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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 305 (1. Dezember 1903 - 31. Dezember 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#1317

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Erscheiiit täglich, Somitags ailSgeuommen. PreiS mit Familienblättern monatlich 56 Pfg. in's Haus gebracht, bei ber Expedition nnd den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post

bezogen vierteljährlich 1.85 Mk. ausschlicßlich Zustellgebühr.

Anzeigenprcis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischcn Anfchlagstellen. Fernsprecher 82.


Lmcrslag, 24. LezMber 1ZV.

ZWeLtes BZRLL.

O. MrgW. - - < 301.

Die Umwälzunq -in den englischen§IPartei-
verhältnissen. .LOS

London, 22. Dez. Je mehr die Entwicklung der
sogenannten stskalischen Krisis fortschreitet, desto klarer
wird es zum Ausdruck gebracht, das; das ganze innere
politische Leben in England durch die von Birmingham
aus signalistcrte Rovolution eine vollkommene Umwäl-
zung ersährt. Die beiden großen Parteien in England,
die so viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hindurch ab-
wechselnd die Regierung gesührt haben, die Konser -
vativen und die Liberalen, wurden bekanntlich
in dem Kampfe um die unglückliche Homerulefrage Glad-
stones derart mit einander Vermischt, datz viele Liberale,
die der Ansicht waren, datz Gladstone mit seinen Vor-
schlägen viel zu weit ginge, mit Sang und Klang zu den
Konservativen übergingen und mit diesen zusammen die
große uniomstische Pmtei bildeten, die dann zwei Jahr-
zehnte hindurch so starken Einfluß auf die Geschicke des
Landes ausgeübt hat. Der Versuch Mr. Chamberlains,
den Freihandel durch eine entschiedene Protektionspolitik
zu verdrängen, hat nun das Lager der zur Zeit am Ruder
befindlichen Unionisten wiederum gespalten, und wenn
nicht schwerwiegende Ereignisse die Aufmerksamkeit des
Publikums wieder von der augenblicklich einzigen „großen
F-rage" ablenkt, werden die nächsten Jahre eine SPal -
tung der englischen Politiker in Freihändler und
Schutzzöllner sehen. Lord George Hamilton ist
offenbar im Begriff, sich ganz rückhaltlos von seinen Wäh-
lern zu trennen, die der Chamberlainschen Politik zu-
neigen, und er hat bereits an die konservative Vereini-
gung in seinem Kreise cin Schreiben gerichtet, dessen Jjr-
halt besagt, daß sie sich für die nächste Wahl einen anderen
Kandidaten suchen müßten, wcnn sie auf ihrem Stand-
punkt beharrten. Aehnlich liegen die Verhältnisse in
Croydon, dem Wahlkreis Mr. Ritchies, während der Her-
zog von Devonshire in der angenehmen Lage ist, in der
Erlangung parlamentarischer Ehren nicht von der Gunsi
der Massen abzuhängen. Mr. Windston Curchill hielt
gestern in Halifax eine Re'de, in der er erklärte, daß er
die Hofsnung ausgegeben habe, Mr. Balsour, den „nomi-
nellen Premierminister", je wieder auf Seiten der Frei-
händler zu sehen, und daß es daher die Pflicht der Libe-
ralen sei, in diesem Kampfe die Führung zu übernehmen.

Kleine Zeitrrng.

— München, 20. Dezbr. Nachdem die Preise für
Schlachtschweine gefallen stnd, hat der' Okermeisier der
Alt- u. Jungmetzger-Jnnung die Mitglidder der Jnnung
durch Zirkular aufgefordert, mit dem Preis des
Schweinefleisches entsprechend herabzu-
g e h e n.

