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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Theaterschau
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Concertschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0250

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auf den Victoria-Brettern. Es nannte sich „Fee Million“, sonst hatte es weiter keinen
Zweck und viele Anwesende erklärten diese Zauberei für „faulen Zauber“. Die Millionen-
Fee schien übrigens derselben Ansicht zu sein, denn sie entschwebte und machte der
Wiener Gesellschaft des Director Strampfer Platz, welche mit ihren hier schon bewährten
Kräften, wie Frl. Finaly und Herr Schweighofer, ein Gastspiel beginnt, das zuerst eine
Operette Gold-Chignon von Jonas bringt.
Im Stadt-Theater gastirte Herr Sonnenthal mit bestem Erfolge in älteren
Stücken, wie „Der Marquis von Villemer“, „Aus der Gesellschaft“, „Ein Attache“ u. a.,
während das Kroll-Theater sich auf die ziemlich schwache Kohlenschulze’n stüzte, welcher
gegenwärtig die Oper folgt, die den Sommer hindurch uns das Opernhaus vergessen machen
will. Dem Vernehmen nach soll es dem Director gelungen sein, ein tüchtiges Personal
zusammen zu bringen und hoffen wir, dass die Kroll’sche Oper ihren bisherigen treff-
lichen Ruf aufrecht erhalten wird. Auch das Woltersdorff-Theater hat eine Novität
gebracht, die sich „Ein Vater auf Kündigung“ nannte; das Publicum kündigte aber dem
Vater dieses dramatischen Kindes sofort die Freundschaft völlig auf, und einige Abende
nach seinem Erscheinen schon sauste durch die Chauseestrasse ein bleicher Schatten. In
seinem Arme lag ein fragwürdiges Wesen:
Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht die Tantieme mit Mühe und Noth,
In seinen Armen das Kind war todt —
und diese Bühne, welche in nächster Zeit das schon angezeigte Hamburger Gastspiel er-
wartet, droht in süssen Schlummer zu sinken. —

Concertschau.
Die Aufführung der Schumann’schen Musik zu Goethe’s Faust fand zwar schon
„äusser der Saison“ statt, doch hätten wir keine Jahreszeit dem Werk angemessener ge-
funden, als die jetzige, wo der Winter mit dem Frühling ringt, wo Alles zu blühendem
Leben nach und nach erwacht. Recht wohl mochte die Aufführung als des Winters Grab-
geläute, mehr noch als des Frühlings Auferstehungslied gelten: sie hatte denn auch das
gesammte kunstsinnige Publicum vereinigt. Abgesehen davon, dass wir die Faust-Musik
in ihrer Vollständigkeit zum ersten Mal in Berlin zu Gehör bekamen, gestaltete sich der
Concertabend noch dadurch zu einem besonders interessanten, dass an demselben der jetzige
Dirigent des früheren Stern’schen Gesangvereins, Prof. Stockhausen, in seinem neuen
Posten debütirte. Mit welchem Erfolg, das war bei der grossen Künstlerschaft des Sän-
gers, bei der anerkannten Begabung des Dirigenten Stockhausen wohl vorauszusehen. War
die Aufgabe, die derselbe sich und den Seinen, zu denen diesmal äusser dem Gesangverein
noch die Königl. Capelle rechnete, gestellt hatte, eine nicht zu unterschätzende, gefahr-
volle, so löste sie Herr Stockhausen mit ebenso eifriger Hingebung, als geschmackvollem,
eingehendem Verständniss. Namentlich trugen die gesanglichen Leistungen durchweg ein
echt künstlerisches Gepräge, und wir können dem Gesangverein eine seiner Vergangenheit
durchaus ebenbürtige Zukunft prophezeien. Das Orchester leistete, nach den wenigen
ermöglichten Proben, das Rühmlichste, es ging überall auf die Intentionen des Componisten
ein. Nur Eines war auffallend: ein zu grosses Zurücktreten der Streichinstrumente, deren
vielsagende Tonfiguren oft genug von der Wucht der Blasinstrumente erdrückt wurden.
Wir wissen nicht, ob nicht eine allerdings von der gewöhnlichen Art abweichende Auf-
stellung des Orchesters, verbunden mit einiger Zurückhaltung Seitens der Bläser, für die
Singakademie zweckmässiger sein möchte, wenn diese doch der einzig brauchbare Raum
für ernste Musikaufführungen nach wie vor bleibt. — Last, but not least hatten sich einige
Gäste von der Königl. Oper eingefunden, nämlich Frl. Lilli Lehmann, die Herren Betz
und Diener. Ihnen schloss sich an Herr Bietzacher aus Hannover. Sie sangen Alle
mit edlem, sachgemässen Vortrag, und entzückten durch ihren Stimmenwohllaut, der sich
hier recht entfalten konnte. Auch den anderen ungenannten Solistimmen gebührt
jedes Lob.
Auf die Composition selbst näher einzugehen, mag uns in der nächster Nummer
vergönnt sein.
 
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