrebungen
auf Herbeiführung einer grötzeren Uebereinstimmung in
dem Vorgehen der liberalen Gruppen sofort in sich zufam-
menfallen: die Gesinnungsschnüffelei ist, wo sie sich auch
zeigen mag, ein Wahrzeichen der Reaktion.

Deutsches Reich.

— Einen schmerzlichen Verlust hat die national -
Iiberale Partei durch das Hinscheiden des Polizeipräsi-
Lenten a. D. v. H e r g e n b a h n evlitten. Allzeit ein eif-
riges Mitglied der nationalliberalen Partei, gehörte der
Verstorbene als Parlamentarier Ausgangs der achtziger
Jahre der nationalliberalen Fraktion des preutzischen Ab-
geornetenhauses an. — Bald nach dem Kriege 1870—71
wurde er von seiner Stellung als erster Rat beim Zivil-
kommissariat in Lothringen auf den Posten des Polizei-
präsidenten von Frankfurt a. M. berufen, welchen er bis
zu seiner Pensionierung im Jahre 1887 inne hatte. Die
rege Anteilnahme für die Partei wird dem Verstorbenen
stets ein freundliches Andenken bei den Parteifreunden
sichern.

— Jm R e i ch s g e s u nd h e i t s a m t haben, wis
die Blätter melden, neuerdings besonders wichtige Sitzun-
gen stattgefunden. Es hatte sich dabei um die Fortberatung
der Frage gehandelt, wie weit eine Uebereinsümmung des
Krankheitsverlaufs bei TuberkuIoss beim Men -
schen und beim Tier resp. beim Rindvieh sich feststellen
lasse. Etwas Neues und besonders Wichtiges trat in
diesen Sitzungen nicht hervor.

— Jn dem soeben erschienenen Rechenschaftsbericht des
Werbandes derDeutschen Buchdrucker wird be-
merkt: „Wir müssen leider die Fortdauer schlechten Ge-
schäftsganges konstatieren, welch' letzterer in den Riefen-
summen der ausgezahlten Unterstützungen zum Ausdruck
gelangt." Der Verband hatte denn auch im Jahre 1902
Arbeitslosigkeit aufzuweisen: am Orte 734 318 Tage, auf
der Reise 296 044 Tage, autzerdem 400 143 Krankentage,
so datz auf jedes Mitglied des Verbandes 31 Tage Arbeits-
losigkeit und 12 Tage Krankheit entfallen. Nichtsdesto-
tveniger balanziert die Abrechnung des Verbandes mit über
5 Millionen Mark, sein Vermögen beträgt 3 176 849
Mark.

Badcn.

— Die ebenso Protzige wie lächerliche Sprache
der sozialdemokratischen Blätter wird durch fol-
gende Sätze illustriert, die im „Karlsruher Volksfreund"
zu lesen sind. Dort heißt es:

Die diesjährigen Reichstagswahlen haben bis zur Evidenz
bewiesen, daß der Liberalismus in Deutschland in einem ziem-
lich rettungslosen Niedergang begriffen ist. Auf der gan-
zen Linie wurde er geschlagen und soweit er noch eine parla-
mentarische Vertretung hat, verdankt er sie der Sozialdemo-
tratie einerseits (Freisinn) und der Reaktion anderer-
seits. Aus eigener Kraft vermochten die Nationalliberalen
ganze S Mandate, die anderen liberalen Gruppen überhaupt
kein Mandat mehr zu retten. Die Ursachen dieses Nieder-
gangs des Liberalismus liegen für jeden, der von Politik et-
was versteht, klar zu Tage. Der deutsche Liberalismus ist an
seinen Sünden, an seiner Verlotterung und vor
allem an seiner Rückgratlosigkeit gegenüber der Re-
aklion zu Grunde gegangen. Wäre nicht die große mächtigr
Sozialdemokratie, so würden heute in Deutschland
die Junker, Pfaffcn und kapitalistischen
Protzen unumschränkt die Herrschaft ausüben.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß dle
Sozialdemokratie ihre Erfo'Ige durchaus nicht der eignen
Kraft allein verdankt und sis wird ihr Wunder erleben,
wenn sie es mit ihrem aitmaßenden Auftreten einmal wirk-
lich so weit bringt, daß die bürgerlichen Parteien einmütig
-gegen sie zusammenstehen. Die Nationalliberalen sind mit

