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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1903 - 30. September 1903)
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bisches K ü st e n l a u ü und die A dria ein serb i-
sches Meer ist. Vor einigen Tagen fanden sich einige
sechzig zn einer Parteibesprechung zusamniein in der die
erklärten Anhänger Montenegros, das bekanntlich in Süd-
bnlmatien eine sehr rege Wühlarbeit entfaltet, das große
Wort sührten. Zuerst wurde die Solidarität der Serben
mit den übrigen Slawen der Monarchie ausgesprochen
nnd den letzteren die weitestgehende Unterstützung zugsjagt,
dabei aber jedoch der Anschluß Dalmatiens an Kroatien,
welchen die Kroaten anstreben und ebenfalls im Namen der
slawischen Gemeinsamkeit verlangen, aus „politischen"
Gründen abgelehnt. Tie Beschlüsse scheinen jedoch nur
ein Vorwand gewesen zu sein, um eine ganz entschieden
von Cettinje eingeflüsterte Erklärung abgeben zu können,
welche hochträbend lautet: „Jn Bezug auf die Fragen des
Balkans, ganz besonders jedoch in Bezug auf die bosnisch-
herzegowinische Frage, steht die serbische Nationalpartei im
Küstenlande auf dem Standpunkte: der Balkan ge-
hört den Balkanvölker n." Tamit stellen sich dem-
nach die dalmatinischen Serben trotz ihrer Zugehörigkeit
zur österreichisch-ungarischen Monarchie ofsen und unver-
hohlen auf den von allserbischer, dieser Monarchie entschie-
öen feindlicher Seite angenommenen und verkündigten
Standpunkt, eine Tatsache, welche außer in Oesterreich
in keinem Lande Ler Welt mehr möglich wäre.

England.

— Tie englischen Behörden häben nunmehr die Fabrik-
niarke und Versandt-Papiere entdeckt, welche gestatten, die
Herkunft der Waffen und der Munition festzustellen,
welche dem tollen M n l l a h geliesert worden sind.
Es wurde konstatiert, daß die meisten Send-ungen aus
England selbst und aus Frankreich stammen. Die
Vermittelung geschieht durch Agenten in Manchefter,
Harrar und Djibuti. Man beschlagnahmte Papiere einer
Londoner Firma, welche bereits seit Jahren Wasfen und
Munition an den Mullah geliefert hat.

! > . II' ^ Ruhland. ... ' ^ '

- Nach den nunmehr ziemlich vollständig votliegenden
Berichten über den Ausfall der Erntein ganzRuß-
l a n d läßt sich das Ergebnis dahin zusammenfassen,
daß das Erträgnis in Weizen im allgemeinen befriedi-
gend, in Gerste gut und in Roggen unter mittel ist.

Petersburg, 1. September. Wie amtlich bekannt
gegeben wird, wurde der Präsident des Ministerkomitees,
Witte, in den Reichsrat berufen. Man weiß noch nicht
recht, wie man die Ernennung des bisherigen Finanz-
ministers Witte zum Präsidenten des Ministerkomitees
und seine Berufung in den Reichsrat ausfassen soll. Bei
jedem Anderen würde man sagen, es sei eine Kaltstellung,
bei Witte trifft das möglicherweise nicht zu. Vielleicht ist
er dazu ausersehen, das Präsidium des Ministerkomitees,
das bishec nur eine Art Registrierbehörde war, zu Poli-
tischer Bedentung zn erheben.

Die Vorbereitung zum höheren öfsentlichen
Dienst in der Justiz und in der inneren
Verwaltung.

Die soeben erschienene Nr. 19 des „Gesehes- und Verord-
nungsblattes" veröffentlicht eine landesherrliche Verordnung,
die Vorbereitung zum höhercn öffcntlichcn Dienst in der Justiz
und in der inncren Verwaltung betreffend, sowie cine Verord-
nung des Justizministeriums, die Beschäftigung der Rechts-
praktikanten und Referendäre betreffend, wodurch der seit-
herige Rcchtszustand in nicht unerheblicher Weise geändert
wird.

