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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
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Versammlung des Jungliberalenverein.

Karlsruhe, 10. Juli.

Gestern Abend hielt der Ju n g I i b e r a I e Ver-
^ inKarl s r u h e im Saal III der Brauerei Schrempp
kine äußerst zahlreich besuchte Monatsversammlung ab, in
öer L-andgerichtsrat Scherer nach kurzen Begrüßungs-
si>orten des Vorsitzenden -Kölsch das Programm der
>5 u n g l i b e r a I e n entwickelte. Seinen Aussührungeir
kntnehmen wir nach der „Landesztg." Folgendes:

Wir wissen, daß bei der Wahl von 1898 es zuerst dic frei-
Unnige Volkspartei war, welche in der Hauptwahl fast ohnc
^ihe blieb und dann bei der jetzigen Wahl mit dcm Verlust
eines Drittels ihrer Sihe aus dcn Wahlen hervorging. Wür-
°en die politischen Verhältnisse in gleicher Weise stch weiter ent-
lrickeln, so müßten wir damit rechnen, daß die nächsten Wahlen
ssus einen ähnlichen Verlust brächten; die links von uns stehen-
hsst liberalen Gruppen würden noch niehr geschwächt werden.
Viese Erwägung zwingt alle liberalen Gruppen, in nahe Füh-
wng mit einander zu treten; bei der Stärke der Rechten und
"cm Anwachsen dcr Sozialdemokratie hätte sonst der Liberalis-
^>us nicht mehr die Kraft der Existrnz und wäre wahr, was da
^nd dort behauptet wird: das Jahr 1803 ist das Todesjahr
bes Liberalismus. Und doch ist dem nicht so. Der Libera -
' > smus hat die Kraft, eine mächtige Partci der Zu-
^unft zu sein, wenn er nur seiner Aufgabe, die liberalen
-odeen überall und jederzeit durchzuführcn, bewußt ist und vor
^llcm der Kampf untcr den einzelnen liberalen Gruppcn auf-
s>nrt. Jxtzt sst keine Zeit mehr zu Streitigkciten im eigenen
^ager, es heißt festen Fuß fassen zwischen der Rechten und der
außersten Linken, der Sozialdemokratie. Die Jungliberalen
sverden da und dort gefragt, welches denn das Programm der-
iklben sei. Darauf gibt es nur cine Antwort: Es ist das der
^ationalliberalen Partei. Dieses Programm ist sehr gut; aber
uir müssen dafür sorgen, daß es auch stets angewendet und
?achgchaltcn wird. An den Prinzipicn müssen wir jederzeit
sKthalten; darin müssen wir ein festes Rückgrat haben; wir
schrfcn nie vcrgessen, daß wir liberal sind und bleibrn werden
uc- allen Aufgaben, die das politische Leben uns zu lösen gibt.
U-amit wird das Vertrauen der Wähler zu unserer Partei
"-siederkehren.

. Der Rückblick auf die Neichstagswahlen erfordert eine Be-
^chchung unserer Stellung zur Sozialdemokratie.
sl6ir müssen diese auch in Zukunft bekämpfen als einseitige Ver-
Keterin der Arbeiterinteressen und besonders deshalb, weil sie
untinational ist. Jn den Wahltreisen Karlsruhe, Mannheim
Und Pforzheim sollte die Sozialdemokratie bekämpft werden
uurch den Zusammenschluß aller bürgerlichen Parteien. Diese
^ahlparole hat vollständiges Fiasko gcmacht. Jn allcn drci
^uahlkreisen siegten die Sozialdemokrüten. Das gilt auch für
andere Teile des Deutschen Reiches; sonst hätte die Sozialde-
Urokratie nicht noch 25 Sitze in den Stichwählen erhalten kön-
U»n. IMt ciner derartigen Wählparole werden wir auch in
vukunst nichts ausrichten.

