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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber Berliner Kunstpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0011

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ein überaus schwacher ist. Es fehlt nach dieser Seite hin offenbar der An-
regung. Äusser dem Museum beschränken sich die staatlichen Institutionen
auf den Unterhalt der königlichen Academie der Künste, welche äusser den
usuellen Preismedaillen noch die Zinsen zweier Stiftungen (des Meyerbeer’schen
Reisestipendiums und des Rohr’schen Legates) an junge Künstler vertheilt.
Das königliche Institut der Porcellanmanufactur bewährt in progressivem
Fortschritt seinen alten Ruf. Das königliche Institut der Glasmalerei führt
seinen Titel nur auf Grund einer Protektion, steht aber, was seine Institu-
tionen anbetrifft, äusser jeder Verbindung mit der staatlichen Controle. Die
Verwaltung der übrigen Kunstangelegenheiten steht dem Decernate des Cul-
tusministeriums zu, während die gesammte Kunstpflege des preussischen
Staates den zum Kunstprotector ernannten kaiserlichen Kronprinzen unter-
geordnet sein soll. Der Generaldirector der Museen, Graf Usedom, steht
dem Kronprinzen als Adlatus zur Seite. Es sind in den letzteren Jahren
verschiedene grössere Ausgaben zur Förderung der Kunstinteressen nicht ge-
spart worden. Dahin ist die Dotirung des Museumsfonds, der Ankauf der
Minutolisammlung, der Erwerb des Hildesheimer Silberfundes und die Be-
willigung der Baugelder für das Gewerbemuseum zu rechnen. Dadurch hat
nun allerdings eine erhebliche Vermehrung schon bestehender öffentlicher
Sammlungen stattgefunden und haben die benöthigten Fonds entweder zu
einer Extrabewilligung Anlass gegeben oder sind aus besonderen Chatoullen
bezahlt worden. Der officiell vom Landtage bewilligte Kunstfonds, welcher
zur Disposition des Cultusministers steht, übersteigt nicht die bescheidene
Summe von fünftausend Thaleru, ein Fonds, der neben den sechzig Millionen
des Militairetats zu curiosen Ideen Anlass giebt.
Da in unserm modernen Genieindewesen die Förderung der Kunstinteressen
ganz ausserhalb der Sphäre communalen Wirkens liegt, so ist also dieselbe
lediglich der staatlichen Sorge anvertraut und hier haben wir gesehen, dass
auf Grund der politischen Verhältnisse und in Folge unseres rapiden Entwicke-
lungsganges nur ein ganz langsames Eingreifen zu erwarten ist. Bisher
als Luxusgegenstände behandelt, noch nicht als wesentlich und unumgänglich
nothwendige Factoren der Volkserziehung betrachtet, werden die Künste sich
selbst überlassen und man wendet sich mit offenbarer Vorliebe der Förde-
rung der Kunstindustrie zu. So sehr diese Initiative als solche unsern
Beifall hat, möchten wir doch vor einem »Zuviel« warnen. Denn wenn
auch behauptet wird, dass die Ausbildung kunstindustrieller Kräfte darum
höchst empfehlenswert!! sei, weil der Arbeiter emancipativ in eine höhere
Sphäre individueller Thätigkeit dadurch gerückt, und in ihm gleichsam
ein selbsständiges Capital in seinem productionsfähigen Arbeitsvermögen ge-
bildet werde, so setzt dies doch schon wieder eine Stufe künstlerischer
Bildung voraus, die den Arbeiter oft aus dem von ihm anfänglich erstrebten
Kreise wieder heraus hebt. Die gelammten Bestrebungen dieser Art ver-
danken bekanntlich der Londoner und namentlich der Pariser Weltausstellung
ihren Ursprung. Seitdem haben sich unsere kunstindustriellen Zustände
aber rapide und in sehr günstiger Weise verändert, so dass die Wiener
Weltausstellung schon bedeutend bessere Resultate aufzuweisen hat.
Ergänzend tritt auf dem Gebiete der Kunstpflege iu den meisten
grösseren Städten gewöhnlich noch die mäcenatische Beihülfe ein. Sie ent-
zieht sich aber in Berlin, wie überall, der Controle. Erfreuliches liesse
sich von dieser Stütze der Kunst gewiss auch aus der Residenz vermelden,
wenn wir hier tiefere Einsicht erlangen könnten, hier, wo dem Privat-Kunst-
 
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