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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 202 (1. August 1903 - 31. August 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0363

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Trschei»t tSzlich, Sosntaz» «u»snw«,,e». Prei» «U F*«M«»Mtt«r« monarttch SÜ Pfg. in'» Hon» grbracht. bri ber Exvedition und den Zwrigftattonen sbgeholt <S Vig. Dnrch tßr

dezogen vierteljährlich l.35 Mk. ,uA?chl>eßlich Zusiellgebühr.

A»»«i»t»prei»: 20 Pfg. für die Ifpalttge Petitzeile oder deren Raum. Rerlamezcile 40 Pfg. Für hiesige GeschäftS, und Privatanzeigen ermäßigt. — Fitr dir Aufnahmr »»» L«z«i-«
. «» brstimmten Tagen Vird kein« Berantwortlichkeit ül irnommen. — Nnichlag der Jn^rate auf den Pia kattafeln der Heidelberger Zeituug und den stLdttschen Anschlagstellcn. Fernsprechcr 8.

Der angebliche„Abbruch der deutsch-russischen
„Haudelsvertragsverhandlungen".

Berlin, 21. Augilst.

„ „Tiplomatische Kreise" — deutsche nicht, also, wenn
Äerhaupt. wohl ausländische. haben nach einem hiesigen
^latt verlauten lassen. die „deutsch-russischen Handels-
!?"rtragsverhandlungen. hätten einen „vorläusigen Ab-
Wch" erlitten, die Beratungen seien schon am dritten Tage
^uf dem toten Strang angelangt, d-as sei der innere
^rund für die Abreise der deutschen Delegierten.

Tiese Angaben sind dahin zu berichtigen, dasz die deut-
Ichen Vertreter noch heute nicht von St. Petersburg ab-
öereist sind, dasz die Vorbesprechungen fortdauern, und
niemals durch einen besonderen Zwischenfall ein Ab-
^ruch oder auch uur eine störende Unterbrechung veran-
^aszt worden ist. Als unsere deutschen Herren nach der
l'ussischen Hauptstadt ausbrachen — als Kommissare zu
^orbssprechungen, nicht als Bevollmächtigte zu entschei-
^enden VertragsverhanÄungen — war man hier -darauf
l'orbereitet, sie nach kurzer Frist zurückkehren zu sehen,
"hne aus der ersten Fühlungnahme mit den riissischen
^ertretern mehr mitzubringeu, als gleichsam eine Ein-
Zaunung des Tummelplatzes für spätere Unterhandlungen.

trat aber bald nach der Ankunft unsersr Beamten in
^t. Petersburg auf r/issischer Seite die Bereitwilligkeit
^>ervor, die Vorbesprechungen bis zu dem vermutlich am
^8. d. M. erfolgenden Urlanbsantritt des Finanzministers
^Vitte fortzusetzen, also länger, als die deutschen Kom-
^issare angenommen hatten. Und' so nahm der mündlichs
dAeinungs-austausch seinen Lauf und geht noch weiter.
Daß aber Herr Witte diese Petersburger Präliminar-
^esprechungen nicht in seiner Abwesenheit gefuhrt sehen
>vill, läßt gerade darcmf schlieszen, daß er sie nicht für
glei-chgültig hält. Jm übrigen hat man bei uns daran
Eeine besonderen Erwartungen geknüpft, die Schwierig-
Eeiten des neuen Vertragsschlusses nicht verschleiert und
keine Neigimg gezeigt, Ergebnisse zu sorcieren. Der Zeit-
bunkt für die Abgabe endgiltiger Erklärungen wird erst
Eommen, wenn die eigentlichen Unterhandlungen sich
lhrem Ziele nähern. Einstweilen haben diese noch gar
llicht begonnen; es ist möglich, dvß erst noch weitere vor-
hereitende Erörterungen, vielleicht in Berlin, gepflogen
lverden.

DeuLsches Reich»

— Eine Verlobung des Großherzogs von
NkeckIenburg scheint in Sicht zu sein. Aus Schwerin
li'ird gemeldet: Der Großherzog von Mecklenburg-Schwe-
vin begibt sich nach Kopenhagen. Hierdurch nehmen die
Terüchte seiner Vsrlobung mit der Prinzessin Thyra von
Dänemark feste Gestalt an. Der Großherzog ist 21 Jahre
alt.

Prcußen.