^ Bei dcr Wahlparole: Zusammcnschluß allcr bürgerlichen.
Iwrteien gegcn dic Sozialdemokratie wurde bci uns in Badcn
, alleni auf das Z c n t r u m gercchnet. Wir Jungliberale
Uaiiden ja von vornherein auf den Standpunkt, daß diese Rech-
Uung eine falsche ist. Es mögen verschiedene Liberale da ge-
sUesen fein, welchc mit der Kandidatur Bassermann nicht ganz
cinverstanden waren; jetzt nach der Wahl können wir es nur
Uegrüßen, daß Herr Bassermann aufgestellt worden ist. Wäre
^.cin jungliberaler Kandidat gewescn, da hätte das Zentrum
8eingt, diesen Kulturkämpfer können wir leider nicht wählcn,

tann man uns nicht zumutcn, wir hättcn ja so gcrn alles
iUwn, daß in der Residenz kcin Sazialdcmokrat gcwählt wird.
Uber nun war Herr Basserniann Kandidat. Daß er cin Kul-
^Urkümpser ist, konnte ja niemand behaupten; hat doch die
^Kölnische Volkszeitung" cs selbst bcdauert, wcnn Bassermann

Äusstellunft von Federzeichnnngen von Heinr.

v. Plessen (Fredheim in Danemark) im
Knnstverein.

Heidelberg, 11. Juli.

. Eine entschiedene Bcgabung hat sich hicr cine schlichte aber
Pcht leichte Technik gewählt, um sie mit sicherer Hand und
.ceuem Fleiß zu beherrschen und zu höchst anziehenden, ja
m>erraschenden Wirkungen zu steigern. Anspruchslos und be-
ichetden wie diese Technik sind die vorliegenden Blätter mit Na-
Uransichtcn, die dcr Künstler auf Reiscn im Südcn gefertigt.
^ufache, aber sehr geschickte Motive, mit treuester Naturbeob-
uchtiiug wiedcrgegeben, mit nusgesvrochcnem Sinn für die
-Üdwirkung crfaßt und gestaltet unö mit licbcvolleni Fleih
uiid erstaunlicher Feinheit ausgeführt. Auf modcrncn Aus-
UEungen begegnet man nicht oft Leistungen, die so durchaus
schohltuend berühren, bei denen cin offcnbarcs Talcnt und cine
Auckliche Leichtigkeit der Hand sich so fern halten von aller bil-
Peii Effekthascherei, aus denen so vicl trcue Liebe für die Na-
.br spricht, so viel Hingabe an die künstlerische Aufgabe. Hier
B alles ccht und crnst, nicht nach Beifall schielend, sondcrn die
^ siche selbst, die künstlerische Erfassung der Natur wollend. Die
Hshe, leicht und frei zu führende Fedcr wird gcrn zu fleißigen
^s'zzcn und oft von Meistern der flottcn Karrikatur verwcndet,

Lösung höherer Aufgaben jedoch seltener herangezogen.
schos Mag daran liegcn, daß, wcnn man sie zu größercn, aus-
hchhlicheren Tarstellungcn mit feinercn Wirkungcn benutzen
Lsu- sie mit ihrer strichelnden Art einen großen Aufwand von
p'ch'ß, eine bcsondcrs licbcvolle und wcisc Behandlung er-
vor wclcher Mancher zurückschreckt. Daß Heinrich von
D>Osen gerade diese Technik crwählte, beweist schon, daß er
f">genes in ihr zu sagcn hatte. Die trcfflichen, hier ausgestcll-
U^Blättcr bcstätigen das.

. ^-ie niit klaren Augen erfaßten Erscheinungcn der Natur
s-vt uns dcr Künstlcr mit Sorgfalt wicder in ihrcm mannig-

nicht mehr in den Reichstag käme. Und dennoch wurde von
Seiten des Zentrums Wahlenthaltung ausgegeben. Man weiß
jetzt, was die Hälfte des Zentrums als staatserhaltende Partei
ini Kampfe gegen die Sozialdemokratie zu bedeuten hat.

