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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Aus dem Pariser Salon, [2]
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272


Aus dem pariser Salon
kFortsetzimg)

^ine Gruppe edel gezeichneter Frauengestcilten vereinigt
ferner E. Rosset-Granger in seinen „Sirenen",
welche von ihrem Felsen herab teils durch Flöten- und
Saitenspiel, teils durch die Reize ihrer unverhüllten Schön-
heit ihre Opfer heranzulocken suchen. Ein wahres iion
plus ultra unerbittlicher Korrektheit der Zeichnuug leistet
aber Bouguereau mit dem „von Venus entwassneten
Amor", dem er indessen, aller Einsprüche ungeachtet, wieder
eine äußerst gelecktc, beängstigend subtile Ausführung an-
gedeihen ließ. Dieses unbeirrte Festhalten an einer scheinbar
ausschließlich auf das Wohlgefallen der Menge berechneten
Malweise gewinnt gerade bei einem so bedeutenden Künstler
den Charakter eines öffentlichen Protestes gegen die von
anderen und insbesondere jüngeren Malern oft allzu selbst-
bewußt zur Schau getragene souveräne Mißachtung des
Geschmacks des großen Publikums, welches die Künst in
ihrer Schönheit mühelos genießen, nicht erst studieren will.
Überschwänglichem Lob auf der einen Seite stehen deshalb
die abfälligsten Kritiken auf der anderen gegenüber. So
faßt H. Rochefort, der in diesem Jahr auch nach langer
Unterbrechung wieder die Feder des Kunstkritikers ergreift,
sein Urteil darüber in die klassischen Worte zusammen:
„Bouguereau hat einen entwaffneten Amor ausgestellt;
bekennen wir uns auch entwaffnet und gehen wir zum
nächsten über." Und dieser ist — nach dem Porzellan-
maler der Topfmaler: Ant. Vollon, der seine zerbrech-
liche Waare allerdings mit weitgehendstem Realismus vor-
züglich naturwahr wiedergibt.
Jm allegorischen Genre zeichnen sich Luise Abbemas
Tragödie und Komödie, der sehr dekorativ wirkende „Don
Jnan" von Rixens und „die Huldigung für Courbet"
von Ruel aus, welch'letzterer freilich Baudrys Einfluß,
besonders in der lebendig bewegten Frauengestalt, auch
hier nicht verleugnet. — Shakespeares „Romeo nnd Julia"
(Sterbeszene) haben in Albert Maignan einen tüchtigen
Tarsteller gefunden, ebenso „Ruth und Boas" in Destrem.
Die „triumphierende Salome" von Ed. Toudouze wirkt
dagegen genreartig und unwahrscheinlich.
Unter den Darstellern antiken Lebens tritt wieder
Boulanger mit einem typisch gegebenen „Sklavenhändler in
Rom" in erster Linie hervor, dem man nur statt des
vielen wissenschaftlichen Beiwerkes etwas mehr Geist und
Lcbendigkeit wünschen möchte. Jhm schließt sich E. R.
Menard mit einer „Begegnung Odysseus' und der Nau-
sikaa", H. Motte mit einem sich Cäsar ergebenden
„Vercingetorix", Vimont mit „Vitellius' Ende" und
Benjamin Constant mitseinem „Justinian" an. Letzterer
stellt den Kaiser und seine kkmgebung von Staatsmännern
und Theologen mit großer historischer Treue und bewun-
derungswürdiger Behandlung des Stofflichen, der reichen
byzantinischen Prachtgewänder wie des Marmors dar.
Das Bild ist ein koloristisches Meisterstück. Nur hätte
der farbenfreudige Künstler sich damit auch begnügen und
es nicht durch ein Riesenforinat zum Historienbilde
zu stempeln suchen sollen, dessen Grundbedingungen dieses Über-
wiegen des Beiwerks über die lebensgroßen Personen direkt
zuwider läuft. Eine mehr dekorative Wirkung erzielt auch
Rochegrosse in seinem „Wahnsinn des Nebukadnezar"
durch die grandiose Ausführung des goldgestickten Gewandes