— Auch der Monat Jnli hat in den Einna-Hmen

8er preußisch-h essi'sch en EisMb ahn!ge-
meinschaft ein Mehr gegenüber dem gleichen Monat
des Vorjahres gebracht. Jst diese Tatsache schon erfreulich,
so ist es noch mehr die, daß das Einnahmemehr sich auf
der Durchschnittshöhe des Uebsrschusses der ersten drei
Monate des laufenden Finanzjahres gehalten hat. Per-
sonen- und Güterverkehr sind an der Steigerung der Ein-
nahmen fast in glei-cher Weise beteiligt. Hält diese Ent-
wickelung, was glücklicherweise zu erwarten steht, an, so
ist für das lausende Jahr auf einen für die gesamten
Staatsfinanzen wieder günstigen Abschluß 8er Eisenbahn-
verwaltung zu rechnen. Es ist nämlich zu bedenken, daß
der Etatsansatz der Eisenbahneinnahmen für 1903 gegen-
über dem von 1902 eine Herabsetzung erfahren hat, die
noch größer war, als die von 1901 auf 1902 vorgenom-
mene. Während der Einnahmeansatz der Eifenbahnver-
waltung im Etat für 1901 bereits die Summe von 1441
Millionen Mark erreicht hatte, indem ein Mehr gegen das
Vorjahr von 77 Millionen Mart in Aussicht genommen
war, stellte man in den Etat für 1902 eine um 24,7
Millionen Mark geringere Summe ein und in dem für
1903 ermaßigte man diese wieder um 36,5 Millionen
Mark. Der Emnahmeansatz sür 1903 beläust sich demge-
mäsz auf 1379,8 Millionen Mark. Hielte die Eiitwicklnng
der Eisenbahiieiiinahmen sich nur auf der Höhe des ersten
Trittels, so würde am Ende des Rechnungsjahres ein
recht ansehnlicher Betrag übsr den Etatsanschlag verein-
nahmt, und würde Zamit beinahe die Höhe erreicht werden,
die im Etat für 1901 in Aussicht genommen war. Die
preuszischen Finanzen können in der wtzigen Situation
betanntlich eine sol-che Bessernng in ihrem wichtigsten Ein-
nahmeteile sehr gut brauchen.

Berlin, 21. Augiist. Ein A n t o m o b i l g e s e tz
in Sicht. Tie preuszische Regierung scheint dem Beispiele
Englands folgen zu wollen, welches bekanntlich vor kurzem
ein Gesetz für den Uiitomobilverkehr erhielt. Als Grimd-
lage für ein derartiges Gesstz haben dis Ressortmmister^
eine Statistik aller durch Kraftfahrzeuge verursachten
U n f ä t l e aiigeordnet, alle Unglücksfälle mit tötlichem
Ausgange, Körperverletzimgen, Sachbeschädigungcn, so-
wie alle Znsammenstoße mit Strafzenbahnwageii und an-
deren F-ahrzeugeii sollen rekognosziert werden. Als Ter-
min wird' die Zeit vom 1. Januar 1901 bis 1. September
1903 festgesetzt.

Baden.

Freiburg, 21. Nug. Die „Freiburger Zeitimg"
will aus absolut sicherer Ouelle, die hinrei-
chende Garantie für die Richtigkeit 8er Nachricht bietet,
erfcchren haben, dasz die Groszherzogliche Regierung die
Klosteifrage n o ch v o r dcn LandtagSwahlen in der Weise
zur Entscheidung bringen wird, daß eines oder zwei
Klöster in Baden zugelassen werden. Das Blatt
fügt hinzu, 8aß der Wahlkampf für den Landtag „dem-
nach" nicht unter der Parole der Klosterfrage vor sich
gehen werde. — Trotz 8er absolut stcheren Qüelle der

„Freib. Ztg." möchten wir die Nachricht doch sehr bezwei-
feln. Sehr naiv wäre es, anzunehmen, daß die Kloster-
frage im Wahlkampfe keins Rolls spielen würde, wenn
-die Regierung wirklich zur Zulassung einiger Klöster sich
noch vor den Wahlen eiitscheiiden sollte.

— Auswärtige klerikale Blätter mslden, daß vor eini-
gen Monaten der Fürst eines deutschen Kleinstaates, in
dem stch O r d en s n i e d e r I a s s u n ge n befinden,^ den
Großherzog von,Ba8en unter besonderem Hin-
weis auf die Wirksamkeit der Beneöiktiner gesprächsweise
gssragt habe, ob die Orden demnächst in Baden zugelassen
werden würden. Die Antwort habe gelantet: So
Iange ich leöe nicht!" — Das klingt anders als
8ie angeblich aus bester Ouelle stammende Nachricht der
„Freiburger Zeitung."