Jch frage, was haben wir zu tun, daß die Sozialdcmo-
kiatie nicht immer weitere Kreise für sich gewinnt? Jn erster
Reihe kann ich nicht glauben, daß die 3 Millionen Wähler auch
nur der Mehrzahl nach Revolutionäre und Vaterlandsfeindc
sein sollen; da wäre es traurig mit unserem Deutschen Reiche
bestellt. Die übergroße Zahl derer, die sozialistisch wählen,
tun dies, weil sie glauben ,daß ihre persönliche Lage hierdurch
am meisten verbessert wird. Hat doch unser unvergeßlicher
erster Reichskanzler Fürst Bismarck selbst gesagt, ohne das
starke Anwachsen der Sozialdemokratie hätte die Sozialpolitik
nicht die rasche Entwicklung wie geschchen gcnommen. So er-
hoffen die meisten Arbeiter auch jetzt nur irdische Güter für
sich, wenn sie sozialistisch wählen. Hierzu kommt dann die
große Zahl der Unzufriedenen; die sozialdemokratische Presse
hat selbst zugeben müssen, dah unter ihren Wählern sehr viel
Unzufriedcne sind, welche im übrigen mit der sozialdemokra-
tischen Partei garnichts zu tun haben. Woher kommt die Un-
zufriedenheit? Hat die Reichsregierung in dieser Beziehung
stets die richtige Pölitik eingehalten? Es gibt Leute, welche dies
verneinen. Wenn zum Beispiel der Reichstag schon öfters fast
einstimmig beschlossen hat, daß den Reichstagsabgeordneten
Diäten bewilligt werden, ferner daß ein Gesetz betreffs ein ein-
heitliches Vereins- und Versammlungsrecht dem Reichstag
vorgelegt wird, und die Reichsregierung ignoriert einfach
Jahre und Jahrzehnte lang diese Beschlüsse, so gibt das Un-
zufriedenheit im Volke und diese kommt dann bei den Wahlen
zum Ausdruck. Sorgen wir dafür, daß den sozialistischen Agi
tatorcn der Stoff zu ihrcn Agitationen genommen wird; die
Reichsregierung muß liberal und freiheitlich sein, eine solche
ist das befte Bollwerk gcgen dic Sozialdemokratie.

Jn unserem engeren Heimatlande stehen die Land -
tagswahlen vor der Türe. Unsere Partei muß sich aus
ihre eigene Kraft verlasfen, dabei aber im Auge haben, daß
unser Verhältnis zur f r e i s i n n i g e n und demokrati-
schcn Partei nur cin freundschaftliches sein kann. Die So-
zinldcmokratic müsscn wir bekämpfcn aus dem oben angegebe-
ncn Grunde. Aber unser Hauptgegner ist nicht diese,
die nicht über 10 Sitze im Landtag kommen kann, sondern das
Zent r u m. Diese Partei hatte im letzten Landtag 23' Sitze,
wovon 10 zur Neuwahl stehen, während von unseren 24 Sitzen
13 in die Neuwahl konimen. Es bleibcn also 11 liberale und
13 Zentrumsabgeordnete im Landtag. Da heißt es denn, alle
Liberale sammeln zur äußersten Kraftanstrengung. Sorgen
wir dafür, datz das Zentrum nicht die tonangebende Partei im
Lande wird. Der Angriff auf die gemischte Schule ist das
letzte Ziel, was das Zentrum im Auge hat.

Wenn unscrc Partei im Laufe dcr Jähre an Einsluß vcr-
loren hat, so ist das vor allem darauf zurückzuführen, daß wir
viclfach die Verbindung mit den Wählern vcrloren haben. Es
muß im ganzen Lande einc Organisation von liberalcn Vcr-
ernen durchgeführt werden; jedenfalls muß in jedem Amts-
städtchen ein wirklich lebensfähiger Verein gegründet werden,
der auch außerhalb der Wahlzeit seine Aufgabe voll und ganz
erfüllt. Diese Vereine müssen Mitglieder in allen Orten des
Bezirks haben; der Verein hat seine Versammlungen im Lauf
des Jahres im Amtsstädtchen und da und dort im Bezirk abzu-
halten, wobei bezüglich der Redner durch die Zentralleitung
der Pärtei eine gegenseitige Aushilfe stattfindet. Diese Arbei-
ten der Zentralleitung, die sehr umfangreich sind, machen die
Anstellung eines Parteisekretärs zur absoluten Notwendigkeit.
Wird auf diese Weise gearbeitet, so hat man sichere Vertrauens-
männer an allen Orten und braucht nicht erst nach solchen zu
suchen, wenn die Wahlzeit herankommt. Die Jungliberalen
Vereine sollen keine befondere Parteibildüng sein; je nach Lage
der Verhültnisie erscheinen diese vicl geeigneter, in unsere
Partei wieder das nötige Leben zu bringen. Freilich begegnet
da und dort in liberalcn Kreisen die Anregung der Frage

