I. Frauenchiemsee. von Aarl Lsausbofer.
n
Oolce ksr niente. Oou Iohu Fred. Lngel.
schwebt Orgelklang nnd der getragene Kirchengesang der
Nonnen aus dem Mnnster heran und es überkommt Dich
die Empfindnng, als wäre all' das nur ein Tranmbild, das
vor Äoneii an irgend einem Deiner Atome vornberzog.
Draußen schimmert der See und die Berge wie ein großes
Geschmeide aus Türkis und Silber; mildes Sonnenlicht
spinnt sich über die grauen Schindeldächer, übcr die zum
Trockneu ausgespanuten Fischernetze, über die kleinen Gärtchen
dazwischen und über die Blumen und Grabsteine des nahen
Friedhofes, wo die Müden den Traum der Ewigkeit trüumen.
Dort ruht auch seit zehn Jahren Chr. Rubeii unter einem
einsach edlen Stein aus rotem Untersberger Marmor. Ein
Bronzemedailloii giebt die wohlgetrossenen Züge des Meisters
wieder. Jn rührender Treue gegen den Ausgangspunkt seines
Schaffens und seiner Erfolge wünschte er sich hier sein Grab.
Er war der Erste, der das nach Jnneii drängende, Feierlich-
milde im Wesen von Frauenwörth in seinen Gestalten vom
^vs Llaria, in seinem Mönch und seiner Novize zum Aus-
druck brachte, wie es seinem Schwager Max Haushofer
zuerst gelang, den Charakter der Chiemseelandschast fest-
zuhalten und in liebevollem Verständnis wiederzugeben. Wer
die genannten Bilder Rub en's und die der ihm nahestehendeii
Künstler seiner Zeit studiert uud ihre schlichte, fast dürstige
Malweise mit der Technik unserer Tage vergleichen wollte,
der darf nicht vergessen, daß sie den Ansang einer Kunst-
epoche bezeichnen und daß die glänzenden Kunstheroen der Folgc-
zeit auf den Schnltern jener stehen; er wird aber auch die Tiefe
der Empfindung und den Ernst des Wollens, die aus jenen Bil-
dern sprechen, in keiner modernen Schöpfung übcrtroffen finden.
Seither sind Hundcrte von Chiemseebildern entstanden
und in alle Welt gestreut, und es gibt kaum eine größere
Ausstellung, aus welcher man nicht irgend einem oder dem
anderen Chiemseemotiv begegnete.
Dem entsprechend entwickelte sich alljährlich in den Sommer-
monaten ein reges Künstlerleben auf der kleinen Fraueninsel,
und der allbekannte und bewährte Hang der Künstlernaturen
nach bunter und sestlicher Gestaltung des Lebens gab dem
Sommeraufenthalt allezeit ein wärmeres Kolorit, welches in
der Regel auch anf die übrigen Gäste absärbte. Wir ge-
denken der Tage, da Altmeister Heinlein, da H. Gude,
da die der Kunst so früh entrissenen Landschaster Schleich
und Lier allda ihre Behausung aufschlugen, wie sie dcn
wechselvollen, unerschöpflich reichen Naturbildern mit fein-
fühligem Auge nachgingen und der jüngeren Künstlerschaft,
die sich um sie schaarte, tausendfältige Anregung gaben. Jm
Verkehr mit solchen Männern wurde es einem erst klar, wie
Die Aunst fär Alle I.
