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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1903 - 30. September 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0474

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ten Schalterstunden zur Postanstalt zu bringen, entgegenge-
wirkt werden. Diese Punkte bilden auch bei uns eine bren-
nende Frage und wäre eine Regelung dieser Angelegevheit in
Württcmberg ebensalls mü Frcudcn zu begrüßcn.

AuslanD.

Bclgicn.

? Brüffel, 4. Sept. (Jnternationaler Kongretz
für Volkshygiene.) Jn der ersten Abteilung machte
Dr. Martin vom Jnstitut Pasteur in Paris interessante Mit-
teilungen über die Erfolgc, welche mit der Serumbchandlung
an an Diphtheritis erkrankten Kindern erzielt wurden. Jn
der 6. und 8. Abteilung wurden die Mittel zur Bekämpfung
der Pest besprochen. Es wurde anerkannt, daß die Quaran-
täne übcr Personen, die aus Ländern kommen, in welchen
Lie Bubonenpest ausgebrochen ist, ihren vexatorischen Charakter
verlieren müsse. Die Pest würde durch Einrichtung von Sani-
tätsdienst an Bord der Transportschiffe und durch Vernichtung
der Nattcn bekämpft werdcn.

Türkei.

K o n st a n t i n o p e l, 4. Sept. Nach verschiedenen
Drohbriefen befehIigt der bulgarische Reserveoberst
Jankow, dessen Abreise nach Mazedonien fälschlich gemeldet
wurde, die A u f st ä n d i s ch e n im Vilajet A d r i a-
noPel. Brieflich wird gemeldet, daß die Brücke über die
Maritza mit offener Gewalt genommen worden sei, wo-
rauf die Dürken die Bewachung um 200 Mann, im ganzen
auf 380 Mann Verftärkten. Das Komitee im Vilajet
Adrianopel hat angeblich beschlossen, vier D y n a m i t-
kolonnen vorzutreiben. Die Zahl der Auf-
ständischen im Vilajet Adrianopel wird auf 3600 angege-
ben. Die Türken entnahmen Truppen aus dem Gebiet
von MustiM Pascha, was dort Schrecken unter den Mo-
hammedanern und eine Massenflucht nach Adrianopel und
Konstantinopel hervorries.

Die Neligion auf dem sozialdemokratischen
Parteitag.

Ter Vorwärts veröfsentlicht 115 Anträge für den be-
vorstchenden sozialdemokratischen Parteitag, sast durchweg
die aus den Versammlungen in den einzelnen Wahlkreisen
bekannten Beschlüsse. Bis auf einige wenige fehlen dies-
mal die nicht von Parteiversammlungen, sondern von ein- ^
zelnen Mitgliedern gestellten Anträge. Die Ofsenherzig-
keit dieser Einspänner ist in den Vorjahren dem Partei-
tage oft mehr als unbcquem gewesen. Jn der heutigen Zu-
sammenftellung ist von Jnteresse eine Forderung des Par-
teigenossen Welker in Wiesbaden, die dahin geht:

1. Dem Punkts 6 des Parteiprogramms folgende Fassung
zu geben: 6. Erklärung der Religion zur P r i v a t s a ch e.
Taraus sich ergebende Forderungen: u) Trennung zwi-
schen dem Staat und den heutigen Kirchen; b) Abschaffung
aller Aufwendungen aus ösfentlichen Mitteln zu kirchlichen
und religiösen Zwecken: c) Entfernung des konfessionellen
Religionsunterrichts aus der Schule; ä) Ersatz desselben
durch einen Moralunterricht ohne metaphysische Voraus-
setzungen, einen umfassenden naturwifsenschaftlichen Un-
terricht, einen wisseuschafllichen Unterricht in der Neli-
gionsgeschichte; e) Verbot der Erteilung jeglichen Glau-
bensunterrichts an Kinder unter 16 Jahren; k) Bekämp-
fung aller religiösen Wahnvorstellungen dnrch Ausklä-
rung ihrer Anhänger; x) Austritt aus konfessionellen
Religionsgemeinschaften, deren Glauben mau nicht mehr
teilt. 2. Ter Parteitag beschließt, als notweudige Folge
dieser Forderungen nachstehende Ergänzung des Organi-
sationsftatuts vorzunchmen: „Nur solche Personeir, die
keiner k o n f e s s i o n e 11 en R e l i g i o n s g e m e in-
ichaft angehören, dürfen Parteiämter bskleiden
und von der Partei als Kandidaten für kommunale, Land-
und Reichstagswahlen aufgestellt werden."