fachen Reichtum und doch ihrcm organischen Zuiammenhang.
Wie prächtig sind z. B. die Cypressen am Gardasee auf dem
unter Nr. 2 hier ausgestellten Blatte! Jn den vielfachen Ver-
ästelungen, denen die Feder gefolgt ist, scheint uns ein volles
Leben anzusprechen, das sich in dem stattlichen, stolz aufrcchten
Wuchs zur organischen Einheit zusammenschlicßt. Da wirkt
bei aller Feinheit der Ausführung nichts kleinlich; im Gegen-
tcil, durch die ganze Anordnung, durch die Wahl des Motivs
erhalten wir den Eindruck einfacher Größe der Natur. Beson-
ders gut scheint mir in der Komposition die Zeichnung mit hoch-
stammigen, schlanken Bäumen, die sich aus einer kleinen Tal-
schlucht am Ufer erheben und sich als Silhouetten von dem See
und dem abendlichen Himmel abheben (Nr. 4). Nur Wenigen
dürfte es zum Bewußtsein k'ommen, durch welche unauffällige.
aber wirksame Mittel hier uns der Eindruck des Weiten unö
Stillen des Raumes in der Landschaft gegeben ist; unwillkür-
lich wird das Blatt jedoch Jeden fesseln. Dieser Künstler tritt
immer hinter dem Gegenstand zurück; mit bewußter Absicht
will er keine „Stimmungen" hineinlegen, keine romantischen
Rcgungen bci diesen Ansichen aus dcm Südcn hervorrufcn;
und dennoch bringt er es fertig, dem aufmerksamen Beschauer
ein miterlebendes Gefühl für die Natur zu erwecken. Das
beweist seinen wahren Künstlersinn. Wie viel Leben fpricht aus
dcr Ansicht von Salo am Gardasce! Die mclancholische, unre-
gelmäßige Reihe alter Häuser am Wasser mit ihren vielen
Details regen unsere Phantasie an, ohne daß wir dort irgend
einen Vorgang wahrnähmen; durch die Landschaft geht eine
einheitliche Bewegung; ein Wind treibt dichte geballte Wolken
über den Ort weg an die Bergabhänge und macht das Wasser
des SecS in langen, sich dehnendcn und rhythmisch sich folgcn-
den Wellenreihen zum Ufer anstreben, wo das alte Gemäuer
den Elementen schon so lange Trotz bietet und auf den völligen
Sieg der Sonne wartet. Bon des Künstlers feiner, sorgfälti-
ger Behandlung gibt gerade dieses große Blatt einen erstaun-
lichen Beweis. Es ist etwas von der Treue der Naturerfässung
und Ausführung Adolf Menzel's in diefen Zeichnungen, wenn-

Die l;errtige NüMmer nmsayt drei Büitter, zusaMmen

der Bildung eines Vereins auch Widerstand; ja, es gibt sogar
gute Liberale, die nichts davon wissen wollen, für die liberale
Sache etwas und, wenn es auch ein kleiner Beitrag ist, zu zah-
len. Diesen Parteigenosscn können wir nur zurufen: Nehmt
Euch ein Beispiel an den Arbeitern, die von ihrem sauer ver-
dienten Lohn immer noch genug übrig haben, um an die so-
zialdemokratische Parteikasse ihr Scherflein abzuliefern. Jn
dieser Beziehung muß es anders werden, es muß überall zuni
Bewußtsein kommen, daß man nicht nur staatsbürgerliche
Rechte, sondern auch Pflichten hat. Erst wenn das Land in
dieser Weise durch Vereine organisiert wird, können wir mit.
Vertrauen Len Wahlen entgegensehen. Heute kann ich nur
wünschen, daß meine Worte im ganzen Lande beherzigt wer-
den. Voran allenthalben mit Gründung von Per-
einen!

Gehen wir diesen Weg, so sind wir im stande, dcm An-
fturm des Zentrums mit Erfolg zu begegnen, und bessere Zei-
ten werden für den Liberalismus wiederkehren. Jch schließe
meine Ausführungen mit den Worten: Möge dem schönrn Bad-
nerland der gemäßigte liberale Fortschritt auf allen Gebieten
des Staatslebens auch in Zukunft erhalten bleiben!

Der Vortrag wurde häufig durch Züstimmungskund-
gebungen unterbrochen und znm Schluß mit langanhal-
tendem Beifall ausgenommen. Jn der anschließenden, sehrr
regen Diskussion, die si-ch bis gegen Mitternacht ausdehnte,
wurde insbesondere das Verhältnis zu den linksstehenden
Parteien erörtert.

