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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256 - 280 (2. November 1903 - 30. November 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0987

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Arsch»t»t titglich, ^omltag» a«»gNt»mmr«. Pr«is mtt FamtttrnblSttrrn monatlich vo Pfg. i»'s tzauit grbrncht, bri brr Ltprdttion Mtd dr« Awrigstationr» abgrholt 40 Pfg. Durch bi« V«st

br»»g« virrtrljShrltch L.SÜ Rk. auLschltrtzRch Znstrllgrbühr.

U»»«t,e»prrtr: 30 Pfg. für dir l^alttgr Prttchrttr odrr derr» Lam». Lrklamqril« 40 Pfg. Mr htrst^ SrfchLstS- u»d PrchatmWigr« «rmähtgt. — Für dir Aufnahme vo« SüqiPvr
»u brsttuwlte« Tageu wird ketne Verantwortltchkeit übrrnomm«. — Lnschlag der Jnseratr auf dru Plaekattafrl« der Hridrlbrrgrr Zeitung rmd den städtischrn Anschlagftellen. Fernsprrchrr Sst.

Möktllg, 18. Nsmlbtt 1

JWeites BLstL»

48. IllhMW. ^ . N

Lage des Arbeitsmarkts im Grosr-
herzögtum Badeu im Oktober 1903.

Mitgeteilt vom Statistischen Landesamt.

Nach vorliegenden Berichten einzetner Arbeitsnacbweis-
^stalten machte sich im abgelaufenen Monat Oktober das
^rannahen. d^ Winters in der Vermittlungstärigkeit
rreits fühlba^ Jmmerhin sind die Ergebnisse dec Ver-
'slittlung nach verschiedenen Aeußerungen und hauptsäch-
s'ch im Hinblick auf die gleiche Zeit im Vorjahr nicht un-
^rfriedigend. Die Zahl der verlangien Arbeitskräfte
sOffenen Stellen) in der männlichen Abteilung hat gegen
"en September d. I. um 1299 abgenommsn; sie ist noch
^ 1Z01 höher. als im Oktober v. I. Auch die Zahl der
.drmittelten Stellen ist, und zwar um 522. niedriger. als
^ Bormonat, übersteigt aber die des Oktobers 1902 noch
795. Die Gesamtzahl der eingetragenen Arbeitsuchen-
ist um 658 geringer, als im Vormonat, und 1372 ?
^ößer, als im gleichen Monat des Vorjahrs.

. Von den einzelnen Berufen sanden außer den Schnei- ^
drn und Schnhmachern namentlich die Angehörigen des !
^augewerbes^einschließlich der Handlanger und 'Erdarbei- -
noch leicht Beschäftigung, da zahlreiche Neubauten !
vor Eintritt des Fcostes fertiggestellt werden solle'n, !
^ahrend ungelernte Arbeitskräfte, die zu schwerer kör- ;
^rlicher Arbeit nicht geeignet sind, im Ueberfluß vorhan- ;
sind und nur schwer untergebracht werden können. ;
Schmuckwaren-Jndustrie in Pforzheim ist zur Zeit
ichr gut beschäftigt; in vielen Fabriken wird mit Ueber- .
aunden gearbeitet. Landwirtschaftliche Arbeiter fanden ^
^'^r noch ausnahmsweise (zu Drescharbeiten) Beschäfti- i
; hri ihnen ist das Angebot zur Zeit sehr viel größer, ,
^ die Nachfrage. Auch in der Eisenbahnbranche, bei der z'
c^agnerei und Schreinerei wird stellenweise über Ueber- i
' uß an Arbeitsuchenden geklagt, während in der Blech- i
^^rei anderwärts geeignete Arbeitskräfte fehlen.

Än der meiblichen Abteilung scheint der Dienstboten- i
^angel behoben. Ter Umstand, daß die Arbeiten in der -
>Mdwirtschaft zum großen Teil beendet sind, hat Mädchen ;

größerer Zahl sür die Städte verfügbar gemacht. Aller- i
.fUgs können mit diesen, meist ungeschulten, Dienstbotcn, ^
Wünsche der Herrschaste'n nach tüchtigem Personal j
Mt immer befriedigt werdsn. An Küchenpersonal sür i
^"rtschaften fehlt eS noch immer. !