Aus Stadt und Land. -

o Karlsruhe, 4. Sept. (EineAnklage wegen
nnlautercn Wettbcwerbs) bczw. Anstiftung hicrzu
führtc den in Pforzheim wohnhaften 23jährigen Kaufmann
Wilhelnr Diemer aus Schollbronn und die in Freiburg wohn-
haften Kaufleute Herm. Hecker und Leo Waßmer aus Ehr-
burg vor die hiesige Strafkammcr. Der Tatbestand dieser
Anklage ist nicht ohne Jnteresse für unsere Geschäftswelt und
unterscheidet sich von den bekannten Strafprozessen wegen un-
lautercn Wettbewerbs dadurch, daß es sich hicr nicht um cincn

hält er nicmand für würdig, seinen Palast zu betreten und in
fetncn Salons zu sitzcn. Das Beste daran ist — er bewohnt
sie sclbst nicht, die prächtigen Räume. Jmmer hockt cr in sei-
ncm Arbeitszimmer."

„Ein sehr beschäftigter Mann also?" fragtc ich.

„Wahrscheinlich, obgleich nicmand sieht, was cr tut", lau-
tctc die Antwort.

Das war seltsam und reizte mich zu weiteren Fragen.

„Wic ist er denn zu scincm Reichtum gelangt?"

„Kein Mensch weiß es. Sein Vermögen scheint fich ohne
scin Zutun zu vergrößern. Als er herkam, galt er schon sür
rcich, doch jetzt soll er das Trcifache besitzcn."

„Vielleicht spekuliert er?" schob ich ein.

„Dann tut er es durch den Sohn, denn er selbst verläßt nie
das Haus."

„Zwei Kinder hat er?" fragte ich weiter.

„Ja. Einen Sohn und eine Tochter. Dcr Sohn ist ein
fcincr junger Herr, nicht gcrade populär, aber fehr geachtet.
Man wird nicht warm mit ihm; dazu ist er zu ernst und zu-
rückhaltend; aber man kann ihm auch nichts Schlechtes nachsa-
gen. Wirklich schade, daß er fich nicht zugänglicher zeigt."

„Wie alt ist er?"

„Treißig."

„Und die Tochter?"

„Vierundzwanzig."

„Lebt die Mutter?"

„Nein. Sie starb ein Jahr bevor, ehe die Familie hierher
zog. Man munkclt so allerhand über ihren Tod — Tatfache
ist, daß dic Angehörigen nie von ihr sprechen."

„Sie scheinen überhaupt nicht mitteilsam zu sein", warf
ich ein.

„Ganz recht!" nickte der Postmeister. „Von ihnen hat
man's auch nicht erfahrcn, daß irgendwo in der Welt noch ein
jüngerer Sohn des Herrn Benson lebt. Sie erwähnen ihn nie
und schreiben ihm auch nie; ich must das wohl am besten
wissen."

Unser Gespräch wurde hier unterbrochen und ich benutzte

unreellen Ausverkauf, oder um eine Anlockung von Kundcn
durch schwindelhafte Reklame, sondern um die Preisgabe von
Gsschästsgeheimnissen zum Zwecke einer unlauteren Konkur-
renz handclte. Der Angeschuldigte Diemer hattc als Ange-
stcllter eincs Geschäftsbetriebs Gcfchäfts- und Betricbsge-
heimnisse, die ihm vermöge seines Dienstberhältnisses zugäng-
lich waren, an andere zum Zweck des Wettbewerbs mitgeteilt.
Hecker und Waßmer haben Diemer zu dieser Tat bcftimmt und
die erlangten Mitteilungen verwertet. Dik drei Angeschuldig-
ten waren früher in der von dem Kaufmann Friedrich Eier-
mann in Pforzheim betriebenen Fabrik chemischer Produkte
angestellt. Waßmer und Hecker bekamen seinerzeit mit ihrem
Prinzipal Differenzen und lösten deshalb ihr Vertragsverhält-
nis. Sie beschlossen, sich zu associeren und gründeten in Ober-
ried ein Geschäft für chemische Produkte. Um dasselbe rascher
in die Höhe bringen zu können, suchten sie sich Rezepte, die
Eiermann zur Fabrikation verschiedener Waren zusammenge-
stellt hatte, zu berschaffen. Zu diescm Zwecke wandten sie sich
an Dicmer. Dieser ließ sich durch verschiedcne Versprechun-
gen und durch die Zusichernng, daß cr Teilhaber wcrden solle,
dazu herbei, den Mitangeklagten Rezepte über Colod, Zitro-
nenessenz, Blitzblank, Haaröl, Putzextrakt, Fußschweißpulver
usw. abzuschreiben und zu übergeben, sowie denselben die Bc-
zugsquellen für die Rohmaterialien zu verraten und ihnett
einen Teil des Kundenkreises Eiermanns mitzuteilen. Die
Angeschuldigten waren geständig. Einen besonders großen
Vorteil zogen sie aus ihren unredlichen Manipulationen aller-,
dings nicht. Sie stellten wohl einige Waren her, die sie aber
nur teilweise zum Verkauf brachten. Eiermann war dem ge-
gen sein Geschäft gerichteten Anschlag durch Zufall auf die
Spur gekommen. Es fiel ihm ein von Hecker und Waßmer
an Diemer gerichteter Brief in die Hände, durch den ihm das
Treiben der Angeklagten aufgedeckt iourde. Er erstattete da-
raufhin Anzeige, Diemer wurde wegen Uebertretung des
Paragraphen 9 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb
zu 200 Mark Geldstrafe, Hecker und Waßmer wegcn Anstiftung
hierzu zu je 400 Mark Geldstrafe verurteilt.

