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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Der Kehlkopf Pauline Lucca´s und Herr Dr. Fieber
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Ueber die Baukunst [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0387

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weniger günstig gebauten Organismus oder aus der Unfähigkeit in der Beherrschung
des Muskelsystems hervorgehen. Dergleichen Mängel entstehen meist aus üblen
Gewohnheiten, welche die Gaumenhöhle verengen, anstatt sie zu erweitern, und da-
durch den edlen Klang des Tones beeinflussen, oder durch unwillkürliche Bäumung
des Zungenmuskels, welche die dem Kehlkopf entströmende Tonsäule behindert, den
richtigen Anprall zu finden. Was sonst noch hierher gehört, die Begulirung des
Gebrauchs der verschiedenen Stimmregister u. s. w., ist ein zu umfangreiches
Material, das auch nur andeutungsweise hier zu berühren, wir uns versagen müssen.
Doch, um noch einmal auf Dr. Fieber’s Mittheilung zurückzukommen, fast will
es uns scheinen, als ob sie weiter nichts bedeuten soll, als ein hübsches Compliment,
das ein wenig der Reclame ähnlich sieht. „Sie ist wieder da und ihr Kehlkopf ist
gesund!“ Diese Form ist allerdings neu. Was könnte man auch einer durch Ova-
tionen so verwöhnten Dame für Complimente machen, die sie nicht schon tausend-
fach gehört hätte. Wie verbraucht sind die poetischen Ergüsse, die sich auf die
schönen Augen, den kleinen Fuss, die Weisse und Durchsichtigkeit der Haut u. s. w.
beziehen. Das schätzenswerthe Material, auf welches uns Dr. Fieber durch die ihm
„gestatteten Beobachtungen“ hingewiesen hat, wird uns für die Folge eine sehr
reiche Fundgrube für Complimente und Reklame in dem angedeuteten Sinne bieten.
Für das „Ansingen“ berühmter Sängerinnen würde sich die Beachtung der inneren
Theile ihrer schönen Stimmorgane empfehlen, man würde sprechen von der „an-
muthigen Röthe ihrer Schleimhäute“, von der „zarten Rundung ihres Schildknorpels“,
von der „schönen Wölbung ihrer Rachenhöhle“. Der Kehlkopfspiegel würde den
reichsten Stoff, die anmuthigsten Bilder zeigen, deren Ausnutzung lyrischen Zu-
kunftsdichtern willkommen sein müsste.

lieber die Bau-Kunst.
Der ägyptische Styl.
Aegypten ist ein Land, dem seine abgeschlossene geographische Lage,
verbunden mit den die wesentlichen Lebensbedingungen ausmachenden, re-
gelmässig wiederkehrenden Naturerscheinungen der Nilüberschwemmungen,
der gewaltigen Regengüsse im Hochgebirge und der regenlosen Dürre im
eigentlichen Nilthale, einen durchaus eigenartigen Charakter verleiht. Na-
turgemäss haben sich auch der Charakter seiner Bewohner, ihre Lebensan-
schauungen, ihre staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen, ihre Wissen-
schaft und ihre Kunst, kurz, die Gesammtheit aller Lebensäusserungen in
entsprechend eigenartiger Weise entwickelt, deren gesummtes Wesen wir
von strengen Regeln und strenger Gesetzmässigkeit beherrscht sehen, so weit
das Licht der Geschichte dringt. Die grossartige Einfachheit und die un-
veränderliche Ordnungsmässigkeit aller natürlichen Verhältnisse des Landes
gab nothwendig auch dem Geiste dos Volkes jene Richtung, welche sich in
dem Festhalten an der unwandelbarsten Ordnung und in einem für einfache,
aber grossartig wirkende Schöpfungen empfänglichen Sinne ausspricht.
Wenn irgendwas, so geben die gewaltigen Ueberreste einer mächtigen
Baukunst hiervon Kunde, deren unverwüstliche Festigkeit den zerstörenden
Einflüssen von Jahrtausenden widerstanden hat und nach abermals 1000 Jahren
immer noch als ein redendes Zeugniss von dem Geiste, der sie geschaffen,
dastehen wird. In den theilweise noch heute nutzbaren Damm- und Wasser-
 
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