———'—-—

Kleiner nnd qraßev Grundbefitz in
Dänemark.

. Än Dänemark sah man die Gefahr der Entstehung -
ländlichen Proletariats voraus; deshalb erhielt bei i
^ Aufhebung der Feldgemeinschast der kleine Häusler -
^ Cntschädigung für den Verlust seiner Weideberechti- ^
3—4 Tonnen Land, genügend, um eine Kuh und <
^ige Schmeine zu halten. Durch verschiedene Verord- s
^fugen snchte man zu verhindern, daß eine grundbesitzlose ^
'wusierklasse anfkam. So bestimmt eine Verordnung

vom 26. März 1891, daß, wo ein Bauernhof ledig und
zu anderem Bauernländ gelegt wird — zum Herrenland
durfte er überhaupt nicht eingezogen werden — zunächst
zwei neue Häuslerstellen mit je sechs Tonnen Lan-d darauf
errichtet werden sollen, daß außerdem alle Häusler in dem
Dorf, wo' der Bauernhof belegen tst, soweit sie noch nicht
mit Land versehen. Isind, bei dieser iGelegenheit aus-
gestattet werden sollen.

Es fanden sich in Dänemark vor der Reform vom Jahre
1791 1805 1895

Herrenhöse. 713 774 2031

Bauernhöfe. 60 564 54733 71 868

Häusler mit Grundbesitz 19 039 56 957 1S9 147

Die Ursache dieser gewaltigen Zunahme der kleinen
landwirtschaftlichen Betriebe ist in erster 'Linie der Um-
schwung in der landwirtschaftlichen Betriebsweise, der
Uebergang von dsr Kornerzeugung zur Hervorbringung
tierischer Erzeugnisse, in zweiter Linie die G e-
nossenschaftsbewegung, die dem Kleinbetrieb
alle Vorteile des modernen Großbetriebes verschafft hat.

Der KIeinbetrieb ist in Dänemark anerkannter-
maßen nicht allein am weiteste'n verbreitet, sondern auch
von allen Betriebsklassen amrationellsten betrieben.
Der GroßbetrieL befindet sich im Stadium des Still-
standes oder gar des Rückschrittes, während der
Kleinbetrieb die Führung übernimmt. Die ge-
waltige Bodenzerstückelung, die im Laufe des vorigen Jahr-
hnnderts die Zahl der Kleinbetriebe auf das Achtfache ge-
bracht hat, hat somit eine glänzends wirtschaftliche Recht-
fertigung gefnnden.

Deuischcs ReiÄ.

Badcn.

K a rlsr u h e,.13. Nov. Die Sozialdemokra-
ten, welche wtder Erwarten das Mandat von Karlsruhe-
Land errungen haben, ziehen nunmehr in alter Stärke
in das Ständehaus ein nnd bilden die drittstärkste Frak»-
tion, sodaß nach parlamentarischem.Gebrauch der 2. Vize-
präsident aus ihrer Mitte genommen werden müßte.
Man hält es indessen sür wahrscheinlich, daß sie von vorn-
herein anf ihren Anspruch verzichten.

— Mit der Wahl in S ch w e tz i n g e n--L a d e n -
b n r g beschästigt sich die sozialdemokratische ...Boiksftimme"
in einem längeren Artikel. Sie sagt dnrin u. a.:

Gerade die Tatsache, daß die sonst allezeit bewährte Dis-
ziplin unserer Gesinnungsgenossen den Parteibeschlüssen gegen-
über diesmal versagte, ist das Jnteressanteste an der Sache.
Hätten wir es in Eder mit einem Demokraten zu tun gehabt,
dem seiner demokratischen Ueberzeugung wegen mit gntem
Gewissen jeder Sozialdemokrat die Stimme geben konnt-e, er
wäre nre und nimmer durchgefallen, wie ja dem volkspartei-
lichen Generalstab unsererseits auch noch am Wahltag ver-
sichert wurde, daß jeder andere überzeugte Anhänger der Volks-
partei glatt gewählt würde. Was unsere Wahlmänner in
Eder ablehntcn, das war das Wcrkzeug dcs Pfaffcntums, der
Begünstigte des still, aber zielbewußt auf die geistize und kul-
turelle Reaktion im Land hinarbeitenden Klerikalismus, den
die Kaplanokratie und ihre industriefeudalen Helfershelfer

vom Schlage eines Neuhaus durch ihre aufdringliche Unter-
stützung bei jedem fortschrittlich und freiheitlich Denkenden
aufs schwerste kompromittiert hatten.