Karlsruhe, 21. Aug. Die evangelische-
s o z i a le V e r e i ii i g u n g für Baben veranstaltet, wie
wir bersits im Frühjahr beri-chteten, in diesem Iahre
wieder einen fünftägigen fozialwissenschaftlichen Kursus
in Karlsruhe. Der erste folche Kursus fand vom 4. bis
8. Oktober 1897 statt; er war damals von gegen 300
Teilnehmern aus allen Ständen, auch Dmnen, besucht
imd vertief in ausgezeichneter Weise. 'Der diesjährige
Kursus findet vom 12. bis 16. Oktvber statt. Vorlesun-
gen sind vorgeseheii über die Großindustrie, die Arbeiter-
bewegung, die Wohnimgsfrage^ da,s Agrarproblem, das
Verkehrswesen, das Stenerwesen und soziale Hygiene.
Als Referenten sind bisher gewoimen Prosessor Rathgen-
Heidelberg, Professor Fuchs-Freiburg, Professor Troeltsch-
Marburg (früher in Karlsruhe), Professor Eckert von der
Haiidelshochschule in Köln imd dNedizinalrat Dr. Kiirz-
Heidelbsrg. An die Vorträge sollen sich wieber allge-
meiiie Tebatten über den Jnhalt des Vortragenden an-
schtießen. Wir zweiseln nicht, daß der Besuch des Kur-
sus auch in diesem Iahre wieder eiu recht guter werdeii
wird.

Kus der Zeiturrg

— Die Großherzogliche Zolldirektion hat die Hauptamts-
assistenten Julius Glunt in Lahr, untcr Erncnnung zum
Buchhalter, zum Hauptsteueramte Mannheim, Karl H u r st in
Schaffhausen nach Lahr, Friedrich Ungelenk in Singen
nach Schaffhausen, den Buchhalter Otto Wahle beim Haupt-
steueramte Mannheim nach Lörrach, und unterm 12. August
den Grenzkontrolleur Viktor Link in Grenzacherhorn nach
Wyhlen versetzt.

— Betriebsassistent Edmund Spranz in Meckesheim
wurde nach Neckargemünd versetzt.

Karlsruhe, 21. Aug. Die Großherzogiii
fuhr heute Vormitlag von Schlos; Mainau nach Konstaiiz,
um daselbst verschiedene Wohltätigkeitsaiistalteii zu be-
suche». Dieselbe kehrte ria-ch 1 Uhr mit dem Fürsten
von Hohenzollern, welcher vou Krancheiimies ankam, uach
Schkoß Mainau zurück. Der Fürst iiahm an der 'Früh-
stückstafcl der Großherzoglichen Herrschaften teil und btieb
bis zum späteren Nachmittag, imi alsdaim die Rückreise
nach 'Kranchenwies anzutreten.

Kleine IeiLrmg-.

— Wic alt sind dic dcutschcn Professoren? Das Durch-
schnittsalter der Professoren an den -verschiedenen Univer-
sitäten Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz ist von
Dr. F. Eulenburg berechnet wordeii. Die Statistik er-
streckt sich auf fast 1500 Hochschullehrer, die währeii-8 des
Winters 1901—1902 im Lehramt waren. Es hat sich
für diese Zeit ein allgemeinss mittleres Alter von 63,4
Tahren ergeben, während die entsprechende Zahl vor 10
Tahren 61^ betrug. Zwischen den verschiedenen 'Fakul-
täten fin'den sich nur geringe Nnterschiede. Für 200 Pro-
fessoren der THeologie war das Durchschnittsalter 64,2,
sür 226 Professoren der Rechte genau dasselbe, für 259
Professoren der Medizin 64,8. Die ältesten Professoren
sind in Berlin, München und Leipzig zu finden, die jüng-
sten in Bonn, Heidelberg, Wien und Straßburg. Wnger
a'ls 30 Jahre waren nur 2 Professoren, beide von der juri-
süschen Fakultät. Et-wa 4 v. H. der Professoren lehrien
noch im Alter von mehr als 70 Jahren, was in Oester-
reich wie in den russischen Ostsee- Provinzen gssetzli-ch
untersagt ist. Dr. Eulenburg tritt 'd-afür ein, daß in
Deutschland eine Altersgrenze von 66 Jahren für einen
freiwilligen Rücktritt und eine solche -von 70 Jahren
für den unbedingten eingeführt werde.