es möglich wäre, daß ich Georg von Desmond vor meinem
'Ende noch sprechen könnte, möchte ich meinen Atem für die
Unterredung mit ihm aufsparen, für das, was ich ihm zu er-
zählen habe."

Der Baron und seine Tochter verließen das Kranken-
zimmer.

„Jch weiß, er wird barmherzig sein", dachte Mollh. „Dem
Sterbenden gegenüber wird er vergessen, was er durch ihn zu
erdulden hatte." Sie lauschte, ob die Schritte Georgs noch
nicht auf der Terrasse zu hören waren, aber nur das Aechzen
des Herbstwindes drang an ihr Ohr.

Der Kammerdiener kam nach Verlauf einer Stunde mit
der Meldung zurück, daß er Hrrrn Drumond in der Einsiedelei
nicht gefunden habe. Während der letzten vier Nächte hatte der
Reisende in der Einsiedelei geschlafen, am Tage die Umgegend
durchstreift und war erst spät am Abend, wenn Frau Tursgood
längft schlief, nach Hause gekommen. „Das Brste, was wir
tun können", meinte der Diener, „wäre, einen Reitknecht nach
der Einsiedelei zu schicken, mit dem Auftrag, dort auf Herrn
Drumonü zu wartcn, und wcnn er zurückkehrt, ihn sofort nach
dem Schloß mitzubringen. Der alten tauben Frau die Be-
stellung zu übertragen, würe nicht ratsam."

Der Baron ging auf diesen Vorschlag ein und ein reitender
Bote wurde abgeschickt.

Der Patient lag sehr ruhig in seinen Kissen und wartete
in seltsamer Gemütsruhe auf den Mann, an dem er sich schwer
wergangen hatte.

1 ö. K a p i t e l.

Jm Schloß herrschte tiefes, unheimliches Schweigen.

Dora hatte seit mehreren Stunden geschlafen, und dieser
Schlaf war die beste Arznei für ihr fieberndes Hirn.

Frau von Harding durchwanderte ihre Gemächer noch im-
mer mit ruhelosen Schritten; seit Donnerstag Nacht hatte sie
mehr als einmal um die Erlaubnis gcbetcn, mit Arthur Hol-
born zu sprechen.

Der Arzt hatte diesen Wunsch seinem Patienten mitge-

ihren Erfolgen bei den letzten Reichstags'wahlen zufrieden
und sie werden sich durch schnodderige Redensarten so-
ziüldemokratischer Blätter das Gefühl der Befriedigung
nicht beeinträchtigen lassen. Was den Schlußsatz in den oben
zitierten Auslassungen des „Volksfreunds" betrifft, so
kann man mit grötzerem Recht sagen: Wäre die Sozialde-
mokratie nicht, dann häüen wir starke liberale Parteien,
die eine ganz andere Gewähr für positive Arbeit im libera-
len Sinne bieten würden, als die Soziüldemokratie, die
etwas Positives noch nicht geleistet hat und von dem ein-
fälttgen Glauben an das irdische Paradies des Zukunfts-
staates lebt.

Württemberg.

— Ueber die sinanziellenAufgaben der
E i s e n b ah n v e r w altu n g hat der Mnister Freiherr
v. Sodenin der Kammer der Standesherren interessante
Angaben gsmacht. Darnach müssen für den Umbau der
Bahnhöfe in Stuttgart und Cannstatt mit der linksufrigen
Neckarbahn etwa 76 Millionen, für den Umbau des Tü-
binger Bahnhofs 4 Millionen, für neue Linien 76 Mil-
lionen aufgebracht werden. Rechiret man dazu noch ver-
schiedene Posten für Beamtenwohnungen, für Betriebs-
sicherheit, für Werkstätten usw., so ergibt sich alles in allem
ein Bedarf von nicht wöniger als 180 Millionen!

