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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Hoffmann von Fallersleben [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0043

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Hoffmann von Fallersleben.
i.
„Zu wem die Kunde gekommen ist im Vaterlande: Hoffmann von Fallers-
leben ist todt“, der hat nicht nur, wie sonst, einen Namen gehört, dem sind
alte, ‘bekannte Züge vor das Auge getreten, Züge, die allein das Bild des
Verstorbenen in seiner rechten Bedeutung darstellen, das sind seine Lieder,
seine Volks- und Vaterlandslieder, seine Frühlingslieder, seine Kinderlieder.
Einen echteren Volksdichter hat Deutschland nie gehabt: da ist nichts von
gemachtem Wesen; man mag seine Lieder lesen mitten im Winter, da hört
man die grünen Wälder rauschen und sieht den Mai um sich blühen; weil
sie aus dem grünen Wald und aus dem Mai geboren sind, darum tragen sie
Waldesduft an sich und Maienglanz, und Tausende haben bei seinen Vater-
landsliedern nicht erst gedacht: „Da ist ausgesprochen, was mein Herz bewegt“,
—, sie haben ihm frisch nachsprechen und nachsingen müssen, als käme es
aus dem eigenen Herzen:
„Nicht in Worten nur und Liedern
Ist mein Herz zum Dank bereit!
Mit der That will ich’s erwidern
Dir in Noth, in Kampf und Streit!“
Und er hat sie nicht umsonst gesungen, die Lieder, und uns singen
gelehrt; sie haben ihr Theil beigetragen zu der Kraft, die die Feinde des
deutschen Volkes niedergeworfen hat, innen und aussen! Er hat seine Liedei'
nicht umsonst gesungen, er hat den vollen Lohn empfangen: was Hunderte
von Sängern vergebens verlangt haben, seine Augen haben es noch gesehen,
das einige deutsche Reich und den deutschen Kaiser! Und ob nun seine
Augen geschlossen sind und sein Herz nicht mehr schlagen kann für das
Vaterland: „so lange es ein deutsches Volk giebt, wird es seine Lieder singen!“
Wir konnten die nachfolgenden Zeilen mit keinen innigeren Worten einleiten,
als mit diesen, die der Superintendent Beckhaus am Grabe des Dichters
gesprochen, die in den Herzen nicht nur der Tausende, die am Freitag, dem
23. Januar, den Alten von Corvey zur Ruhe getragen, sondern im gesammten
deutschen Volke nachklingen. Ja, wir haben im Dichter des herrlichen
Liedes „Deutschland, Deutschland über Alles!“ einen Liebling des deutschen
Volkes begraben! Der Wandervogel, der einst, seine Weisen singend, durch
alle Gauen des Vaterlandes gezogen, hat seinen Liedermund geschlossen! Es
war ein bewegtes, wechselreiches Leben, das der 76jährige Greis geendet;
er hat es uns selbst geschildert, was einst der Knabe geträumt, der Jüngling
erstrebt und der Mann sich im heissen Kampfe errungen! „Mein Leben“, das
uns Hoffmann von Fallersleben vor Jahren schrieb, ist eine frische, fröhliche
und doch auch wieder bitterernste Schilderung eines Menschen- und Dichter-
lebens; der Mann, der zwei Menschenalter sah, und sie sah mit offenem,
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