— Ulm, 20. Dez. Ein „württembergischer Breiden-
bach" hatte sich am Samstag vor dem hiesigen Kriegs-
gericht in der Person des 23 Jahre alten, aus Friedrichs-
hafen stammenden Unteroffiziers August KnaPP von der
1. Kompagnie des hier garnisonierenden Pionierbataillons

Nr. 13 zu verantworten. Der Angeklagte, der erst im
Sommer vorigen Jahres zum Unterosfizier besördert ift,
drangsalierte in der Rekrutenausbildungsperiode 1902
bis 1903 seine'Korporalschaft in der gewissenlosesten
Weise. Einer der Gequälten ftürzte sich aus dem Fenster
und gestand kurz vor seinem Tode, was ihn dazu getrie-
ben. Das Urteil gegen Knapp lautete wegen 170 Ver-
brechen und 50 Bergehen 'der körperlichen Mißhandlung
Untergebener, 30 Vergehen der vorschriftstvidrigen Be-
handlung und einer Anzahl weiterer Fälle wegen unbe-
fugter Befehlsanmaßung, selbständig und in Verbindung
mit vorschriftswidriger Behandlung, unerlaubten Geld-
borgens und Anstiftung eines Untergebenen zur Begün-
sstgung auf 1 Jahr 2 Monate Gesängnis und Degra-
dation.

— Hcrr Unteroffizicr Pcus und Herr Untcroffizier
Dr. Gradnaner. Kürzlich wurde von einem sozialdemo-
kratischen Mzefeldwebcl d. R. gesprochen. Es gibi außer
ihm aber noch eine ganze Reihe bekannter sozialdemokra-
tischer Führer, die es bis zum Unteroffizier im deutschen
Heere gebracht haben. Man findet einige sogar unter
den Reichstagsabgeordneten, und es mutet eigentümlich
an, daß gerade diese in Kürschners Handbuch zum deut-
schen Reichstag in ihrem Lebenslauf stolz den Vermerk
beifügten, datz sie Unteroffiziere des Landsturms oder der
Landwehr seien, während man bei den Vertretern der
anderen Parteien vergebens nach einer gleichen Angabe
sucht. So heben Herr Peus und ebenso Herr Dr. Grad-
nauer, Redakteur des „Vorwärts", stolz hervor, daß sie
Unteroffiziere sind. Daß übrigens Abg. v. Vollmar ak-
tiver Offizier war und daß auch Genosse Heine dem
Reserveoffizierkorps früher angehörte, dürfte bekannt sein.

Verantwortlich für den redaktionellen Teil F. Montua, für
den Jnseratenteil Th. Berkendusch, beide in Hcidelberg.

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ÄU88wIlung lcompk. lülu8tk«'rimmei' in allkn
Ltilaptkn. Kunst- uncl t.uxu5möstkl.
RviLkkaUiMs Is.Zsr in Mödeln kint. ÜU8-
tlldl-ung, lcompl. IVIu^tsi'rimmkl'.

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^Iol>»r» ä«r Nllsll. Vr»m»ti»o0sr Hlltsrriobt ll»4 it»Ii«ol»»b«
Spmob«. Ob«r-, Ivtt»l- ll»ä Vorbsrsitnvxsbl»»««n.
Orob„t«rüdlllle»o, 6borx«»ne knr v»n-«ll nnä blll»i1x««obl^>t».
krv»p«Irt» knumo ärirob äls virsttloll

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Besonderheit: Vilder-Einrahmung

etwa 4M1Muster in allen Arten^und jedrm Sthl.

von Siahme«
errichten vor

LelgemLldell.

Aarl Küstnrr, Vergolder. Sviegellagrr.

5

cdrelbpulteMacken
«. Lenttalvmehlnsr,

von Mk. 140 an p«r Stück.

Zu beziehen bei

C. A. Boit, Hmptstr.121.

Eine Warnurrg vor den Mormonen.

Die amerikanische Sekte der Dlormonen unterhAt auch in
Baden und Württernberg Missionare. Sie süchen Leute zu
ihren Lehren zu bekehren und zur Auswanderung nach dem
Mornwnenstaate Utab zu veranlassen. Wie es den Auswan-
derern und neuen Mormonen dort ergeht, berichtet solgender
Brief des evangelischsn Pastors Zimmer in der Mormonen-
stadt Salt Lake City.