Aus Stadt und Land.

Monatsbericht ber städt. Arbeitsnachweisanstalt Heibelberg.
Nach amtlicher Zusammenstellnng wurden im Monat Juni
1603 im ganzen 1154 Gesuche eingetragen und zwar 494 von
Arbeitgebern, 365 für männliche, 129 für weibliche Personen,
welche 659 Arbeitskräfte, 525 männliche, 134 weibliche, ver-
langten und die 728 Arbeitskräfte, 643 männliche, 85 weib-
liche, zugewiesen erhielten. Arbeitnehmer wurden 660 ein-
gctragen, 592 männliche, 68 weibliche, von denen 644 sofort
Arbeit nachgewiesen werden konnte, 580 männlichen und 64
weiblichen. Befriedigt wurden im ganzen 870, darunter 379
Arbeitgeber, 329 männliche, 50 weibliche, und 491 Arbeit-
nehmer, 441 männliche, 50 weibliche Personcn. Außcrdem ha-
ben noch 744 Arbeitnehmer, 730 männliche, 14 weibliche, bei
der Anstalt um Arbeit nachgesucht, welche aber, da ihnen nicht
sofort passende Arbeit nachgewiesen werden konnte, aus einen
Eintrag verzichteten. Wenn auch das Stellenangebot in die-
sem Monat gcgen den Vormonat und den gleichen Monat v. I.
etwas zugenommen hat, so war das Angebot von Arbeits-
kräften immer noch ein überwiegendes, sodaß auf 100 männ-
liche offene Stellen 251,8 Arbeitsuchende kamen.

Mosbach, 6. Juli. (Prämiierung von Zuchtstu-
ten.) Die am 26. Juni lausenden Jahres vor dem Bezirks-
amtsgebäude vorgenommene Prämiierung von Zuchtstuten
zeigte auch dieses Mal, daß unsere Pferdezucht auf der ihr von
der Großh. Regierung gegebenen Bahn rüstig weiter schreitet
und Dank der staatlichen Fürsorge in nicht allzuferner Zeit
nicht nur unserer landwirtschaftlichen Bevölkerung zum Segen
gereichen wird, sondern auch unserem engeren Heimatland
Baden auf dem Gcbiete der Pferdezucht einen Achtung gebie-
tenden Namen im deutschen Reiche offenbar sichern wird. Als
Vorsitzender der Prämiiernngskommission fungierte Herr
Zuchtinspektor Leyendecker von Heidelberg, da Seine
Durchlaucht der Herr Prinz Alfeld zu Löwenstein auf Schloß
Langenzell an der Leitung der Geschäfte durch Krankheit ver-
hindert war. Der Prämiierungskommission gehören weiter
noch an: Bürgermeister Sigmann von Hüffenhardt und Ge-
mcinderat Georg Jung von Mosbach. Vorgesührt wurden 107
Pferde, angemeldet waren 122 Stück. Es wurden folgende
Prämien zuerkannt: .4.) Der kleine Staatspreis von 50 Mk.
1. dem Wilh. Maßholder von Daudenzell, 2. dem Ernst Schüh-
macher von Unterschefflenz. 8) Einen Aufmunterungspreis
von 25 Mark und Freideckscheine. 1. dem Kilian Keller von All-
feld, 2. dem Ph. Maßholder von Daudenzell, 3. dem Andr.
Maßholder von Daudenzell, 4. dem Wilh. Silberzahn von
Lohrbach, 5. dem Ph. Hübner von Mosbach, 6. dem Ad. Bren-
ner von Kirrstetterhos. L) Einen Aufmunterungspreis von
25 Mark. 1. dem Georg Adam Ncinmuth von Asbach, 2. dem
Christof Gärtner von Asbach, 3. dem Karl Hornung von Rei-
chenbuch, 4. dem Friedrich Hettinger von Neckarkatzenbach.

