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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Die Entstehung der Oper [3]
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Reisende Virtuosen
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0095

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89

dachten, wieder aufleben zu lassen. Aber was wusste man von der Musik
des griechischen Dramas? Und ausserdem war es ein eitles Bemühen, ein
Abgestorbenes ins Leben zurückrufen zu wollen. Alle Voraussetzungen zu
einem Drama, wie das beabsichtigte, fehlten: ein grosses, einiges Volk, ein
gemeinsames Interesse, hohe Helden, verehrte Männer. Das griechische Drama
sollte erstehen, und ein weichliches Ergötzungsgebilde kam zu Tage. Man
hatte Juno, die oberste Göttin gerufen, und es erschien ein Wesen, nicht
Weib, noch Mann — der Castrat, das eigentliche Prototyp der italienischen
Oper. Man wollte die Heldenwelt im Spiegelbilde der Bühne sehen und be-
kam statt ihrer schmachtende Schäfer und verbuhlte Weiber zu schauen.
Wie wäre es auch anders möglich gewesen! Es kann Niemand über sich
hinaus, und was nicht im Wesen des Volkes lag, das vermochte es nicht
auszudrücken. Allerlei Seltsamkeiten ergaben sich schon bei den ersten Ver-
suchen. Da man von den Dramen der Griechen, die man nachahmen wollte,
nichts kannte als die Texte, so hatte man für die musikalische Gestaltung
derselben keinerlei Vorbild. Die Musiker verstanden zwar Kirchengesänge für
den Chor, nicht aber für eine Einzelstimme zu schreiben. Obgleich wir wissen,
dass bereits Adam de la Haie 300 Jahre früher „Arien“ componirt hat, so
scheint es doch, als sei der Gesang für eine Stimme später äusser Uebung
gekommen. Marx scheint in der Beziehung noch Zweifel gehegt zu haben,
denn er will die Frage, ob früher Einzelgesang für die Bühne verwendet sei,
bei Seite lassen. Es stellten nun bei den ersten Versuchen die Florentiner
Opernväter hinter der Scene einen Chor auf, welcher die Handlung des auf
der Bühne Erscheinenden und Agirenden begleitete! Da war man thatsächlich
doch vor Bardi schon weiter gewesen, indem z. B. bei einem zu Venedig 1565
stattfindenden grossen Hoffeste auch „Zwischenspiele“, componirt von Striggio
und Corteccia, aufgeführt wurden, in denen bereits ein „unsichtbares Orchester“
die auf der Bühne acht- und fünfstimmig singenden Götter begleitete. Neben-
bei sei bemerkt, dass dies Orchester aus 44 verschiedenen Instrumenten be-
stand : 2 Gravicimbali (primitive Claviere), 4 Violinen, 1 Viola, 1 Cello, Lauten,
Flöten, Lyren, Posaunen, Hörnern, Tambourins. Alle hatten sich dem Ge-
sänge in Unisono anzuschliessen.
Die Unnatur dieser ersten Florentiner Opernversuche war doch zu ein-
leuchtend, als dass die geistreichen Männer nicht auf Abhülfe hätten denken
sollen. Dieselbe wurde zunächst durch Vincenzo Galileis berühmte Abhandlung
über alte und moderne Musik veranlasst, welches 1588 erschien.

Reisende Virtuosen.
Am Gelde hängt, nach Gelde drängt doch Alles!
Der sinnige Gemüthsmensch blickt wohl mit Wehmuth zurück in die
Zeiten, in welchen einer unserer Dichterfürsten dieses ewig wahre Wort ge-
schrieben, in die Zeiten, wo Werther und Lotte alle Gemüther aufs Tiefste
ergriffen und erschütterten. Fast will es ihn bedünken, als wolle dies Wort
zu jener Zeit gar nicht passen, als sei es für damals eine arge üebertreibung
und vielmehr ein prophetischer Hinblick auf unser Zeitalter der Dampf-
maschinen und Telegraphen.
Wir freilich kommen nur schwer noch zu einer ruhigen Einkehl’ in uns
 
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