Göbrichcn b. Pforzheim, 4. Sept. (Z i g e u n e r als
Kindsdiebe.) Gesrern trafen hier einquartierte Soldaten
des Offenburger Regiments, welche bei den Feldarbeiten behilf-
lich waren, beim Nachhqusegehen eine weinende Frau (Tochter
des hiesigen Bürgermeisters), welche klagte, datz ihr 4j ä h r i g es
Töchterlein verschwunden sei. Der Verdacht lenkte
sich hald auf eine Zigeunerbande, welche durchgezogen war.
Sofort machten fich die wackeren Soldaten auf die Suche und
erwischtcn richtig im Wald den Zigeunerwagen. Die Zigeuner,
welche flch zur Wehre setzten, wurden zurückgedrängt, der Wa-
gen von den Soldaten umstellt, während einer von ihnen fich
an dic Durchsuchung dcs Wagcns machte. Jn dcr hinterstcn
Ecke fand er, mit Lumpen zugcdcckt, das Kind schlafend, ivelchcs
die Soldaten den besorgten Eltern zurückbrachten. Gendarmeric,
die gerade des Weges kam, nahm die Zigeuner fest und brachte
sie nach Pforzheim.


« 6>

Semeintlen, SehöMn etc.


welch«

L

hohe Erträge erzielen wollen,

d

ist die Jnsertion

d

»on Schafwaid«- und Iagd-D«r-achtungen,


H»lj-B«rst«igerungrii rc. in dtesem Blatte


unentbehrltch.




Schon öfterr wurden bei einer in der Heidelberger

d

Zeitung (alleintges Amts- u. KreisverkündigungS-

G

blatt für das Amt und den Kreis Heidelberg)

d

inserierten Berpachtung oder B«rst«igerur»g


«e z—4ksche Zumm

W

gegen früher erlöst.

> -^d. V


— Frnttksurt, 5. 'Sept. Jn die Wirtschaft von Hieb
in der Steingasse war gestern Abend' der 24 Jahre alte
Glaser Kraft eingekehrt. Er scherzte mit der Wirtin,
worauf der Ehemann in eine solche Wut geriet, daß er
einen Revolver hervorholte und auf Kraft etwa sechs
Schüsse abfeuert e. Einige Kugeln drangen in die
Brust und einige in den Hals, so daß der Tod des Kraft
augenblicklich eintrat. Hierauf richtete der Wirt die Waffe
gegen sich selbst nnd brnchte sich einen Schuß in

die Gelegenheit, auf die Straße hinauszugehen. Wie überall
in kleinen Orten zur Zeit der Briefausgabe lungerten eine
Anzahl Leute vor dem Postgebäude. Meine Absicht war, wie
du dir dcnken kannst, mich nnauffällig unter sie zu mischen,
um diese oder jcne Bemcrkung über die Bensons aufzufcmgcn,
die, nachdem was mir der Postmeister erzählt hatte, oft genug
Anlaß zu Redcreien geben mochten.

Jn der Tat war das erstc Wort, das ich hörtc, der Name
Benson. Natürlich spitzte ich die Ohren. Etwas Geheimnis-
volles umgab ja die Familie und wenn's mir auch nicht im
Traume einfiel, sie mit der Falschmünzerbande in Beziehung
zu bringen, so regte sich doch ein zewisses Jnteresse in mir.

„Ein Maskenball?" hörte ich jemand sagen. „Die Ben-
sons gcben einen Maskenball, während sie bisher nicht drei
Menfchen bei sich empfangen haben."