Deutsches Neich»

— Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Ein Berliner Bör--
senblatt der „Berl. Börsenkourier" berichtete am 7. Juli,
der Kaiser habe letzten Sonntag beim Schiffsgottes-
dienst an Bord der 'Jacht „Hohenzollern" einGebetfü r
den k r a n k e n P a P st gesprochen. Nndere Blätter wuß-
ten auch zu melden, daß der Autritt der Nord-
l a n dreise sich deshalb verzögert habe, weil der
Kaiser im Falle des Todes des Papstes zu den Beisetzungs-
feierlichkeiten nach Jtalien sich begeben wolle. Wir sind
ermächtigt, alle diese Meldungen als erfunde n zu be-
zeichnen. Die Nordlandreise wird vermutlich morgen
angetreten." — Wenn die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt,
daß sie ermächtigt ist, die Meldung als erfunden zu be-
zeichnen, so bedeutet das fiir den Kenner des osfiziösen
Stils, datz diese Ermächtigung v o m K a i ser sel b st
ausgeht. So erklärt sich auch die Verzögerung des De-
menti. Es wird in einem salchen Falls von berufener
amtlicher Stelle beim Kaiser angefragt, und wenn er wie
jetzt auf Reisen ist, Vergehen, bis die Antwort einläuft,.
einige Tage, Jnzwischen ist übrigens auch durch die Per-
sonen, die dem GottLsdienft auf der „Hohenzollern" bei-
gewohnt Haben, bekannt geworden, daß an dieser ganzen
Geschichte vom Gebet für den Papst nicht ein wahres Wort
ist. Es ist das einer der Fälle, in denen es interessant
wäre, zn erfahren, v on w e m e i n e sol ch e Ge -
s ch i ch te erfnnden wird; dann würde sich auch benr-
teilen lassen, zu welchem Zwpcke es geschehen ist. Es war
nicht nur im allgemeinen gesagt worden, daß der Kaiser
sür den Papst gebetet habc, sondern es war sogar der Wort-
lant dieses angeblichen Gebets mitgeteilt.

j gleich der Sinn für die Landschafi uns hier eine andere Künst-
lereigenart zeigt, wie sie der bcrühmke Jllustraior preußischcr
Geschichte besttzt, Jmmerhin läßt eine gewisse verwandte nor-
dischc Gründlichkcit und Klarhcit dcs Schaucns und Schaffcns
den Vergleich mit dem preußischen Meister zu. Wic dieser^
verwendet auch von Plesien besondere Sorgfalt auf die Wieder-
gabe des Lichtes, wobei die Feinheit seines Auges ebenfalls vor-
teilhaft auffällt. Dic Schwarz-Weitz-Wirkungen seiner Tech-
nik versteht er in dieser Hinsicht vorzüglich auszunützen. Gerade-
bei Gelegenheit von Helldunkeleffekten beweist seine Feder, daß
sie intimster Wirkung fähig ist; wie denn überhaupt bisweilen
der Eindruck der Nadierungen erreicht ist. Jch verweise beson-
ders auf das Jnterieur eines italiemschen Baucrnhauses mik
der Frau am Kamin (Nr. 12), und mache auf die wirkungs-
volle Art aufmerksam, wie auf mchreren Blättern das Son-
nenlicht, das mit den Wolken kämpft, gegeben ist, z. B. auf den
bciden Ansichten eines kleinen Fluffes bci Avignou (Nr. 1ü
und 16), wo überdies die Baumgruppen an den Usern sehr
schön behandelt sind. Uebrigens will mich fast bedünken, als
ob dic feinen Wirkungen, welche bon Plessen in so eigenartigeu
Weise der Technik der Federzeichnüng abgewinnt, durch^ die Zu-
tat von Farben eher beeinträchtigt, als wie gefördert würden..
Er vcrsucht eiue leichte Lavierung mit durchsichtigen Wasser-
farben bei den Ansichten einer überwölbten Gasse^in Florenz.
(Nr. 10) und des Jnnern der dortigen Kirche Or San Michele
(Nr. 11), die sonst durch die Zeichnung sehr ansprechen.

Da die Blätter alle mit Jahreszahlen verschen sind, läßt
sich die Folge ihrer Entstehung leicht zusammenstellcn. Man
erkemit, daß der Künstler im Laufe von fünf Jahrcn (1899
bis 1903) eine Entwicklung durchgemacht hat, die i^n von zmn
Teil noch cin wenig befangenen Zeichnungen zur völligen Be-
herrschung seiner originellen Technik und zu einem immer ver-
vcllkommneteren Erfassen der Natureindrücke gebracht hai,
Ein sehr ernftes Streben zcigt sich uns und ein schöneS Gc-
lingen, das uns von dieser so sympathischen Kunst auch fcrncr-
hin das Beste erwartcn lätzt. Tr. l'.

14 SeiLen.
 
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