Und schließlich: betrachten wir die Sache einmal vom
Standpunkt der politischen Gerechtigkeit! Wie sieht's damit
aus? Ganze 186 Stimmen brachten die Demokraten, die das
Mandat jetzt mit so viel Geräusch sür stch reklamieren, bei

- der jüngsten Reichstagswahl in den zum Bezirk gehörenden
! Orten auf; 2804 fielen auf die Sozialdcmokratie, 2411 auf
i das Zentrum. Weß' Geistes Kinder waren also die Leute»

? die Herrn Eder zu seinen 82 Wählmännern verhalfen?

! Schwarze vom ersten Lis zum letzten Mann, mit ganz ver-
s schwindenden Ausnahmeu! Sein Sieg wäre also ein Zentrums-
i sieg, nicht ein solcher der demokratischen Sache gewesen, und
so wurde die Lage auch von den Klerikalen beurteilt. Wird
dies aber bestritten, wer vermag dann in Abrede zu stellen,
daß die 2600 Nationalliberalen — wenn die Sozialdemokra-
tie als stärkste Partei doch einmal mit aller Gewalt unter-
drückt werden sollte — ein weit höheres Anrecht auf die Vep-
tretung des Bezirkes haben, als die nicht einmal 200 Demo-
kraten? . . .

Und wenn die „Frkf. Ztg." meint, unsere Wahlmänner
hättett „in blinder Wutpolitik die moralischen Ver-
pflichtungen mißachtet, die ihnen ihre Wähler aufer-
legten", so bekundet sie damit eine Unkenntnis der Verhält-
nisse, die ihr jede Befühizung und jeden Berus zu eincm Urteil
in dieser Frage entzieht. Denn gerade die großen M a s-
sen der s o z i a l i st i s ch e n Urwähler lvaren es, die
unsere Wahlmänner zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber
der Zentrums-Demokratie zwangen und ihnen mit allen
möglichen Eventualitäten drohten, falls der Schützling der
Pfarr- und Neuhäuser boch den Sieg davontrage. Hätten
die sozialiftischen Wahlmänner nicht mit dieser geradezn
beispiellosen Erbitterung der Wählermassen ge-
gen die politische Unmoral der klerikal-demokratischen Mes-°
alliance und die von ihr zur Förderung ihrer Zwecke beliebten
schmählichen Machinationen zu rechnen gehabt, fie wären viel-
leicht noch im Rahmen des Wahlenthaltungsbeschlusses zu hal-^
ten gewesen; so aber br-ach der genugsam begründete furor
anticlerikalis mit spontaner Gewalt durch, u. sein Opfer war
der„Demokrat"Eder. Dabei muß immer wieder betont werden.
daß Eder's Niederlage auch dann besi-egelt gewesen -wäre, wentt
unsere Wahlmänner, dem Schwctzinger Konfercnzbeschluß fol»
gcnd, sich inc entscheidenden Gnng sämtlich der Wahl enthalten
hätten. DasMandat ging eben nicht durch dieSozialdemokratie,
sondern deshalb an die Nationalliberalen verloren, weil diese
sich im Bezirk stärker erwiesen als die klerikal-demokratische
Koalition, unö dagegen dürfte ünseres Erachtens ein ehr-
licher Demokrat doch nichts einznwenden haben. Wer es mit
dem Charakter semer Partei als einer Volkspartei ernst
nimmt, der hat vor allen Dingen die Stimmung des Volkes
zu berücksichtigen und zur Geltung kommen zu lassen. Und
wenn irgend einmal, so war im Schwetzinger Fall üie Weg -
fegung der demokratisch verbrämten Zen-
t r u m s h e r r s ch a f t ein Volksgericht, das nnt un-
widerstehlicher Gewalt hereinbrach, und gegen das die politisch-
taktischen Einwendungen der sozialistischen Führer absolut
m achtloZ waren.