„Ja", bestätigte ein anderer, „einen großen Maskenball.
Und was das ärgste ist, sie haben niemanden von hier eingela-
den, lauter Gäste von auswärts, aus Clehton, Hullowell und
Gott weiß woher. Das wird 'nen tollen Abend geben."

„Es heitzt", bcrichtete ein Dritter, „Fräulein Carry soll
ihren Vater fo lange gequält haben, bis er die Erlaubnis zu
dem Ball gegeben hat. Es ist ihr Geburtstag und sie wollte
durchaus eine Gesellschaft haben."

„Aber solch' einen Mummenschanz!" brummte der erste
Sprecher. „Hat man jc so was in unserem ehrbaren Ort ge-
hört? Jst's nicht geradezu sündhaft, fein Gesicht hinter einer
Maskenfratze zu verstecken und in Kleidern herumzulaufen,
die kein ehrlicher Christ in anständiger Gesellschaft tragen
würde? Ein ganz verwerfliches Treiben! Begreife den alten
Benson nicht! Erst sperrt er sein Haus hermetisch ab und dann
läßt er solch' eine tolle Wirtschaft zu! Mich hat er nicht einge-
ladcn."

„Uns auch nicht!" rief ein halbes Dutzend Stimmen da-
zwischen.

„Sind dem noblen Herrn wahrscheinlich nicht fein genug",
brummte einer, der wie ein Flcifcher aussah. „Habe gehört,

die Schläfe bei, der ebenfalls feinen sofortigsn Tod zur
Folge hatte. — Jm Stadtwald bei Oberrad wurden
gestern Nachmittag durch Passanten zwet Leichen, die im
Gebüsch neben einander lagen, erschossen aufge-
funden. Die Unglücklichen sind der 26 Jahre alte Reichs-
bankbeamte Schröder nnü die 19 Fahre alte Adele Kloth.
Beide nnterhietten schon seit einigec Zeit ein Freund-
schastsverhältnis, das, wie es heißt, von den Eltern nicht
gern gesehen wurde. Wie ein anderer Berichterstatter
mcldet, stand das Paar kurz vor der Vertobung.

— Hann-Milndcn, 3. Sept. Schweres Unwetter
wütete heute Nachmittag über nnserer Stadt, wte es wohl
in solchec Stärke seit Menschengedenken nicht gewesen ist.
Hagel in der Größe von Tanbenelern prasselte ^tnnde
lang mit fnrchtbarer Gewalt hernieder nnd zertrümmerte
viele Fensterscheiben. Auf dem «tadtwalle, an den Land-
straßen nnd im nahen Stadtwalde liegen zahlreiche mäch-
tige Eichen, Buchen und Kastanien entwurzelt zu Boden
— in den Häusern sind die Stubendecken und Lehmwände
eingestürzt; die Straßen nnd Plätze gleichcn Llrömen, in
den Kellern stand das Wasser einige Fnß hoch, überall
zeigten sich Spuren arger Zerstörung, die Feld- und Gar-
lenfrüchte, auch die Obsternte sind vernichtet. Ter Tcha-
den ist daher unberechenbar groß.

— Verlegcr und Schriftstcllcr. Ein Pariser Korre-
spondent erzählt folgende Verlegeranekdote: Ein Verlcger,
dem es um Mannskript zn tun war, machte sich auf, den
Autor zu finden, der ihm am meisten begabt zu sein fchien.
Jch werde ihm tausend Thaler anbieten, sagte er siclfi
indem er die Adresse suchte. Toch sich besinnend, daß der
Sohn Apolls in der „Cits" wohne, rief er aus: Das ist
ein Plebejer, ich werde ihm nicht mehr als zweitansend
Frqnks breten. Und er versügte sich in die Behausung
des Schriftstellers. Jm vierten Stock! bedeutete den Ver-
leger die Hausmeisterin. Jm vierten! reflektierte dsr Ver-
keger, so hoch verschlagen! Jch gebe ihm blvß fünszehn-
hundert Franks. Er klopfts an eine Tapetenrür - sie
ward geösfnet. Tas Ameublement sah ziemlich ärmlich
aus. Wie unbequsm, murmelte der Verleger; mehr als
tausend Franks gebe ich nicht. Er traf seinen Schrift-
steller, ein Stückchen Brot in ein Glas Wasser tunkend,
und dabei bescheiden und voll Resignation wie ernen Spar-
taner. Misäre! dachte sich der Verleger, ich gebe blotz
hundert Franks! Und zu diessm Preise erhielt er ein
Meisterstück: „La derni^re F6e." Der arme Schriftsteller
aber hieß: „Honor^ de Balzac."