Zunächst hat der Studienvlan für die Studierenden
dcr Rechtswisjenschaft eine Erweitcrung insofcrn erfahren, als
an Stelle der seither vorgeschriebcnen zwei praktischen Uebungen
vier treten: eine exegetische Uebung im römischen Recht, eine
Üebung im deutschen bürgerlichen Recht, eine zivilprozessuali-
schc, das bürgerliche Rccht mitumfasscnde Uebung, sowie cinc
Uebung in einem der Fächer, Strafrecht, Staatsrecht, Ver-
waltungsrccht, Kirchenrccht oder Volkswirtschaftslehre. Tiese
Vorschrift findet erstmals Anwendung auf diejenigen Rcchts-
kandidaten, dic sich im Zrühjahr lövö der ersten juristischen
Prüfung unterziehcn.

Die Anmeldungen zu der im Spätjahr stattfiNdendcn
1. juristischen Prüfung haben nicht mehr wie bisher im Laufe
des Monats Oktober, sondern schon im Monat Septcmber zu
ersolgen.

Ein mehr als einmaliger ungenügcnd entschuldigter Nück-
tritt der Kandidaten von der ersten, wic von der zweitcn
Prüfung soll die Zurückweisung des Kandidaten von der Prü-
fung überhaupt zur Folge haben. Als genügende Entschuldi-
gungsgründe werden Krankheit und sonstige unverschuldete
Verhinderung anzesehen. Nach Beginn der mündlichen Prü-
fung jedes einzelnen Kandidaten ist für diesen ein Rücktritt
nicht mehr möglich.

Die wesentlichste Reuerung ist die Verlängerung des
Vorbereitungsdienstes von drei Jahren auf drei Jahre
und fechs Monate. Die Einführung des neuen Grund-
buchsrechts hat es notwendig gemacht, datz die Rechtspraktikan-
ten sich auch bei den Grundbuchnotariaten beschäftigcn, die
allein imstande sind, eine genaue Kenntnis des Grundbuch-
rechtes zu vermitteln. Da aber eine solche Beschäftigung nur
auf Kosten der für den Justizdienst vorgesehenen Vorberei-
tungszeit möglich war, wurde dieser ohnehin schon knapp be-
messene Teil des Vorbereitungsdienstes in einer Weise gekürzt,
datz cr einc gründliche Ausbildung dcr Anwärter für den
höheren Justizdienst keineswegs mehr gewährleisten konnte.
Durch die mit Allerhöchster Ermächtigung aus Grotzh. Staats-
ministerium vom Justizministerium angeordnete zweimalige
Abhaltung der zweiten juristischen Staatsprüfung im vergange-
ncn und ini laufenden Jähre und die entsprechende Bestim-
mung der Prüsungstermine ist auch dcr bei dcr Justiz zuzu-
bringende Teil des Vorbereitungsdienstes tatsächlich schon auf
zwci Jahre und vier Monate ausgedehnt wordcn. Aber auch
diese Erweiterung konnte nach den bisherigen Erfahrungen
nicht mchr gcnügen, es erschien vielmehr cine Verlängerung
der im Justizdienste zuzubringenden Vorbereitungszeit auf
und demgemätz des gesamtcn Vorbereitungsdicnstes auf
314 Jahre notwcndig. So wurde es möglich, eine regelmätzig,
erst gegen Ende des zweiten Vorbereitungsjahres beginnende
Beschäftigung von mindestens vier und höchstens sechs Moriaten
bei Grundbuchnotariaten obligatorisch zu machen und den etwa
noch vcrbleibenden Teil der gcwonncnen sechs Monate dem
amtsgerichtlichen Vorbereitungsdienste zuzuschlagen. — Von
den acht Monaten, die bisher bei Kollegialgerichten oder bei
dcr Staatsanwaltschaft zugebracht wcrdcn konnten, wurde eine

Beschäftigung von vicr Monaten bei Kollcgialgerichten obliga-
torisch gemacht. Jm Jnteresse einer gründlichen praktischen
Ausbildung der jungen Juristen sieht die Ministerialverord-
nung auch praktische Uebungen vor, die für alle bei einem
Kollegialgericht beschäftigten Rechtspraktikanten durch ein Mit-
glied des Gerichts unter Aussicht des Präsidenten abgehalten
werdcn sollen. — Die Bestimmungen über Dauer und Eintei-
lung des Vorbereitungsdienstes finden erstmals Anwendung
auf diejenigen Rechtspraktikanten, welche sich im Jahre 1904
der zwcitcn Prüfnng untcrziehen.

