Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstfreund — Band 1.1874

DOI Artikel:
Tristan und Isolde in Weimar
DOI Artikel:
Wanderungen durch die Berliner Gemälde-Sammlungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0278

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
272

dem die ganze Gattung der Oper im Grunde ihr Dasein verdankt, man muss sie
hören, um die ganze Hoheit und Würde eines Werkes wie „Tristan und Isolde“
schätzen zu können. In der Form ist dieser Tristan schwerer als irgend ein an-
deres von Wagner’s Werken. Es verlangt Etwas, ehe man über die Mittheilungen
dieser Musik ganz klar wird: das Orchester arbeitet ohne Rast an einer förmlichen
simphonischen Phantasie, das ungebundene Wesen der Wagner’scheu Harmonik spielt
hier einen höchsten Streich, die Melodien sind von ungewohnter und fremdartige!
Bewegung. Wer das Werk sich nicht vorher schon etwas zu eigen gemacht, der
kann beim besten Willen minutenlang ohne Eindruck bleiben, bis dann wieder ge-
wohntere Laute mit elementarer Macht an Ohr und Herz schlagen. Ich erinnere
nur an die eine Stelle der Brangäne im Anfang: „Herrin Isolde, trauteste Holde.“
Aber wer diese äusseren Schwierigkeiten der ersten Bekanntschaft überwindet, der
kann nur hingerissen in einem Werke schwelgen, dessen Wahrheit, Gluth und
Wärme die künstlerische Erziehung des deutschen Volkes gewaltig unterstützen muss.

Wanderungen durch die Berliner Gemälde-Sammlungen.
(Schluss.)
L. Sachs’s internationaler Kunstsalon ist nun in das neue Gebäude, Tauben-
strasse 34, verlegt worden. Die Eröffnung musste auf ein halbes Jahr hinausge-
schoben werden, und sind auch jetzt die für die Bilder bestimmten Räume noch
unfertig, da sie des decorativen Schmuckes entbehren, der für dieselben, u. A. den
bekannten Kaulbach’schen Fries enthaltend, projectirt ist. Der äussere Eindruck
den die Fa^ade des Hauses macht, entspricht allerdings mehr der Idee eines Tem-
pels des Merkur, indessen ist doch Sorge getragen, dass die Räume, welche dem
Apollo zum Wohnsitz dienen sollen, nach der Vollendung ein würdiges Ansehen
gewinnen werden. Wir können uns hier nicht auf eine ausführliche Besprechung
der für die Bilder bestimmten Räume einlassen, wollen aber mit Vergnügen berich-
ten, dass sie mit grosser Sachkenntniss angelegt sind, und was Höhe, Ausdehnung,
sowie zweckmässige Benutzung und Vertheilung des Lieh ts anbetrifft, alle nothwen-
digen Bedingungen erfüllen. Wir betreten zwei Säle des Souterrain mit Seitenlicht,
und zwei diesen entsprechende, im ersten Stock, mit Oberlicht. Diese Räume bil-
den vermittels durchbrochener Wände und Decke ein zusammenhängendes Ganze.
Breite, umlaufende, mit bequemen Sitzen versehene Gallerien bilden für die Ober-
lichtsäle den Standpunkt für den Beschauer, der, je nach der Grösse der Bilder,
seinen Abstand nehmen kann. In den unteren Sälen sind die beiden KolossahGe-
mälde A. v. Feuerbach’s, für die ganz bedeutende Reclame gemacht worden ist,
und die den festlichen Schmuck für die Eröffnung bilden sollen, aufgestellt.
Der Inhalt dieser Bilder, der Mythe und der alten Geschichte entlehnt, ist
der „Kampf der Amazonen“, und das „Gastmahl des Platon“. Streng genommen
ist demnach das erste nur als ein historisches Gemälde zu betrachten, da es eine
bedeutende Handlung, wenn auch der Mythe entlehnt, zur Anschauung bringt.
Die praktische Erfahrung im Bereiche der bildenden Kunst hat gelehrt, für jeden
darzustellenden Gegenstand die zweckmässige Grösse zu wählen, und dieser gemäss
die zu Gebote stehenden künstlerischen Darstellungsmittel zu verwenden. Ist der
Gegenstand ein grosser, so steht es dem Künstler frei, wenn ihm die malerische
Kraft zu Gebote steht, sinnlich fassbar zu gestalten, sich auch räumlich auszudehnen.
Wachsen die Verhältnisse über die Lebensgrösse hinaus, so schwindet das Bedürf-
niss einer realistischen Darstellung des Detail, sowie die feine Charakteristik, die
das Staffelei-Gemälde fordert, es treten andere Factoien auf, durch die sich uns der
Künstler verständlich machen soll, stylistische Bedingungen, die eine einheitliche
Wirkung des Kunstwerks zu vermitteln haben. Wer sich diese Bedingungen nicht
zu eigen gemacht hat, und im Stande ist sie künstlerisch zu verwerthen, wagt sich
nicht ungestraft an ein Kolossal-Bild, Beweis: Makart.
 
Annotationen