— Tcr lieiie Tiirbincndnmpfcr Briglston hat vor eini-
gen Tagen oon New Haven nach Dieppe ssine Probefahrt
gemacht und die Entfernung von 64 Seemeilen hin in
drei Stunden und drei Minuten zurückgelegt. Es ergibt
das eine Geschwindigkeit von 20 Seemeilen in der Stnnds,
die ja auch durch Schraubendampfer erreicht werden kann,
aber immerhin eine recht ansehnliche Leistung darstellt.
Dis dentschen fachmännischen Kreise haben sich bisher den
Turbinendampsern gegenüber ziemlich ablehnend verhal-
ten, weil ste zuerst die auf diesem Gebiete zu machenden
Ersahrungen abwarten wollen. Wir wir hören, haben
die letzten Ergebnisse die Folge gehabt, daß man jetzt auch
in Deutschland dem Bau von Turbinendampfern nahe-
treten will. Vorerst wird eine große Rhederei es mit dem
Bau eines kleinen Turbinendampfers versuchen, uni an
ihm zu prüfen, ob das System sich auch zur Anwendnng
auf großcn Seedampfern eignet.

— Dcr hcirntircklsKe Antomnt. Jn einem Straßen-
bahnwagcn in Trier erregte — so erzählt eine Angen-
und Ohrenzeugin des tragikomischsn Vorganges — ein
Bauer mit seinem kleinen Sohn durch seine mehrfach an
ihn gerichteten Fragen: „Jüngelke, ist es dir auch gut?"
und überhaupt dnrch sein besorgtes Wesen die Aufnierk-
samkeit der Fahrgäste. Der Funge war, dnrch die Angst
des Vaters angesteckt, schon ganz blaß geworden. Auf
. teilnehmende Fragen, was dem Jungen denn fehle, zeigte
der Bauer ein paar Streichhölzer und sagte: „Nee, sollte
man doch denken, wenn man 10 Pfennig in den Automaten
steckt, man kriegt was zum Knabbern. Aber das sind
janz richtige Streichhölzer. Jüngelke, wie is es dir? Fünf
bis sechs Stück hat der Junge gegessen." Allgemeines Ent-

er wird scinc Tore zuspcrren und niemand hercinlasscn, dcr
nicht 'ne bcsondere Karte hat."

„Pah! Das soll uns wcnig störcn!" brüllte ein andcrer.
„Klettern einsach über den Zaun, wenn wir uns die Geschichte
besehen wollcn."

„Oll dcr jungc Benson sich auch mastieren wird?"

„O, der ist viel zu ernst für solche Possen!"

So schwirrtcn die Reden durcheinander, als plötzlich Stille
cintrat. Wührcnd ich mich nach dcr Ursachc diescs sähen
Schweigens umschaute, kam ein junger Mann die Straße ent-
lang geritten, in dem ich unschwer den Gegenstand der letzten
Bcmerkungcn erkannte.

Er war hochgewachsen, elegant und vornehm aussehend,
aber von einer Zurückhaltung des Wesens, die an Stolz
grenzte.

Mit einem kaum mertlichen Kopfnicken ritt er an den Leu-
ten vorüber, stieg vor dem Posthaus vom Pferd, warf cinem
herumlungerndcn Jungen die Zügel zu und verschwand im
Bureau.

Draußen blieb es still, bis er mit mehreren Briefen in der
Hand wicder erschien. Bevor cr sein Pferd bestieg, wechsclte er
einige Worte mit jemand und in dieser Zeit konnte ich ihn nä-
her bctrachtcn.

Ehrlich gestanden — sein Gesicht gefiel nttr nicht. Es war
ja zweifellos hübsch, mit regelmäßigen Zügen und frischer
Farbe — trotzdem fand ich es nicht sympathisch. Vielleicht we-
gen seines undurchdringlichen Ausdrucks. Du weißt, fiir uns
Detetttvs, die wir ja auch Physiognomcn sein müssen, tein gutes
Prognostikon für das Gesicht eines Menschen.

Aus dem Blicke dieses Mannes war absolut nichts zu le-
sen. Als er davon ritt, schauten ihm die Umstehenden respekt-
voll nach — ein wärmeres Jnteresse mochte wohl keiner für ihn
verspüren. „Kalt, wie Eis!" dachte ich in Bezug auf den Er-
bcn dcs altcn Bcnson, „nur fehlt ihm dic Turchsichtigkcit dcs-
sclben."

(Fortsetzung falgt.)
 
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