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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die Volksschilderung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0304

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Oon Friedrich Pecht

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hervorgegangen, der Tarstellung deSselben eine völlig neue Wendung gegeben hat. Tenn während alle srüheren
Zchilderer, selbst Rnaus, wie der Lchweizer Landpfarrerssohn Bautier, den Bauern mit den Augen des
StädterS, d. h. wenn auch noch so unmerklich, doch immer ein wenig von oben herab betrachten, so ist er Defreggers
Jdeal. Jnmitten des schönsten deutschen Menschenschlages geboren, waren diese herrlichen krastvollen Männer
und hochgewachsenen blonden Franen Südtirols, die sreilich jeden entzücken, ihm eine unerschöpfliche Qnelle
der köstlichsten Charakterschildernng. Anf seinen Bildern ist der Bauer Herr, nicht Knecht, ein Heldengeschlecht,
dessen Anblick unser Herz erquickt, weil es stark und gut, schalkhaft und sromm zugleich ist. — Kein deutscher
Maler kann sich rühmen, so unübertresslich wahre und zugleich edle und schöne Menschen gegeben zu haben,
denen man alle Wirkungen des Charakters und Standes, der sie umgebenden Natur wie ihrer besonderen Ver-


Aus Franz von Defreggers Skizzenbuch

hältnisse so genau ansähe, daß man beinahe das Dorf bestimmen kann, wo sie herstammen. — Dabei hat er
allein einen größeren Reichtum an den verschiedensten Charakteren als sämtliche niederländischen Bauernmaler
zusaminen, die ja immer wie das alte Lustspiel mit stehenden Figuren arbeiten. Schon seine wie die Kn aus'
schen Kinderdarstellungen haben in der ganzen alten Malerei nicht ihres gleichen in Bezug auf Mannigfaltig-
keit, sowenig als die der Franen. Ebenso kann sich ihm niemand in schlichter Lauterkeit des Naturgefühls,
in der Abwesenheit alles Sentimentalen oder Theatralischen messen. Wenn man die Alten mit Recht be-
wundert, so sollte man doch ihre Grenzen sehen und wissen, wie die Antike z. B. ein Kinderleben noch kaum
kennt und wie selbst die Renaissance noch weit davon entfernt ist, die Kinder so zu individualisieren, als es vorab
die deutsche Ännst und auch die englische thut, während die französische, die überhaupt keine naiven Existenzen
kennt, hier samt der aller romanischen Völker weit zurückbleibt.
Daß aber Defregger nicht nur ein Kind mit den Kindern, ein heiterer Bewunderer bei den Frauen
ist, sondern anch hohe Begeisterung, eine wahre Glut der Vaterlandsliebe unter den Männern zu entsalten ver-
mag, daß er das bäuerliche Heldentuin eines Hofer oder Speckbacher, die alte germanische Kampflust ihrer Ge-
nossen in Verteidignng der höchsten Güter, der Freiheit und Unabhängigkeit ihres Vaterlandes nicht weniger
 
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