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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Theaterschau
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Concertschau [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0113

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107

eben neu, aber Grillparzer hat einen tragischen Conflict ersonnen, indem er,
wohl wissend dass ein solcher durch die Geistlichkeit sehr leicht herbei-
geführt wird, die Hero zur Priesterin machte. Nebenbei macht sich das im
Drama immerhin nicht unberechtigte lyrische Element in ziemlich hohem
Gracie bemerklich, doch ist, davon abgesehen, das Stück jedenfalls als eine
der hervorragenderen Gaben der neueren dramatischen Kunst zu bezeichnen,
wenn wir demselben auch nicht so überschwenglichen Weihrauch streuen
können, wie die guten Wiener, die plötzlich den abgeschiedenen Grillparzer
vergöttern, nachdem sie ihn im Loben etwas zu sehr vergessen hatten. Ein
Fehler des Trauerspiels ist es, 'dass Hero an Leanders Leiche zu langsam
stirbt; man hält sie für todt, aber wie die bekannte Leiche auf Urlaub rafft
sie sich wieder, zweimal noch, auf, was für das Publikum störend und für die
Darstellerin sehr unangenehm ist. Erl. Meyer spielte die Hero, eine schwierige
Rolle, überall da, wo mehr das lyrische Element vorherrschte, mit reizender
Virtuosität, doch für die leidenschaftlich bewegten Scenen des letzten Actes
reichte die Kraft der vortrefflichen Künstlerin nicht ganz aus. Herr Ludwig
als Leander hatte weniger grosse Aufgaben zu lösen und den Vortheil vor
Hero, früher und prompter sterben zu können und am Ufer in blühenden
Büschen zu ruhen, was auch seine Annehmlichkeiten hat. Herr Berndal als
Oberpriester und Herr Göritz als Naukleros verdienten rühmende Anerkennung,
Frau Frieb-Blumauer (Mutter der Hero) noch extra loben zu wollen, hiesse,
um mit unserm beliebten Komiker A. Neumann zu reden „Säulen nach Athen
tragen.“ — Eine andere Novität waren „Dunkele Wolken“, die aus dem
Französischen zu uns herübergezogen waren, aus denen aber so wenig Geist
blitzte, dass es beim Publikum durchaus nicht einschlagen, noch irgendwie
zünden wollte. Die Zuschauer sahen die dunklen Wolken mit unterdrücktem
Gähnen an und lächelten erst, als sie vom Theaterhimmel verschwanden.
„Ein Pas de deux vor hundert Jahren“ kam unter dem Schatten obiger
Wolken mit zur Aufführung und wurde einige Malo wiederholt; im Uebrigen
aber galt von ihm, wie von dem miteinstudirten alten und veralteten „Jugend-
freund“ der bekannte Refrain: ’s spricht kein Mensch mehr darüber! — Die
Privat-Theater nährten sich redlich von altem Vorrath, den sie in ihren
dramatischen Scheuern gesammelt hatten. Nur im Friedrich-Wilhelm-
städtischen erschien eine etwas ramponirte Französin „Madame Turlupin“,
welche jedoch schon am zweiten Abend das Wiederkommen vergass, das
Beste freilich, was- sie thun konnte.

Concertschau.
(Schluss.)
Was hat uns nun die Saisonperiode bis Anfang Januar Neues gebracht? So
Mancherlei, für das wir dankbar sein können, abgesehen von den Kleinigkeiten an
Liedern etc., auf die wir hier nicht näher eingehen können.
Äusser den grösseren Gesangvereinen, die uns einige hochinteressante Neuig-
keiten vorführten, sind es hauptsächlich Joachim’s Quartett und Bi Ise’s Kapelle,
welche sich recht wacker bemüht haben, ihr stehendes Repertoii* zu bereichern.
Angesichts des Quatuor in Es, op. 74, von Job. Brahms, können wir uns
nicht befriedigt erklären. Der Componist zeigt sich in allen seinen Werken als
ein tiefer Denker, der aber als solcher sich leicht so sehr vertieft, dass darüber das
 
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