Durch eine solche Einrichtung des Vorbereitungsdicnstes ist
es möglich gewordcn, dem fühlbar gewordenen Bedürfnisse zu
genügcn. Andererseits aber dürfte auch eine erhebliche Schä-
digung der Rechtspraktikanten durch die Verlängerung des Vor-
bereitungsdienstes nicht zu befürchten sein, jedenfalls nicht für
die grotze Zahl der Rechtspraktikanten, welche sich dem Staats-
dienste widmen. Für diese bildet ja die zweite Prüfung ledig-
lich einen Abschnitt in der von der ersten Prüfung bis zur
Anstellung verflietzenden Zeit. Diejenigen Rechtspraktikanten
allerdings, die sich dcm Berufe eines Rechtsanwalts widmeten,
konnten denselben bisher früher ergreifen als künftig möglich
sein wird. Aber gerade auch für sie erscheint eine gründlichere
Ausbildung im Jnteresse der Rechtspflege erwünscht.

Der Zudrang zum Rechtsstudium, der in der jüngst ver-
gangenen Zeit eine unverhältnismätzige, bedenkliche Stärke an-
genommen hat, und der wohl für die meisten Referendäre eine
erhebliche Verlängerung der Wartezeit von der zweiten Prü-
fung bis zur etatmätzigen Anstellung bedingen wird, hat es
schon im vergangenen und im laufenden Jahre nötig gemacht,
die zweite Prüfung zweimal abzühalten. Dies wird für abseh-
bare Zeit auch so bleiben, und zwar wird die zwcite Prüfung
der ini Frühjahr zu Rechtspraktikantcn crnannten Kandidaten
jcwcils im Januar, dicjenige der im Spätjahr crnannten ini
September abgehalten werden.

Die Anmeldungen zur Januarprüfung haben im Laufe des
Monats Oktober des vorhergehenden Jahres, die Anmeldungen
zur Septemberprüfung im Lause des Monats Mai des be-
treffenden Jahres zu erfolgen.

Nicht unwichtig erscheint auch die Bestimmung dex landes-
herrlichen Verordnung, wonach Rechtspraktikanten, welche nach
dem Jnhalt ihrer Dienstzeugnisse im gcsamten Vorbereitunzs-
dienste oder in einem Zweige desselben als nicht genügend vor-
bereitet erscheinen, zu der zweiten Prüfung nicht zugelassen
werden, und wenn sie einer wegen entsprechender Ergänzung
des Vorbereitungsdienstes ihnen gemachten Auflage nicht nach-
kommen, von der Prüfung für immer zurückgewiesen werden
sollen.

Bei der Anmeldung zur ersten Prüfung hat jeder Rechts-
praktikant, der frühestens im Frühjahr 1903 die erste Prü-
fung bestanden hat, den Nachweis zu erbringen, dah er seiner
Militärpflicht genügt hat, oder datz er ganz oder teilweise vom
Militärdienste befreit ist. Es wird sich deshalb für die Rechts-
beflissenen empfehlen, möglichst frühzeitig, wenn tunlich schon
während der Studienzeit, ihrer Militärpflicht zu genügen. Da-
mit derjenige, welcher wegen körperlicher Untauglichkeit zum
aktiven Heeresdienste nicht herangezogen wurde, einem anderen
gegenüber, der seiner Militärpflicht genügte, nicht aus diesem
Grunde im Vorteil ist, ist eine Bestimmung dahin getroffen
worden, daß, wer seine aktive Dienstpflicht im stehenden Heere
oder in der Marine während der Studienzeit oder während des
Vorbereitungsdienstes erfüllt und infolgedessen beide Prüfun-
gen oder nur die zweite entsprechend später abgelegt hat, nach
bestandener Referendärsprüfung auf Ansuchen in die Reihen-
folge der in der vorausgegangenen Prüfung Bestandenen nach
Matzgabe des Ergebnisses seiner Prüfung eingestellt werden
soll; eine ausnahmsweise eintretende Einreihung in die Reihen-
folge der aus der vorletzten Prüfung hervorgegangenen ist für
ien Fall vorgesehen, datz der Gesuchsteller mehr als ein halbes
Jahr verlorcn hat und nachweist, daß er nach Entscheidung der
Ersatzbehörde wegen zeitiger Untauglichkeit während der ersten
vier Semester seines Studiums den einjährigen Militärdienst
nicht leisten konnte und darum erst während des Vorbereitungs-
dicnstes seiner Militärpflicht zu genügcn vcrmochte. — Jn Zu-
kunft sollen militärische Uebungen bis zur Dauer von 16 Wo-
chen auf den Vorbereitungsdienst, und zwar auf den bei der
Justiz zuzubringenden Teil desselben, angerechnet werden.