Mannhcim, 8. Juli. (S ch w u r g e r i ch t.) Vorsitzender:
Herr Landgerichtsdirektor Zehnter. Vertreter der Großh.
Staatsbehörde: Herr Staatsanwalt Sebold.

Abgesetzt wurde der Fall Götzenberger, weil die
Ladungsfrist nicht gewahrt war. Bei der Anklage gegen den
Architekten Joseph Götzenberger handelte es sich um einen
in einer Untersuchungssache geleisteten Meineid. Die Ange-
legenheit wird in weiten Kreisen mit Spannung verfolgt.

Sechster Fall. Ein halber Kretin saß stumpfsinnig
auf der Anklagebcmk. Der 21 Jahre alte Taglöhner Alexander
Lott aus Waibstadt hatte am Abend des 9. Mai ds. Js. auf
der Straße zwischen dem Bahnhof Waibstadt und der Fuchsen-
mühle die 19 Jahre alte Tochter des Müllers in unsittlicher

teilt, doch Holborn war nicht zu bewegen gewesen, sie zu em-
pfangen. Auf die Briefe, die sie ihm schrieb, ließ er ihr sa-
gcn, er werde sich die Sache überlegen.

Diese Antwort befriedigte die Witwe nicht; eine entsetzliche
Furcht schien sie zu martern. Welcher Art die Geschichte die-
ser Frau auch sein mochte, so war ihr Leben jetzt doch offen-
bar an einer Krisis angelangt. Mehr als einmal hatte sie stch
mitten in der Nacht in den Flur hinausgeschlichen, um auf ir-
gend ein Geräusch im Krankenzimmer zu horchen, und sich
überzeugt, datz seine Wärter fortwährend um den Patienten
waren. „Jch mutz ihn sprechen", sagte sie sich, — „ich muß ihn
sprechen! Jch möchte wissen, ob er mich zu verraten beabsichtigt,
— zuzutrauen wäre es ihm schon!"

Am Montag früh wurde Frau von Harding mitgeteilt, daß
sür den alten Frennd ihres Mannes jede Hoffnung vorüber sei.
„Keine Hofsnung niehr, Frau Brown?" fragte sie.

„Nein, gnädige Frau, nach dem Ausspruch der Aerzte ist
seine Todesstunde sehr nahe."

„Wird es Herrn Holborn gestattet werden, heute jemand
zu sprechen, liebe Frau Brown?" forschte die Witwe weiter.

„Wenn er selbst jemanden zu sprechen wünscht, wird man es
ihm kaum verbieten; aber er ist sehr schwach."

„Manche Frauen in meiner Lage würden eiligst dir Flucht
ergreifen", sagte sich Ruth; „aber ich will ruhig ausharren, bis
er verschieden ist. Bewahrt er mein Geheimnis bis zu seinem
Ende, so wird sein Tod mich vor der erniedrigrnden Sklaverei
befreien. Wenn er mich aber verrät? — Mein Gott, wenn das
Schlimmste zum Schlimmcn kommt, kann ich immcr noch die
Flucht ergreifen."

Trotz ihrer Kühnheit war Frau von Harding vorsichtig ge-
nug, sich sofort mit dem Packen ihrer Koffer zu beschäftigen,
und die Zettel, auf welchen der Bestimmungsort verzeichnet
war, mit eigenen Händen aufzukleben. Das Gepäck sollte nach
dem Hotel Bristol in London abgehen und dort gelassen wer-
den, bis es abgeholt würde. „Wenn mir etwas Unangeneh-
mes begegnen sollte, ist das der sicherste Weg", sagte sie sich;
„es kann für mich notwendig werden, zu vermeiden, daß