des Königs und der an sein früheres Bild „Andromache"
erinnernden Treppe, während die Darstellung selbst weit
hinter dem zurück bleibt, was man von dem begabten
Künstler erwarten durste. (Siehe die Vollbild-Reproduktion
seines „Bauernaufstand" in Heft 3 dieser Zeitschrist.)
Eine kraftvolle Turchführung zeigt dagegen I. P. Laurens'
„Jnquisitor sTorquemada) bei den katholischen Herrschern",
welcher Ferdinand von Aragonien und Jsabella von Kasti-
lien fanatisch das Bild des Gekreuzigten entgegen streckt mit
der Mahnung, ihn nicht wie einst Judas für 30 Silber-
linge, so nun sür 30 000 Gulden, welche die spanychen
Juden für die Erhaltung ihrer Religionsfreiheit angeboten,
zu verkaufen. Erwähnt sei hier ferner das „Ende eines
Verhörs im 16. Jahrhundert" von Dawant, „der Tod
Pichegrus", der sich im Gefängnis erdrosselt hat, ergreifend
dargestellt von Moreau de Tours, die „Episode aus
den Protestantenverfolgungen" von Jules Girardet und
„Viktor Hugo auf dem Krankenbett" von Laugee. Die
neueste Kriegsgeschichte schildern, nachdem Neuville dahin-
gegangen und Detaille nicht mehr ausstellt, besonders
Beaumetz, Le Blant, Grolleron, Brisset, Janniot
und in seinem glänzenden „Kürassierangriff bei Rezonville"
A. Morot. Unter den Schilderern des Fischer- und
Bauernlebens sind Renouf („Verschlagen"), Breton
(„Erntemahl") und Jsraels („Alte Frau am Feuer")
recht glücklich vertreten. Die Sittenschilderung der Haupt-
stadt übernahmen außer dem schon erwähnten Beraud
vorzüglich Gilbert, Dantan, Pelez und Deschamps.
Ein Bild von eigenartiger Wirküng ist auch das moderne
Gegenstückzum „Ödipus", welches Geröme in seinem sinnend
der großen Sphinx gegenüber haltenden Napoleon I. gibt.
Am unentbehrlichsten ist die Autopsie wohl bei den
Porträts und Landschaften. Die Zahl ersterer, von jeher
eine Stärke des Salons, ist auch in diesem Jahr Legion.
Unter den tüchtigsten Leistungen seien neben den schon er-
wähnten von Henner nnd Duran noch die von Duez,
Besnard, Comerre, Paul Dubois, Michel Levy,
dem jungen Al. Vollon, Sohn des oben genannten
Stilllebenmalers, und das vorzügliche Porträt des Land-
schafters Damoye von R o ll hervorgehoben. Die gegenwär-
tigen beiden Hauptrichtungcn der französischen Porträt-
malerei kennzeichnen vorzüglich zwei Bildnisse Pasteurs:
das eine, von Bonnat, zeigt ihn mit seiner Enkelin als
Mann sprechend ähnlich und mit stupender Naturwahrheit; in
dem anderen, unzweifelhaft wertvolleren, sucht ihn der
junge Edelfeldt mit bestem Erfvlg gleichzeitig auch als
den Gelehrten imnitten seiner Thätigkeit zu charakterisieren.
Die glückliche Mitte zwischen beideu Richtuugen hält Jules
Lefebvre in seinem Damenporträt, welches an absoluter
Naturähnlichkeit wie trefflicher Charakteristik der ruhigen, etwas
sentimentalen Eleganz der Weltdame seines gleichen sucht.
klnter den Marine-Malern verdienen Aug. Flameug
nnt seinem Londoner Themsebild und einer Küstenszene
zwischen Havre und Honfleur, Vernier mit der Rückkehr
der Boote zu Concarneau, Haquette mit dem ergreifenden
„Mann über Bord", sowie Bondin, Bourgain,Masure,
Dauphin Beachtung. Jn der reich vertretenen eigent-
lichen Landschaft. in der jedoch gerade bei den Hauptvertretern
ein zeitweises Ermatten der Kräfte nicht zu verkennen ist,
 
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