Gm emmsnatlnOss
O O Mbonnement O O

auf die „H e i d e l b e rg e r Zertun g"
beginnt mit dem 1. Septcmber.

Prcis bci deii Postaiistalteii 45 Pfg.. diirch den
Briefträger ins Haus gcbracht 14 Psg. mehr.
Postanstalten nnd Briefträger
nehmcn Bcstcllungen entgcgen.

Man vrranlasse Frcirnde und Bkkannte zn cinem Probe-
Abounement.

Aus Staöt und Land.

Heidelberg. 2. September.

X Sedanstag. Der Sedanstag wurde gestern Abend durch
einen Zapfenstreich der Feuerwehr und heute früh durch
Glockengeläute angekündigt. Die Gebäude der städtischen und
staatlichen Behörden, sowie die Schulen der Stadt sind reich
beflaggt. Auch an Privathäusern sieht man Fahnenschmuck.
Die Gräber der tapferen Krieger, die auf unserem Friedhof
ruhen, sind mit frischem Grün geschmückt worden. Dreiund-
dreihig Jahre sind nun verflossen, seit die Kunde von Sedan
das deutsche Volk in einc unbeschreibliche frcudige Erregung,
in einen wahren Freudentaumel versetzte; die gröhere Hälfte
der Nation hat keine Erinnerung mehr an jene Augenblicke,
die in ähnlicher Art selten bei einem Volk wiederkehren. Aber
die jährlich wiederkehrende Feier des Sedansfestes lehrt die
Jugend, was dieser Tag in der Geschichte der deutschen Nation
zu bedeutcn hat. Deshalb wollcn wir an dcr Fcier festhalten,
wenn sie auch naturgcmäh mehr und mehr ihrcn Charakter
als Volksfest verlieren und dafür einen historischen Charakter
annehmcn muß.

-s- Vor 10 Jahren. Am 31. August waren 10 Jahrc ver-
flosscn seit dem Tage, an welchcm auf der untcrhalb der alten
Brücke zu Tage gctrctcnen Jnsel unter dcm Vorsitze des Herrn
Robert Anhegger ein Jnselfest abgehalten wurde. Ein
so niedriger Wasserstand ist seitdem nicht wiedergekehrt. Die
Jnsel war etwa 80 Meter lang und 9 Meter breit. Bei Mustk,
Ansprachen und Feuerwerk fand am 3. September eine Wieder-
holung des Festcs statt.

X Für die Konzerte des städtischen Orchesters, besonders
im Stadtgarten, sind für den heutigen Tag Programme grötz-
tenteils patriotischen Jnhalts aufgestellt. Vielleicht üben diese
auf unsere Einwohnerschaft etwas Anziehungskraft aus, denn
es ist eine sonderbare, aber erwiesne Tatsache, dah, trotz der
jetzigen schönen Abende, da die „Buben" fort sind, auch die
„Mädels" keine rechte Lust mehr haben, die Konzerte zu be-
suchcu.

4- Panoramastraße. Eiue Bekanntmachung des Bezirks-
amts im Jnseratenteil unserer heutigen Nummer gibt Kunde
von der Absicht der Stadtgemeinde, zwischen dem Friedhos und
der Rohrbacher Grenze längs des Bergabhangcs eine eigen->
artige Villenstraße (Panoramastratze) anzulezen. Wir ver-
weisen wegen des Näheren auf die Bekanntmachung selber.

-s- Gcwerbcgericht. Jm Monat August l. I. wurden fol-
gcnde Streitfälle erlcdigt:

1. Jn Sachen des Schneidergehilfen Johann Adam Kasten-
holz gegen Kleidermacher Joseph Stubenrauch wegen 1.20 Mk.
Lohn und 26 Mk. Entschädigung wegen kündigungsloser Ent-
lassung und Weigerung der Aushändigung eines Arbeitszeug-
niffes und einer Ärbeitsbescheinigung wurde der Beklagte zur
Aushändigung der Papiere verurteilt, im übrigen aber Kläger
mit seincr erhobenen Klage abgcwiesen.