Absicht abgelauert und überfallen. Während -der Untersuchung
wurde bekannt, daß der Waibstadter Kaliban schon im vorigen
Sommer ein Mädchen, Rosa K., auf der Straße zwischen
Waibstadt und Helmstadt angegriffen hattr. Er war auch hier
gcstört worden und die Eltern des Mädchens unterlicßen die
Anzeige anf Bitten des Vaters Lotts. Heute war er wegen
beider Fälle angeklagt und außerdem wegen Widerstands. Be-
zirksarzt Dr. Kugler bezeichnete den Angeklagten als geistig
minderwertig, nicht normal, ohne daß er deshalb unzurech-
nnngsfähig sei. Der Antrag der Verteidigung, den Angeklag-
ten einer Anstalt zur Beobachtung seines Geisteszustandes zn
überweisen, wurde, nachdem der mrdizinische Experte die Not-
wcndigkeit einer solchen Maßnahme bestritten hatte, abgelehnt.
Das Urteil gegen den Angeklagten lautete unter Zubilligung
mildernder Umstände und zusammcngerechnet mit einer vor
seiner Verhaftung wegen Körperverletzung über ihn verhäng-
ten Gefängnisstrafe von 4 Wochen auf eine Gesamtstrafe von
8 Monaten 2 Wochen Gefängnis. 1?4 Jahre hatte der
Staatsanwalt beantragt.

Mit diesem Fall war die Tagesordnung erschöpft und der
Vorsitzende entließ die Geschworenen mit Dank für ihre Dienst-
leistung und dem Wunsche glücklicher Heimreise.

Kleine Zeitung.

— Hochschulnachrichten. Der Privatdozent in der medizi-
nischen Fakultät der Universität Vreslau, Dr. P. Stolper, hat
einen Ruf nach Göttingen als außerordentlicher Professor der
gerichtlichen Medizin angenommen. — Jena, 4. Juli. Dec
bekannte Theologe Thümmel wurde zum o. Professor für
praktische Theologie an drr Universität Jena ernannt.

-— Lindaip 7. Juli. Jnfolge Verschluckens eines
k ü n st I i ch e n Z a h n e s ist der erst 37 Jahre alte Maler
Ludwig Wagner unter entsetzlichen Schmerzen g e-
storben. Der Zahn geriet rhm bei eiuem Hustenanfall
in -die Speiseröhre, wo stch die Platte festklemmte. Jn
einer Münchener Klinik wurde eine Operatton vorgenom-
men und der Fremdkörper entfernt; wenrge Stunden
daraus starb jedo-ch der Bedauernswerte an innerer Verblu-
tung. Er hinterläßt Familie.

— Basel, 7. Juli. !Jn Basel beginnt am 23. August
der i n t e r n a t i o n a l e Z i o n i st e n k o n g r e ß; er
wird acht Tage dauern. Hauptgegenstand wird sein: Die
-Kolonisation der Palästina-Provinz Wael-Arisch, die von
100 000 Juden angesiedelt werden soll. Die Unterhand-
lungen mit England, unter dessen Protektorat die Provinz
steht, häben bereits begonnen.

— Magdebnrg, 7. Jnli. Der Rekrnt Scharf von der
achten Kompagnie des Fußartillerie-Regiments Encke e r-
hängte sich im Kasernengarten; der Kanonier O r g a-
t o w s k y d e s e r t i e r t e. Ob 'hier ein Zusammenhaiig
besteht, war bis'her nicht zu ermitteln.

Berlin, 9. Jnli. Profcssor Kossel vom Reichs-
gesundheitsamt faßte in der Berliner medizinischen Gesell-
schaft die Arbeiten der im Anschluß an die Koch-Schütz-
schen Versuche eingesetzten Tnberknlose-Kommission so zu-
sammen: Die Bk e n s chent n berkuIosek a n nanf
d a s R i n d ü b e r t r a g e n w e r d e n nnd u m g e-
k e h r t. Unentschieden bleibt noch die praktische Frage,
welche Uebertragung die häufigere und wie groß die Ge-
sähr der Uäbertragung ist.

