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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Vom Tanzen [4]
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Berichte von Nah und Fern
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0165

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fleisch-Menuet“ im 3/4-Takt, Harfen-Menuet, Jäger-, Klimper-, Es-Menuet, aber auch „Ochsen-
Menuet“, Polnisch-, Post- und Potsdamer Menuet sind nicht zu verachten, auch dann nicht,
wenn man selbst kein Potsdamer ist. Ist man heiterer Natur, ei nun, da giebt es noch
ein Vexir- und ein Windmühlen-Menuet, ohne dass damit schon der ganze Menu et-Cat al og
erschöpft ist, denn Herr Balletmeister Vigano würde uns sehr zürnen, wenn wir das nach
ihm benannte Menut ä la Vigano nicht erwähnten, und uns in gebrochenem Deutsch zu-
rufen: „Signor Dottore, Ihr grosse Papa ’aben getanzt nach meine Menuet in die Jahr
1805 und ’aben sik amüsir’ wie eine Gott!“ Ja, Menuet! die grössten Fürsten und Herren
tanzten sie, tanzten sie bei Hofe in den Ballets, so selbst der grosse Louis XIV., der das
bekannte „l’etat c’est moi“ gesagt haben könnte und wenigstens darnach handelte, er, der
im Ballet „Cassandra“ am 26. Februar 1651 zum ersten, in „Flora“ am 13. Februar 1669
zum letzten Male als Solotänzer auftrat. Bei der Hochzeit des Herzogs von Burgund er-
öffnete das junge Paar den Ball mit einer Courante; darnach tanzten der König von Eng-
land mit der Herzogin, die Königin von England mit dem Herzog, Ludwig XIV. mit
beiden genannten Damen, der Herzog von Chartres aber tanzte mit der Prinzessin von
Conti zuerst eine Menuet, dann eine Sarabande. — Diese letztere, eigentlich Zarabanda,
war spanischen Ursprungs und in Spanien üppig, nur von Frauen getanzt, bei den Fran-
zosen dagegen ernst und feierlich, in Deutschland eine Art Ecossaise, bei welcher die
Tänzer paarweise gegeneinander tanzten. Ausserdem standen auf der Tanzkarte noch
la Bourre, der zuerst um 1587 in den Strassen von Paris getanzt wurde und aus der Au-
vergne stammte, le Passepied, aus der Bretagne zur selben Zeit eingewandert, einer der
allerältesten Tänze, le Tambourien aus der Provence, la Boccane, la Duchesse, la Canaries
und viele andere, die alle im Laufe des vorigen Jahrhunderts ausgestorben sind.
(Fortsetzung folgt.)

Berichte von Nah und Fern.
Magdeburg, im März.
Sie wollen etwas über das Kunstleben in unserer alten Festung wissen? Nun, dar-
über ist zum Theil recht viel, zum Theil recht wenig zu sagen. Wenn ich nur von dem
musikalischen Interesse oder von dem musikalischen Instinct sprechen soll, so darf ich
wohl kühn die Behauptung aufstellen, dass jeder Einwohner unserer Stadt, namentlich aber
jedes weibliche Wesen ein geborner Musikus resp. Musika ist. In jedem Hause wird
Klavier gespielt, in jeder Familie gehört mindestens ein Mitglied zu einem Gesangvereine,
deren es hier eine höchst respectable Anzahl giebt. Harmonium, Flöte oder Geige bilden
wenigstens in jedem zweiten Hause ein unentbehrliches Hausgeräth, und der Gesang? Wer
singt wohl hier nicht? Diesem inneren Drange nach Musik entspricht nicht ganz die Qua-
lität der Productionen, soweit dieselben sich an die 0 Öffentlichkeit wagen. Oder soll ich
sagen: sie entspricht ihm doch? Denn das zu viel in der Musik macht nicht sehr wähle-
risch, und wo Jeder ein Künstler ist oder sein will, geht den ausführenden Kräften die
Feinheit in der Ausführung, den Zuhörern, die sich durch die Massenleistungen fast alle
zu Kritikern berufen glauben, die Feinheit des Urtheils und des Geschmacks ab und dies
wirkt wieder allmälig auf das, was die ausübenden Kräfte einem bieten, zurück. Läute-
rung des Geschmacks, Politur des unläugbar reichen musikalischen Materials, das dem Leben
unserer Stadt ein so eigenthümliches Gepräge giebt, — und ein grösseres Verständniss für
den Werth und das Wesen der Kunst — das thut meinen guten Mitbürgern Noth. Aber
ich will sie nicht schelten: denn wo wäre eine solche allgemeine künstlerische Bildung
vorhanden? Freue ich mich doch, sagen zu können: Der Mensch, in seinem dunkeln Drange,
ist sich des rechten Weges wohl bewusst.
Das zeigt sich recht bei unseren Opernvorstellungen. Man geniesst hier ausschliess-
lich das Kunstwerk selbst; in welcher Form es Einem geboten wird, darüber richtet man
nicht oder wenigstens sehr unzulänglich. Ich muss gestehen, ich hatte einen etwas ver-
wöhnten Geschmack, als ich hierher kam und zum ersten Mal hier „Figaro’s Hochzeit“
hörte. Die Räume des Stadttheaters waren gedrängt voll. Auf der Bühne wurde, so schien
es mir, frisch von der Leber weg gesungen, im Hause erdröhnte Applaus auf Applaus, der
besonders heftig war, als der Cherubim seine erste Arie gesungen, für die ich ihm wegen
seiner für mich sehr empfindlichen Detonationen eben nicht sehr danken konnte. Die
Gräfin sang zwar rein, aber jeder Ton schien mir aus einer von der Zeit sehr zerütteten
Stimme herzurühren; später erfuhr ich, dass die Dame noch sehr jung und Anfängerin sei,
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