Evangelischcs Pfarrhaus
828 East 2eb Sonth-<Ar. zu Salt Lake City
im Staate Utah in Nordamertka.

Den 20. Oktober 1903.

Tr. Ehrtvürden Herrn Dr. P. Wurster,

Stadtpfarrer rn Heilbronn, Deutschland.
Ehrwürdiger Herr Amtsbrnder!

Ans Böckingen, einer Vorstadt Heilbronns, sind in letzter
Zeit mehrere Familien nach hicr eingewandert, um in d>cm
ferncn Wah, dem Lande ihrer Sehnsucht, das wunderbare Zion
der Heiligen der letzten Tage leibhaftig zn schauen nnd bci
den Kindern Gottes ihre übrige Lebenszeit in seliger Freude
Nnd Wonne zn verbringcn. Die Familien, die hier vorzüglich
in Betracht kommen, sind die des Schuhmachermeisters Fried-

rich Sch.und die des Schlosscrs B. . . ., bcide

aus Böckingen. Herr Sch. ist im Frühling 1902 hier ange-
kommen, Herr B. erst letzte Woche. Der Erstgenannte, Sch.,
hat in ganz kurzer Zeit diese sogenannten „Heiligen" dnrch-
schaut. Als die Dientsche Evangelische Synode von Nordamerika
hier eine Mission unter den irber 3000 Deutschen der grohen
Salzsteestadt voriges Jahr anfing, hat Herr Sch sich mit seiner
Gattin (die vordem in Schwäbisch Hall Diakonissin tvar) fo-
gleich fnr dieses Werk interessiert. Herr Sch. ist jeht erbötig,
jedem Deustchen, der an ihn wegen der Mormoncn schreibt.
gewisftnhafte Ausstinft zu geben. Seine Adrefse ist: Nr. 162
West Secoud South-Street, Salte Lake City, Utah, N.-A.

Die Familie B. ist, wie ertvähnt, erst letzte Woche hier in
dem Mormonenzion eingetroffeü. Auch sic tst öitter enttäuscht,

und wenn die Leute könnten, sie würden noch henw retonr
gehen nnd ihr liebes Heimatland mit Tränen begrüßen. Aber
sie können nichtl Frau B. hat drüben in Deutschland 2600
Mark geerbt. Das hat ste im vollen Vertrauen den heistgen
„Brüdern" erzählt. Sie ist bald darauf veranlaßt worden,
rund 260 Mark als „Zehnten" in Zions Kasse zn zahlen. Mit
dem nbrigen Geld haben sich die Leute auf die Reise nach hier
gemacht. Nnn sie die letzte Woche hier angekommen sind, ist

auch das Geld alle.So ist die Famile B. irun auf die

Barmherzigkeit, das schäbige Mitleid ihrer Glaubensgenoffen
angewiesen....