— Sclbstmord. Der Rechtspraktikant K. aus Karls-
ruhe hat sich in einem Münchener Hotel erschossen.
Er hielt sich zuletzt in Fraiiksurt a. M. auf, wo er von
einem Bekannten ein Darlehen von 300 Mark erhielt.

Jm Hotel fiel er durch sein erregtes Wesen auf, weshalb
8ie ihm bereits 200 Mark betragende Rechnung präsen-
tiert wnrde. Gleich darauf beging er Selbstmord. K.
war 30 Jahre alt imd hatte früher ein Vermögen von
30 000 Mark, das er vollständig aufgebraucht hatte.

— Elektrische Kraftlibertragung. Von St. Maurics
nach Lausanne wurde auf eine Entfernung von 66 Kilo-
inetern eine elektrische Leitimg erbaut, welche 5000 Pferde-
kräste überträgt. Hierzu wird statt Wechselstrom oder so-
genaimtem Dreiphesenstrom hochgespcmnter, idirekter
Strom benutzt. Die Spannung beträgt 22 300 Volt, die
Stromstärke 150 Ampäres. Die gcmze Anlage bietet in
Hinsicht auf die Technik eine vollständige Neuheit. Auf
dem langeii Weg gehen nur 60 Prozent 8es in die Lei-
tung geschickten Stroms verloren.

— Ein lustigcr Studentenftreich spielte sich, wie man
schreibt, kurz vor Beginn der Ferien in der Hesstschen
Akusenstadt Gießen ab. Der Kommilitone B., ein fröh-
licher junger Fuchs, hatte zuweilen die Angewohnheit, sich
schon bei dem FrühschoPPen derartig zu bezechen, daß er
am Biertisch trotz der Morgenstunde fest einschlief
trotz Rüttelns imd Stoszens kaum zu erwecken war. Der
Leibbursch wollte diese üble Angewohnheit seines Pflege-
befohlenen ein für allemal abschaffen imd ersann folgende
Radikalkur, deren Wirkimg bei dem schläfrigen Füchslein
eine ausgezeichnete war. Eines Morgens mußte B. bei
dem Frühschoppen „imentwegt" so viel „Halbe" imd
„Ganze" nachkommen, bis er nach kurzer Zeit seinm ge-
wöhlilicheri Rausch abhatte imd in Schlcif versiel. Mau

packte ihn in eineii Wagen und fort ging es nach einem
benachbarten Dorfe, das in Bahnverbindung mit Gießen
steht. Dort angekommen, wurde in emer Kneipe der
Schläfer seiner Kleidimg samt allem, was dazu gehörte,
Geld un8 Uhr entledigt, und in einen zerrissenen, alten
und schmutzigen Bauernanzug mit langem, blauem Rock
gesteckt. Jn die verschossene Weste tat man ihm eine
Fahrkarte für die vierte Klasse nach Gießen. 'Jn diesem
Zustand ließ man ihn seinen R-ausch ausschlafen. Wer
beschreibt den Schrecken und den Zorn des Erwachten,
-als man ihm mitteilte, daß seine Kommilitonen schon
lange mitsamt seinen Kleidern abgereist seien. Wohl
oder übel mußte er in dem Bauernanzug vierter Klasss
nach Gießen fahren. Aber hier h-atte man für einen ge-
eigneten Empfang die nötigen Vorbereitimgcn getrofsen
und zn verhindern gewußt, daß der Bruder Studio nach
Hause fahreii konnte; sämtliche Droschkenkutscher verwei-
gerten, es sei deim bei Vorausbezahlimg, trotz Bitteu und
Flehen die Heimfahrt imd so muszte er den ganzen Weg
vom Bahnhof bis zu seiner am Nordende der Stadt ge-
legeiien Wohnung zu Fuß gehen, wo ihn unter Jubel die
Freunde festli-ch bsgrüßten. Hofsentlich gaben sie ihm in
der festlichen Stimmung keine Gelegenheit, sofort wieder
in den biertotenähnlichen Schlaf zu verfallen.

— Zarte Ailfmcrksamkeit. Wie der Pariser Korre.-
spondent des „Daily Telegraph" erfährt, hat der König
von England soeben dem Präsidenten Loubet eine Anzahl
preisgekrönter Stiere und Kühe aus der königlichen Herde
von Windsor geschenkt. Ter Präsideiit der sranzösischen

Die heutige Nummer umfupt drei Vlätter, zusammen 14 Seiten.
 
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