— Dic Verdcntschung des Wortes Cakes. Der von

einer Bielefelder Fabrik ausgeschriebene Preis von 1000
Mark für die beste VerdeutschMg des Wortes Cakes ist aus
das Wort „Knuspe r ch e n" gefallen. 102 P-ersonen
hatten das Wort eingesandt, werden sich also in den Preis
von 1000 Mark zu teilen haben, ein jeder also 9,80 Mark
erhalten.

— Dic grosic Erbschnft Bcbcls. Aus Nen-Ulm wird
den „M. N. N." berichtet: Die Nachricht, daß dem Sozia-
listenführer Bebel eine Erbschast von nahezu 400 000 Mk.
zufällt, ist richtig. Ue'ber die Person des Erblassers, des
am 22. Mai d. I. in der Oberbayerischen Kreisirrenanstalt
in München verstorbenen 'bayerischen Leutnants K o I l-
m a n n, erfährt man folgendes: Kollmann, der Sohn eines
Augsburger Buchhändlers, diente im Jnfanterie-Leib-
regiment und hat den Feldzug 1870—71 mitgemacht. Jw
Jahre 1879 scheinen sich die ersten Anzeichen einer gei-
siigen Erkrankung bei ihm gezeigt zn häben: wegen ver-
schiedener Skandale wurde damols militärische Unter-
suchung gegen ihn eingeleitet, die damit endete, daß er für
^ unzurechnungsfähig erklärt wurde. Das' Testament, in

mcine Spur aufgefunden werde. Hier genügt es, zu erklürcn,
daß ich mit mir selbst noch nicht im Reinen bin, wohin ich mich
zunüchst begebe."

Mit diesen Vorkehrungen fertig, schien Frau von Harding
biel ruhiger geworden zu sein; sie legte ihren Reisemantel an,
für dcn Fall, daß sie das Schloß plötzlich verlassen müsse. So
auf alles vorbereitet, warf sie sich in ihren Sessel, der Dingc
harrend, die da kommen sollten.

Der Tag war trübe und stürmisch. Die riesigen Ulmen unb
Papeln im Park schwankten ächzend hin und her, und wie ähn-
lich das Heulen des Windes in einem alten Schornstein dew
Wehklagen einer menschlichen Stimme ist, erfuhr die Frau,
die sich Frau von Harding nannte, an diesem Tage zum ersteN
Male.

Es schlug acht Uhr, ncun Uhr, zehn Uhr. Noch inimer sn-
ßen der Baron und seine Tochtcr im Wohnzimmer und war-
teten auf Georg Desmond.

„Molly!" rief der Baron, die Zeitung, in dcr er gelescn
hatte, beiseite legcnd, „wie kommt es, daß Drumond untev
eincm falschen Namen sich bei uns einführte? — Du nanntelt
ihn Desmond, als du mit Holborn von ihm sprachst."

„Ja, Papa, er heißt Georg von Desmond, wie er mir ini
Vertrauen mitteilte; er hatte kein Recht, sein Geheimnis Zn
verraten."

„Aber was veranlaßte ihn, solche Gehcimnisse zu habcu
und sich einen falschen Namen beizulegen? Hat er SchuldeU
und versteckt er sich hinter seinen Glüubigern?"

„O nein, nein!"

„Vor wem sonst verbirgl er sich so ängstlich?" .

„Vor niemand, Papa. Bitte, frage mich heute nicht nuw
Herrn von Desmond. Tas Geheimnis, das er mir anvcr-
traute, schließt zugleich die Geschichte seines Lebens ein, dw
ungemein traurig ist; du darfst mir glauben, daß er ein gutiä'
ehrenwerter Mensch ist und daß kein von ihm selbst begangenc-
Unrecht ihn zwingt, sich zu verbergcn."

(Forlsetzung folgt.)
 
Annotationen