Lieber Herr Amtsbruderl Jch habe die Tränen und den
Jammer schon zu oft angesehen, daß ich mir ein endgültiges
Urteil nber die Mormonen getrost erlauben darf. Weil ich
Tag um Tag mit Mormonen verkchren muß, weil ich als Pastor
von Salt Lake, City und Ogden, den beiden größten Städten
Utahs, in zu viele Verhältnisse hineinschaue, die sonst dem ge-
wöhnlichen Manne verschlosscn bleiben, so sage ich: Die Mor-
monen, die trotz der aus Preußen und Mecklenburg «folgten
.Ausweisnng in allen übrigen deust'chen Bundesstaaten imge-
niert weitermissionieren kaffen, sind geradezn cin Fluch für
nnser deutschcs Land und Volk. Die Tendenz ihrer Religion
ist Unmoral und Gefchäft. Sie überreden mit den lockendsten
Worten imser einfaches beust'ches Bürgervolk, um hier in Utah,
wo ihrc Väter nnd Verwandten das Hcft in den Händen halten,
billige und branchbare Arbeiter zu erhalten. Wie billig die
Leute schasfen müffen, ein Beispiel. Jn Salt Lake Citv be-
findet sich ein Mööel- und Wohnungsausstattungsgeschäft,
deffen Eigentümer, namens H. D., em Mormone ans reinftem
Waffer, 4 Frauen besitzt. Er beschäftigt viele Deust'che, vor-
züglich die eben angekommenen Emigranten bezw. Neu-Mor-
monen. Dieser scheinbaren Menschenliebe liegt aber ein Svftem
zn Grunde. Herr D. müßte sonst jedem anderen amerikanischen
Arbeiter vro Tag 2 bis 3 Dollar cm Lohn zahlen. Weil er
abcr „grüne Dentsche" beschäftigt, wie man hier sagt, so gibt
'er ihncn nnr 75 Cents bis 1 Dollar -bO Cents, er spart also
an jedc-m Maitn rnindcstens t Dollar bis 1 Dollar 50 Cents.

Das macht die Woche über und das Jahr hindnrch eine recht
erkleckliche Summe; dafür kann der betreffende Ntormonerich
schon seine vier Weiber durchsüttern. Das ift aber noch nicht
genug, was Herr D. an seinen Arbeitcrn verdtcncn will. Gesetzt
den Fall, der Arbeiter verdient bei ihm rund 10 Dollar pro
Woche, so zahlt Hcrr D. doch nur 8 Dollar in barcm Geld,
2 Doll. zahlt er in sogenannten „Thiding-money" — „Zehnten-
Geld". Wenn Ler Arbeiter dieses Thiding-money einlösen will,
so kann ers nur in etnem von Mormonen gelcitcten „Store"-
Geschäft tnn. Hier erbält er aber nicht für volle 2 Dollar
Wert Ware, sondern fiir den Dollar imr 75 Cents, also 25
Prozent weniger. Er darf sich aber gegen die Annahme dieses
„Kirchcngeldes" nicht auslehnen, denn er ist Mormone und mntz
sich den Anordnungen seiner Kirchenvorgesetzten ohne Wider-
redc fügen.

Die 25 Prozent, welche an dem Wert des, den Arbeitern
gegebenen Gcldes abgchen, erhält nänilich sein Arbeitsherr
als Profit von der „PüeiäinA okbce," dem „Zehnten-Haus"
Zions. Denn er wäre ja gar nicht verpflichtet, daß Dlreiäm^
monax seinen Arbeitcrn ansznhängen, al>er weil dic Mor-
monenkirche hier in jeder cvarä (Bezirkh der Stadt einen
großen Laden offenhält, so ist dadnrch, dah der Arbeiter „Kir-
chengeld" erhält, die Gewähr gegeben, daß die mormonischen:
Kirchengeschäfte auch einen guten Absatz erhalten. Es tvürde
ja auch kern anderes Gcschäft das „Krchengeld" einlösen.

Troh diesem Verlust, den der Arbeiter so schon hat, muh er
aber auch noch den „Zehmten" von seinem ganzen Verdiensi
geben, fowie an jedem ersten Sonntag im Monat (an welchem
Sonntag bei den Mormonen stets Festtag ist) das sogenanntiö
Fastopser, d. h. mindestens so viel, als er, seine Frmr und
Kinder nsw. an diesem Tag bei gewöhnlichen Mahlzeiten ver-
zehrt haben würden, in barem Gelde hinterlegen. Weigert
er sich, diesen Verpflichtungen nachzrrkornmen, so wrrd er stirz-
weg an die Luft gesetzt, dcnn sein Arbeitgeber ist zuglcich Bc-
amter der Mornrvnenstrche, er ist „Apostel", seine Geschästs-
teilhaber sind „Aelteste", „Enael" und „Propheten", die Buch-
halter sind im Besitz des „Priester"-ranges und dde älterest
 
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