Württcmberg.

Der feste Turin des Zentruins hnt hier eine'n kkeinei?
Riß erhalten. Jm Oberamt Waldsee hatte die Zeutruins-
leitung einen P f a r r e r 51 e i I b a ch als Kandidaten für
den Landtag aufgestellt, und der Bischof 51eppler, von
dem Pfarrer um seine Zustimimiiig gefragt, hatte der
Kandidatur seine bischöfliche Genshmigung erteilt in der
Form: „er könne Keilbach von der schweren Bürde einer
Kandidatur jedenfalls während des Nests der Landtags-
periode (die 1906 endigt) nicht e'ntbinden." Trotzdem
fand ein Teil der Waldseer Wählerschaft, die üei den kon-


Hintev den Krrlissen.

.. Roman von Karl Postumus.

(Fortsetzung.)

.^uch vex Schwester Liebesglück weckte in ihr weder Neid
Pg Mißgunst, es machte ihr im Gegenteil Spaß, das junge
z„ P zu beobachten, den Schcrzen des stattlichen- Bräutigams
iw-muschei, und sich zu denken, selbst cinmal mit den beiden
Land zu ziehen, wo es Gänschen, Entchen und Hühnchen

das alte Kind jetzt auch an all das kleine Federvieh
ste? Jedenfalls lachelte sie vergnüglich beim Zählen ihrer
wobei sie immer nur bis Hundert kam; aber ein
Maschen reihtc sich an das andcre Hundert und so
ichu' der Strnmpf vollendet war. Da schloß sie die Spitze,
den Faden ab, band ein Fädchen feft um die fünf
^ „nd legte alles fein säuberlich auf ihren Tisch. Jhr
Kc>o war vollbracht. Nun war sie müde. Ohne erst auf
iiiei^" kme Uhr zu horchen — d-er Begriff von Zeit im allge-
und dercn Kostbarkeit im ^besonderen beschwerte ihren
ttnch — schob sie dickes Strohkissen, das zum Liegen
eZ T.luc„, gewesen wäre, einfach über den Bettrand, von wo
b^, .scherid auf den Fußboden fiel. Dann stützte sie ihren
„^APtnlteten winzigen Körper auf das magere Aermchen
Uan, ?Eistc Rcchten den Lampendocht hinunter, um

zi>it Anstrengung ihre kinderglcichen Glieder wohlig aus-
Während noch die Flamme glimmte, war Martha
lcst eingeschlafen. Und ihr Schlaf wnrde nie durch irgend-
sie ^ ^hösen Träume gestört. Sie schlief ruhig, bis Marie

Itv^l'Ete, ihx h„if, sich anzuzichen und ihr nach dem Früh-
Wolle für einen neuen Strumpf, den Anfang unzäh-
.ueuer Hunderte von Maschen, bereit legte.

>vg einem Hintcrzimmcr dcs dritten Stockes ini Hausc,
spzj.'stuiners ihre Mansarde bewohntcn, leuchtete ftets bis
i„ ( 's' die Nacht hinein Lampenschcin. „Rühlens sind cchtcr
^ Wolle gefärbt, als wir Nachtvögel," pflegten die Offi-

ziere des gegenüberliegenden Flügels zu sagen, wenn sie früh
morgens, aus schwerer Sitzung heimkehrend, immer noch oben
den schwachen Lichtschein bemerkten. „Weitz der Henker, was
die treibcn!" Für Nichtstun der Damen, denen nächtliche
Zufammenkünfte und Gelage bei Wein und Sekt, bei Karten
und Würfel fernlagen, genügten doch wahrlich 12 Tages-
stunden. Frauen fehlte jeglicher Grund, die Nacht zum Tage
zu machen. Das bischen Häkeln, Sticken, Brennen und Malen,
alles, was das schönere Geschlecht an Arbeiten verbrach, konnte
wegen des Gleichgewichtes der Welt und der Kunstentwicklung
unserer Zeit unbeschadet in den Windeln, oöer noch Lesser,
ehe es ans Licht trat, erfticken.

