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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber vervielfältigende Kunst [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0148

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142

Feber vervielfältigende Kunst.
in.
Das liier beschriebene technische Verfahren führt in der Kunstsprache
die Bezeichnung „Linienmanier“ und ist das künstlerisch vollkommenste
Mittel, die Werke älterer Meister zu reproduciren. Die Kunst des Kupfer-
stechers, die malerische Wirkung wiederzugeben, zeigt sich in der Art und
Weise, wie es ihm gelingt, durch die Lagen der Linien und ihrer Kreuzungen
das stofflich Verschiedene auszudrücken, Sammet, Seide, Pelz, Haar, Fleisch;
wie er auf den Lichtflächen die Linien unterbricht, und in Punkto übergeht,
um die feinsten Nuancen auszudrücken. Wir besitzen unter den Werken
älterer und neuerer Kupferstecher technisch sehr vollendete Blätter, bei deren
Ausführung die zu grosse Regelmässigkeit der Strichlagen eine Wirkung her-
vorbringt, als ob alles auf dem Bilde Dargestellte aus einerlei Stoff bestände,
aus Metall oder Porzellan; die Gewandung ist ebenso behandelt, als das
Fleisch der Köpfe, in derselben Weise, wie die Gefässe von Porzellan oder
Metall, welche auf dem Bilde sind. Andere Köpfe sehen aus, als sollten sie
nicht die Köpfe lebender Menschen darstellen, sondern hätten zum Modell in
Holz geschnitzte und bemalte Köpfe gehabt, wie man sie in alten Kirchen
findet. Als ganz schlecht zu bezeichnen, ist die Gattung von Stahlstichen,
aus welchen das bekannte Werk „Payne’s Universum“ besteht, (Nachbildungen
der Dresdener Kunstsammlung), sowie die gestochenen Kalender-Beigaben der
letzten zwanzig Jahre. Der Stahlstich unterscheidet sich durch nichts anders
vom Kupferstich, als dadurch, dass mit denselben Manipulationen das Bild
auf einer Stahlplatte hervorgebracht wird, um beim Druck, (der Härte der
Stahlplatte wegen) eine grössere Auflage zu erzielen. An dem Abdruck selbst
ist nicht zu erkennen, ob er von einer Stahl- oder Kupferplatte abgezogen
ist. Die galvanoplastische Vervielfältigung der Platten, so brauchbar dieses
Verfahren für industrielle Zwecke auch sein mag, künstlerisch ist sie nicht
zu verwerthen, da es nur eine Verstümmelung des Kunstwerkes hervorbringt.
Nicht alle Kupferstecher haben bei Ausführung einer Platte in Linien-
manier genau das oben beschriebene Verfahren angewendet, wie man an den
erhaltenen Abdrücken genau beobachten kann. Es gab unter ihnen sehr ge-
schickte Zeichner, welche mit geübter Hand ohne vorher zu ätzen, gleich mit
dem Grabstichel an’s Werk gingen. Diese Stiche zeichnen sich besonders
durch Freiheit und Genialität aus, während bei dem sorgfältigen Disponiren
der Strichlagen und vorherigem Aetzen der Stich leicht etwas Gezwungenes
bekommt. Die Kupferstich-Sammlung des Berliner „Neuen Museums“ besitzt
unter Anderem eine ganze Folge von Probedrucken, vom ersten Aetzdruck
bis zur vollendeten Platte des Tizian - Portraits, welches Professor E. Mandel
nach Tizians Original-Gemälde gestochen hat. Es ist eine interessante Studie
und gehört zum Besten aller Zeiten. Die freiesten und genialsten Grabstichel-
Arbeiten der neueren Schule müssen wir den Franzosen zuerkennen, wie denn
diese Nation auch in Sachen des Geschmacks und der technischen Geschick-
lichkeit Mustergültiges leistet. Der Preis der guten Werke neuerer Meister
ist im Kunsthandel leider (durch die bedeutenden Unkosten allerdings gerecht-
fertigt) ein so hoher, dass es nicht jedes Liebhabers oder Kunstfreundes
Sache sein kann, sich in den Besitz einer Sammlung zu setzen, und das
grosse Publikum seinen Bedarf an Kunstsachen unter der billigen und schlech-
ten Marktwaare sucht; der „Kunstfreund“ erlaubt sich aber seinen ge-
schätzten Lesern gegenüber die Bittte, doch so viel als möglich dahin zu
wirken, dass der Markt leer bleibe. Ist es zu kostspielig, einen guten
 
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