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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Die Kunstgeschichte in der höheren Töchterschule
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Vier Christus-Compositionen [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0220

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214

Kunst liegt, und sie werden bewahrt werden vor vielem eitlen und nichtigen
Treiben.
Noch ist es nöthig, ein leicht mögliches Missverständnis« durch einige
methodische Bemerkungen zu beseitigen. Die meisten Pädagogen, welche der
Kunstgeschichte keine Berechtigung in der Schule zugestehen wollen, meinen,
es müsse dafür noch eine besondere Stunde angesotzt werden und es würde
dadurch die Ueberhäufung mit Lehrfächern noch vermehrt werden. Kunst-
geschichte kann und darf nicht als abgesonderte Disciplin auf dem Lections-
plan stehen. Da die Kunst die höchste Blüthe der Cultur eines Volkes ist,
kann sie als eine Folge der geistigen Entwicklung nur im Zusammenhänge
mit der Geschichte zum klaren Verständniss gebracht werden. Die Geschichte
ohne Hineinziehung der Kunst würde des höchsten Glanzpunktes entbehren,
und Kunstgeschichte ohne die Voraussetzung der Grundlage in der allgemei-
nen Geschichte würde interesselos sein, weil nur die Formen und nicht der
Geist, dessen Ausdruck sie sind und in dem sie ihre Quelle finden, gegeben
werden könnten.
Möchten diese wenigen Zeilen dazu dienen, die Cultivirung des Schönen
noch mehr zu fördern bei denen, die ja das „schöne Geschlecht“ genannt
werden und eine so natürliche Begabung für die Empfindung des Schönen
mitbringen. „Was ist der Mensch, ehe die Schönheit die freie Lust ihm ent-
lockt und die ruhige Form das wilde Leben besänftigt? Ewig einförmig in
seinen Zwecken, ewig wechselnd in seinen Urtheilen, selbstsüchtig, ohne es
selbst zu sein, ungebunden, ohne frei zu sein, Sklave, ohne einer Regel zu
dienen.“ (Schiller.)
Von der Gottheit meistens ausgegangen,
Muss die Kunst zur Gottheit wiedei' führen.

Vier Christus - Compositionen.
ii.
Am Umfassendsten ist die Christusidee von Franz Liszt behandelt
worden.
Der Christus von Kiel ist im Grunde eine andere Passion, beginnend
mit dem Einzuge in Jerusalem, also mit dem Anfänge der Leidenswoche,
aber erweitert durch Momente aus der Auferstehungsgeschichte und den Be-
gebenheiten zwischen Auferstehung und Himmelfahrt. Es ist dies ein Zu-
sammenfassen dessen, was die Vergangenheit, Telemann z. B., in zwei ge-
sonderten Oratorien auszudrücken pflegte.
Liszt dagegen hat die Christusidee so im Ganzen erfasst, wie sie schon
Mendelssohn vorschwebte. Sein Werk gliedert sich in drei Theile. Der
erste Theil, das „Weihnachtsoratorium“, besteht aus einer Einleitung, einem
Pastorale (Verkündigung des Engels), dem Stabat mater speciosa, dem Hir-
tenspiel an der Krippe und dem Marsch der heiligen drei Könige; letztere
beide Nummern sind Instrumentalsätze. Der zweite Theil „Nach Epiphania“
enthält die Seligpreisungen, das Pater noster, die Gründung der Kirche, das
Wunder (Seesturm) und den Einzug in Jerusalem. Der dritte Theil endlich
„Passion und Auferstehung“ zeigt vier Nummern: Tristis est anima mea
(Meine Seele ist betrübt), das Stabat mater dolorosa, die Osterhymne 0 filii
et filiae und das Resurrexit.
 
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