Den Ehrgeiz, unserer Erde Gleichgewicht irgendwie durch
ihre Arbeit zu erschüttern, besaß Liddy von Rühlen wahrlich
nicht. Sie dachte nicht einmal an die Möglichkeit, irgend je-
mnnd könne ihr Tun nnd Treiben beobachten. Dazu fühlte
sie sich seit der Pensionierung ihres Vaters und noch mehr seit
dessen Tode zu sehr von der Gesellschaft getrennt. Freilich
wohnten sie noch in der Stadt, Ivo sie vor kurzem cine Rolle
spielten, aber man taucht für die Gesellschaft sehr schnell in
Vcrgesscnhcit uutcr, sobald man sich nicht mehr am Ver-
gnügungstrubel beteiligen und Feste nicht mehr erwidertt
kann.

„Arme Fran von Rühlen, nur die erbärmliche Pension,"
hieß es. „llnmöglich, davon zu leben."

„Waren ihre Verhältnisse denn so zerrüttet?" fragte ein
Dritter und zuckte die Achseln, weil niemand ahnte, wer unter
der veränderten Sachlage die Znlage der Söhne bezahle, da
doch Stadens selbst heilloses Geld gebrauchten und Gonsan-ges
wohl nichts übrig hätten.

So kombiniLrte die müßige Gesellschaft und ging dann zur
Tagesordnung über, ohne sich weitcr nm Wohl und Wehe der
bekannten Familie zu beMmmern. Das erwartete Frau von
Rühlen auch nicht, sie änderte nur nach dem Tode ihres Gat-
ten resolut ihren Lebensabschnitt. Nicht allein gab sie die
größere Wohnung sofort auf, sondern sie verkaufte verstän-

digerweise auch ihre elcgantesten Möbcl, um> dcn Ertrag als
Sparpfcnnig für Liddy anzulegen, die ja nach der Mutter
Tod einst mittellos dastünde. Leider blieb nur Liddhs Zu-
kunft nicht der Mutter einziger Kummer.

Von Anfang hielt nämlich- die Heirat ihrer jüngsten Toch-
ter nicht das, was Frau von Rühlen doch wohl von dem rei-
chen Schwiegersohn erwartet haben mochte. Das junge Paar
wirtschaftete blind in den Tag hinein, worauf der alte Herr
von Staden, der Unvernunft zu steuern, durch bedeutend ge-
ringere Zulagen erziehlich zu wirken suchte. Der Versuch mitz-
glückte, denn im Punkte einer -systematischen Einteilung ihrer
Elnnahmen- blieb Staden sowohl wie Jnes unberechenbar, trotz
aller Liebe, bei den großen Kindern in den Wind gesprochen,
die warfen beide, hauptsächlich durch ihre verrückte Sport-
leidenschaft, das Geld förmlich auf die Straße. Die alte Dame
mannte Jnes oft ein ungezogenes Kind und dankte dem lieben
Herrgott, dah solchen unvernünftigen Menschen wenigstens
keine Nachkommen geschenkt wurden. Un'd doch hätte ein Kind
die jungen Eltern vielleicht von der übertriebenen Reiteret
angehalten und mehr ans Herz gefesselt.

Genau genornmen, war es dem alten Herrn von Staden
nicht zu berdenken, über die Verschwcndung und den Stalljnr-
gon seiner Kinder ungehalten zu sein. So ungehalten, daß er
sie einmal sogar, trotz seiner sonstigen Zurückhaltung, zu dem
Sarkasmus aufschwang: Jnes habe ihren Beruf berfehlt,
nicht vornehme Fraü, nein, Kunstreiterin hätte sie werden
sollen. Jn der Mane-ge würde sie ohne Zweifel Lorbeeren.
ernten. Diese Worte berührten den jungen Ehemann nicht
sonderlich, weil er in seiner blinden Lie-be für seine jungs
Frau den wohlberechtigten väterlichen Tadel gar nicht heraus-
fühlte.

Stolz l-achend zog er die schlanke, pikante Jnes an sein
Herz und jubelte förmlich: „Alle Wetter, Schatz, Papa zielt ins
Schwarze! By Jove, Du könnteft die erste Schulreiterin dcr
Welt werden. Hast ja neulich schon Direktor Nerh durch.
 
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