.2. Jn Sachen des Hausdicners Konrad Bachmann gegen
Wilh. Hillengaß, Wirt zum Heidclberger Hof, wegcn Zahlung
einer Entschädigung von 30 Mk. infolge kündigungsloser Ent-
lassung wurde der Kläger mit der erhobenen Klage abgewiesen.

3. Jn Sachen der Kellnerin Elise Baudisch gegen Wirt An-
ton Hagcr zum roten Hahn wegcn Zahlung ciner Entschüdigung
von 91 Mk. infolge kündigungsloser Entlassung, erklärte sich
Beklagter zur Zahlung von 26 Mk. bereit, worauf die Klägerin
auf ihre Mehrforderung verzichtet.

4. Jn Sachcu des Küchenmädchcns Maric Bendcr gegen
Georg Richter, Wirt zum Bratwurstglöckle, wegen einer Lohn-
forderung von 23 Mk. haben sich die Parteien nach der Ver-
handlung außergerichtlich geeinigt.

5. Jn Sachen des Hausburschen Franz Oberdecker gegen
Friedrich Rückert, Wirt zum Nassauer Hof dahier, wegen
Zahlung eincr Entschädigung von 696 Mk. wegen vorzeitiger
Entlassung einigten sich dic Parteien auf den Betrag von 26
Mark.

6. Jn Sachen der Kleidermacherin Philomene Albert gegcir
Frau Wilhelmine Gehrike, Damenkonfektion, wegen eincr
Lohnforderung von 48.65 Mk. einigten stch die Parteien dahin,
datz die Beklagte an die Klägerin 36.28 Mk. bezahlt und diese
auf ihren weiteren Anspruch verzichtet.

7. Jn Sachen des Taglöhners Karl Albin Hauschild gegen
Hermann Pflüger, Besitzer einer Wasserheilanstalt dahier, we-
zen Zählung einer Entschädigung von 36 Mark infolge kün-
digungsloser Entlassung erklärte sich Beklagter zur Zahlung.
bon 3 Mk. an den Kläger bereit, worauf dieser auf seine Mehr-
sorderung verzichtct.

— Polizeibericht. Verhaftet wurde ein Taglöhner
wegen Bettelns, ein Schreiner und ein Schlosser wegen eines
Sittlichkeitsverbrechens. Zur Anzeige kamen eine Person
wegen Unfugs und drei Hoteldiener wegen Körperverletzung.

Mannheim, 1. Sept. (Ein Radfahrer totge-
fahren.) Heute Vorniittag wurde auf der Käferthaler
Landstraße (in der Nähe von Wohlgelegen) ein 21 Jahre altcr
Taglöhner von hier von einem Lastfuhrwerk der Firma Sin-
ner in Käferthal überfahren und sofort getötet. Der Un-
glücksfall ereignete sich dadurch, datz der Taglöhner, welcher
sich eines Fahrrades bediente, dem herankommenden Fuhrwerk
ausweichen wollte, aber auf einen Schotterhaufen auffuhr und
hrerdurch zu Fall kam. Er wurde hierbei unter den Wagen ge-
schleudert, dessen Hinterrad ihm den Kopf fast nahezu voll-
ständig vom Rumpfe trennte.

Mannheim, 1. Sept. (I n der L a n z s ch e n F a b r i k)
arbeiten eiuem hiesigen Blatte zufolge wieder ca. 2000 Mann.
Die Einstellung der zurückkehrenden Ausständigen geschehe dem
Versprechen gemätz etappenweise; es sei daher noch eine Anzahl
zurückgestellt, dcrcn Beschäftigung aber in Kürze in Ausstcht
genommen wäre. Bei der Wiederaufnahme seien zunächst die
älteren und verheirateten Arbeiter berücksichtigt worden und
nach diesem Prinzip werde auch weiterhin verfahren werden.
Der Streik bei Lanz hat wiederum gezeigt, datz die Arbeiter
sich sehr leicht über ihre Macht täuschen; sie vergessen, datz der
Unternehmer wirtschaftlich im allgemeinen weitaus der stärkere
Teil zu sein pflegt. Zweitens hat er gezeigt, datz die Arbeiter-
schaft aus Solidaritätsgefühl leicht sündigt, indem sie mit
Hurra für die Kameraden in den Streik geht, ohne länger zu
überlegen, ob er auch gerechtfertigt ist. Am kläglichsten hat
sich die sozialdemokratische Presse benommen, die nicht dcn
Mut fand, dem Streik entgegenzutreten, sondern ins Horn
der Streiker blies; sie schimpft jetzt aus Wohldienerei gegen
die Genossen auf den Fabrikinspektor.