man die Landschaft ansehen müssc, um sie ganz zu verstehen
und zu schätzen; es wurde einem auch klar, wie sich dnrch
wiederholtes Schauen im Geiste des Künstlers langsam das
Bild als Typus aufbaut und wie die gemalte Naturstndie
nur als technisches Vehikel dient. Dabei lernte man aber
auch kennen, was der Chiemsee alles bietet. Wenn ein
farbenprächtiger Abend zu werden versprach, dann versammelte
sich wohl Alles an der südlichen Ecke der alten Klostermaner,
des „Frauenganges", von wo aus man den ganzen Gebirgs-
kranz — eine Bergkette von nahezu zwei Breitegraden Länge
— überblickt, um den wunderbaren Tönen nachzuschauen,
die von der brennenden Glut des Abendlichtes bis zu dem
düsteren Violett des Erlöschens auf ihren Waldhängen,
Matten und Felskronen wechseln. Oder wenn nber der
Höhe von Rimsting nach schwülem Sommertag Gewitter-
wolken sich titanenhaft aufbänmten in das fahle Blau des
Äthers, dann eilte man insgesammt an das westliche Ufer,
um die grauenhafte Schönheit des hcreinbrechenden Unwetters
zu verfolgen. Düster und düsterer wird es; unheimlich
leuchten die noch besonnten Matten und Bäume des Mittel-
grundes auf der dunklen Ferne; der letzte Sonnenstrahl
schwindet von den weißen Mauern des Herrenchiemseer
Schlosses, die erste rötlichgraue Wetterwolke rollt wie eine
sich übcrstürzende Woge herein und brandet an den Fels-
zähnen der Kampenwand. Dann erscheint auf dem noch
spiegelglatten See ein dunkelgrünes Band vom Westrande
her- es wird breit und breiter und ist übersät mit weißen
Wellenkämmen, die der Sturmwind faßt, zn Staub zer-
peitscht und als graue Schleier vor sich herwirbelt. Solche
gewaltige Bilder hat uns C. Raupp gegcben, zur Zeit
der treueste Verehrer und feinsinnigste Darsteller der Chiemsee-
landschaft, die er in lvirksamster Weise mit seinen prächtigen
und liebenswürdigen Gestalten aus der einheimischen Be-
völkerung zu verbinden weiß. Wir können keine Aufzählung
der Künstler beabsichtigen, deren beste Schöpfungen sich an dcn
Chiemsee knüpfen; wenn wir nur noch die Namen Wopfner
und Nörr nennen, mögen uns die anderen verzeihen.
Neben de» reichen Schätzen an Naturschönheiten bietet
dcr Chiemsce auch vollauf Gelegenheit zu jener frohen Zer-
strcuung, zn jenem wohlthütigen Schaffen außerhalb des
Kreises der gewohnten Ärbeit, deren der Künstler ebensosehr
bcdarf als andere Menschenkinder. Davon legt die ehrwürdige,
zcrlesene Chronik der „Malerherberge auf Frauenwörth" das
beste Zeugnis ab, und es muß als ein erfreuliches Zeichen
gelten, daß sich allgemach dcr dritte mächtige Foliant füllt
und das vor sechzig Jahren mit dem liebenswürdigsten Humor
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Oolce ksr niente. Oou Iohu Fred. Lngel.
schwebt Orgelklang nnd der getragene Kirchengesang der
Nonnen aus dem Mnnster heran und es überkommt Dich
die Empfindnng, als wäre all' das nur ein Tranmbild, das
vor Äoneii an irgend einem Deiner Atome vornberzog.
Draußen schimmert der See und die Berge wie ein großes
Geschmeide aus Türkis und Silber; mildes Sonnenlicht
spinnt sich über die grauen Schindeldächer, übcr die zum
Trockneu ausgespanuten Fischernetze, über die kleinen Gärtchen
dazwischen und über die Blumen und Grabsteine des nahen
Friedhofes, wo die Müden den Traum der Ewigkeit trüumen.
Dort ruht auch seit zehn Jahren Chr. Rubeii unter einem
einsach edlen Stein aus rotem Untersberger Marmor. Ein
Bronzemedailloii giebt die wohlgetrossenen Züge des Meisters
wieder. Jn rührender Treue gegen den Ausgangspunkt seines
Schaffens und seiner Erfolge wünschte er sich hier sein Grab.
Er war der Erste, der das nach Jnneii drängende, Feierlich-
milde im Wesen von Frauenwörth in seinen Gestalten vom
^vs Llaria, in seinem Mönch und seiner Novize zum Aus-
druck brachte, wie es seinem Schwager Max Haushofer
zuerst gelang, den Charakter der Chiemseelandschast fest-
zuhalten und in liebevollem Verständnis wiederzugeben. Wer
die genannten Bilder Rub en's und die der ihm nahestehendeii
Künstler seiner Zeit studiert uud ihre schlichte, fast dürstige
Malweise mit der Technik unserer Tage vergleichen wollte,
der darf nicht vergessen, daß sie den Ansang einer Kunst-
epoche bezeichnen und daß die glänzenden Kunstheroen der Folgc-
zeit auf den Schnltern jener stehen; er wird aber auch die Tiefe
der Empfindung und den Ernst des Wollens, die aus jenen Bil-
dern sprechen, in keiner modernen Schöpfung übcrtroffen finden.
