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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Vom Tanzen [3]
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Berichte von Nah und Fern
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0124

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muelis 6, V. 4—5, und 14—16; und im Prediger Salomo heisst es im 3. Kap.: „Auch das
Tanzen hat seine Zeit“; nur wünschen die Damen in der Regel, dass diese recht lang
sei. Wie aber gar die Tochter der Herodia als Gage für ihre Leistung im Solotanz das
Haupt Johannis forderte, ist männiglich bekannt. Viele andere Stellen liessen sich ausser-
dem noch anführen). Luther fährt fort: Aber weil e& Landes Sitte ist, gleichwie Gäste
laden, schmücken, essen, trinken und fröhlich sein, weiss ich es nicht zu verdammen; ohn’
die Uebermaass, so es unzüchtig oder zu viel ist. Dass aber Sünde da geschehen, ist des
Tanzens Schuld nicht allein, sintemal auch wohl über Tisch und in der Kirche dergleichen
geschehen.... Wo es aber züchtig zugehet, lasse ich der Hochzeit ihr Recht und Brauch
und tanze immerhin; der Glaube und die Liebe lässt sich nicht austanzen noch aussitzen,
so du züchtig nnd mässig darinnen bist.“
Das ist ein schönes und beruhigehdes Wort; also tanzen wir, so lange wir jung
sind, tanzen wir, so lange wir können, denn „des Lebens Mai blüht einmal und nicht
wieder“, auf dass wir nicht dereinst mit dem Dichter klagen müssen:
Ich habe den Lenz versäumet,
Ich habe die Jugend verträumet,
Ich habe die Liebe verscherzt!
Damit wollen wir für heute schliessen, nachdem wir die Geschichte des Tanzes in
Deutschland bis zur Mitte des sechszehnten Jahrhunderts fortgeführt haben. Ueber die
weitere, reichere Entwicklung desselben in der nächsten Nummer.
Dass im ersten Hefte durch die Worte „bis zur Vestris“ der berühmteste aller
Tanzmeister durch einen unglücklichen Druckfehler zur Dame metamorphosirt worden ist,
bitten wir zu entschuldigen.
(Fortsetzung folgt.)

Berichte von Nah und Fern.
Münchener Musikberichte.
n.
Concert.
An der Spitze des Münchener Concertlebens steht die musikalische Academie mit
10 Sinfonieconcerten, welche vom Kgl. Hof-Orchester unter Leitung der beiden Hofcapeil-
meister ausgeführt werden.
Die erste Hälfte wird von Wüllner, die zweite von Levi dirigirt, Beide aber sind
bemüht, ihr Quartal möglichst interessant zu machen. Diesem würdigen Wetteifer ist daher
mancher Genuss, wie z. B. die für München extravagante Vorführung Berlioz’scher Bruch-
stücke zu verdanken. Während nämlich auf dem Gebiete der Oper nicht nur Sänger,
Orchester und Publikum durch die kurze Wagner-Periode einen gesunden Geschmack
gewonnen haben, sind die Anschauungen über Concertmusik möglichst zopfige geblieben.
Schumann wird dort, falls er einmal in einer Sinfonie erscheint, von einem nicht geringen
Theil des Publikums als junger Fremdling mit Kopfschütteln empfangen; Liszt, Volk-
mann, Bargiel und manche Andere sind demselben vollständig unbekannt, und junge? noch
namenlose Componisten finden gar keine Berücksichtigung. Die Programme machen dem-
nach einen ziemlich monotonen Eindruck, der noch durch das Arrangement, die Solo-
piecen stets nur von einheimischen Künstlern vortragen zu lassen, ungemein vermehrt
wird. Wenn Letztere auch sehr Tüchtiges leisten, so macht sich doch bei dem so häufigen
Anhören derselben das Bedürfniss fühlbar, auch einmal eine Clara Schumann, oder Wil-
helmy, Joachim nebst Gemahlin, Rubinstein, Grützmacher etc. statt ihrer erscheinen zu
sehen, und dieses um so dringender, als die Privatconcerte von Künstlern ersten Ranges
ausserordentlich spärlich ausfallen. In den letzten Jahren waren das Trio Bülow, Singer,
Cossmann, das Florentiner Quartett und Stockhausen die einzigen nennenswerthen Gäste.
Was das Orchester anbetrifft, müssen wir den merkwürdigen Contrast zwischen Oper und
Concert constatiren, indem dasselbe, von den gleichen Capelimeistern geleitet und aus
den nämlichen Künstlern bestehend, in der Oper ganz Aussergewöhnliches und im Concert
geradezu Mittelmässiges leistet. So unglaublich dies klingt, so leicht ist’s erklärlich.
Wagner cultivirte dort nur die Oper; sein Geist ist es, der noch heute diese Künstler
beseelt und ihnen den, keinem andern Orchester eigenen genialen Flug verleiht, Im
 
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