Karlsruhe, 1. Sept. (Am deutschen Städtetag)
nehmen aus Baden sämtliche Oberbürgermeister
teil, mit Ausnahme des Herrn Schnetzler, der sich durch den
Obmann der Stadtvcrordneten, Prof. Dr. Goldschmit, ver-
treten lützt.

Ueberlingcn, 1. Sept. (Ueber das bereit-s ge-
m e l d e t e U n g l ü ck) ist noch zu berichten: Gestern früh um
8 Uhr stürzte das dreistöckige, aber in jedem Stock nur eiu
Zimmer fassende Haus des Herrn Eduard Müller an der Auf-
kircherstraße ein. Sofort wurde die Feuerwehr herbeigerufen,
Es wurde ein Kind lebend herausgebracht, ein Kind war tot,
die Frau Müller wurde mtt gebrochenen Beinen gerettet und
mit Tragbährc ins Spital verbracht. Anscheinend ganz ohne
Verletzungen, nur mit den ausgestandeneii Schrecken kam die
im ebenfalls mit eingestürzten anstoßenden Teile des Burtschen
Hauses wohnende Frau Heiß dcrvon. Sie konnte mit Unter-
stützung eines Feuerwehrmannes selbst in das Spital gehen.
Zum Glück warcn dic übrigeu Kinder der Familie Müller zur
Zeit des Unglücks nicht im Hause.. Die Feuerwehr setzt die
Aufräumungsarbeitcn fort.

Von der Mainau, 1. Sept. (Besuch bei der Grotz-
h e r z o g t n.) Von I. K. Hoheit der Grotzherzogin waren auf
Samstag Nachmittag die jetzigen und früheren Luisenschülerin-
nen des Scekrcises nach Schlotz Mainau eingeladen. (Die
Luisenschule in Karlsruhe steht unter dem Protektorat der
Frau Großhcrzogin.) Zur Begrüßung unserer Landesfürftin
wurde ein von Frl. Amalie Eberhard in Karlsruhe, einer
früheren Luisenschülerin, verfaßtes Gedicht vorgetragen und
cin von Herrn Hoflieferant Elbe in Konstanz ansgeführtes
prächtiges Blumenkörbchen überreicht. Die Großherzogin sprach
mit jeder der 38 anwesenden Luisenschülerinnen und unter-
hielt sich mit ihnen, während sie mit Kaffee, Wein und Kuchen
bewirtet wurden, in leutseligster Weise bis 6 Uhr. Dabei
machte die hohe Frau u. a. auf den Wert der Kochkiste, beson-
ders auch für die Landbevölkerung ausmerksam, ließ eine Koch-
kiste vorzeigen und erklären und wies auch hin auf die not-
wendige Ausbildung der Mädchen in der Kinderpflege. Nach
Bestchtigung der Schloßkirche und des Parkes führten die
Dampfboote die Gäste, denen der Aufenthalt auf der Mainau
stets in freudiger Erinnerung bleiben wird, der Heimat
wicder zu.

Theater- und Kunstnachrichten.

Hoftheatcr Maiinheim. Als Eröffnungsvorstellung nach
den Ferien ging gestern Abend Henrik Jbsens Schauspiel „Das
Fest auf Solhaug" in Szene. Der Vorstellung, welche allge-
mein gefiel, wohnte auch der Komponist der extra für dieses
Schauspiel geschriebenen Musik, Hans Pfitzner, bei. Derselbe
wurde am Schlusse der Vorstellung mehrmals vor die Rampe
gerufen.

Newyork, 1. September. Frau Wagners Sachwalter über-
sandte Conried ein Schriftstück, worin er mit der Klage droht,
falls Conried den „P a r s i f a l" gibt.
 
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