Seither sind Hundcrte von Chiemseebildern entstanden
und in alle Welt gestreut, und es gibt kaum eine größere
Ausstellung, aus welcher man nicht irgend einem oder dem
anderen Chiemseemotiv begegnete.
Dem entsprechend entwickelte sich alljährlich in den Sommer-
monaten ein reges Künstlerleben auf der kleinen Fraueninsel,
und der allbekannte und bewährte Hang der Künstlernaturen
nach bunter und sestlicher Gestaltung des Lebens gab dem
Sommeraufenthalt allezeit ein wärmeres Kolorit, welches in
der Regel auch anf die übrigen Gäste absärbte. Wir ge-
denken der Tage, da Altmeister Heinlein, da H. Gude,
da die der Kunst so früh entrissenen Landschaster Schleich
und Lier allda ihre Behausung aufschlugen, wie sie dcn
wechselvollen, unerschöpflich reichen Naturbildern mit fein-
fühligem Auge nachgingen und der jüngeren Künstlerschaft,
die sich um sie schaarte, tausendfältige Anregung gaben. Jm
Verkehr mit solchen Männern wurde es einem erst klar, wie
Die Aunst fär Alle I.
man die Landschaft ansehen müssc, um sie ganz zu verstehen
und zu schätzen; es wurde einem auch klar, wie sich dnrch
wiederholtes Schauen im Geiste des Künstlers langsam das
Bild als Typus aufbaut und wie die gemalte Naturstndie
nur als technisches Vehikel dient. Dabei lernte man aber
auch kennen, was der Chiemsee alles bietet. Wenn ein
farbenprächtiger Abend zu werden versprach, dann versammelte
sich wohl Alles an der südlichen Ecke der alten Klostermaner,
des „Frauenganges", von wo aus man den ganzen Gebirgs-
kranz — eine Bergkette von nahezu zwei Breitegraden Länge
— überblickt, um den wunderbaren Tönen nachzuschauen,
die von der brennenden Glut des Abendlichtes bis zu dem
düsteren Violett des Erlöschens auf ihren Waldhängen,
Matten und Felskronen wechseln. Oder wenn nber der
Höhe von Rimsting nach schwülem Sommertag Gewitter-
wolken sich titanenhaft aufbänmten in das fahle Blau des
Äthers, dann eilte man insgesammt an das westliche Ufer,
um die grauenhafte Schönheit des hcreinbrechenden Unwetters
zu verfolgen. Düster und düsterer wird es; unheimlich
leuchten die noch besonnten Matten und Bäume des Mittel-
grundes auf der dunklen Ferne; der letzte Sonnenstrahl
schwindet von den weißen Mauern des Herrenchiemseer
Schlosses, die erste rötlichgraue Wetterwolke rollt wie eine
sich übcrstürzende Woge herein und brandet an den Fels-
zähnen der Kampenwand. Dann erscheint auf dem noch
spiegelglatten See ein dunkelgrünes Band vom Westrande
her- es wird breit und breiter und ist übersät mit weißen
Wellenkämmen, die der Sturmwind faßt, zn Staub zer-
peitscht und als graue Schleier vor sich herwirbelt. Solche
gewaltige Bilder hat uns C. Raupp gegcben, zur Zeit
der treueste Verehrer und feinsinnigste Darsteller der Chiemsee-
landschaft, die er in lvirksamster Weise mit seinen prächtigen
und liebenswürdigen Gestalten aus der einheimischen Be-
völkerung zu verbinden weiß. Wir können keine Aufzählung
der Künstler beabsichtigen, deren beste Schöpfungen sich an dcn
Chiemsee knüpfen; wenn wir nur noch die Namen Wopfner
und Nörr nennen, mögen uns die anderen verzeihen.
Neben de» reichen Schätzen an Naturschönheiten bietet
dcr Chiemsce auch vollauf Gelegenheit zu jener frohen Zer-
strcuung, zn jenem wohlthütigen Schaffen außerhalb des
Kreises der gewohnten Ärbeit, deren der Künstler ebensosehr
bcdarf als andere Menschenkinder. Davon legt die ehrwürdige,
zcrlesene Chronik der „Malerherberge auf Frauenwörth" das
beste Zeugnis ab, und es muß als ein erfreuliches Zeichen
gelten, daß sich allgemach dcr dritte mächtige Foliant füllt
und das vor sechzig Jahren mit dem liebenswürdigsten Humor