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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Das Beste ist für Kinder eben gut genug [1]
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Ueber neue Instrumente
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0027

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21

Schüler vielleicht bereits in der Clavierschule geboten wurden,) nämlich:
Bearbeitung bekannter Melodieen. Natürlich scheiden wir hier aus eine
gewisse Sorte lüderlicher Arrangements, ferner jene für Kinderhände zu-
gestutzten Gassenhauer, jene schauerlich harmonisirten Choräle, — Alles
vielleicht recht handrecht uud leicht ausführbar aber leider auch recht wohl-
geeignet, den Geschmack von vorn herein zu verderben. — Drittens uud
endlich aber handelt es sich um Originalcompositiouen instructiven Wesens,
als da sind: ßondeaux, Sonatinen, kleine Etüden (musikalischen Inhaltes) und
characteristische Tonstücke. Allerdings ist auch hier die Spreu von dem
Weizen zu sondern, namentlich, was die sogenannten Characterstücke anlaugt;
denn viele derselben sind nichts weniger als characteristisch, sondern oft
nur färb- und ^timmungsloses Geklimper, der verheissungsvollen Üeber-
schrift spottend. Andere wiederum, welche vielleicht mit mehr Glück und
Geschick empfunden sind, berücksichtigen nicht genugsam den Standtpunkt
des Schülers in Hinsicht auf dessen technische Fähigkeit.
Es sei uns gestattet, in den nächsten Nummern d. Bl. eine Reihe
Beurtheilungen von solchen Novitäten zu geben, welche dem durch obige
Skizze berührten Gebiete angehören, und werden wir uns dabei stets von
dem Grundsatz leiten lassen: Das Beste ist für Kinder eben gut genug.
(Fortsetzung folgt.)

Ueber neue Instrumente.
Es ist in unserm Zeitalter der Erfindungen sicherlich nicht zu verwun-
dern, wenn auch die ,,Kunst der Künste“, oder wenigstens die Kunst der
Gegenwart, als welche man die Musik ohne Uebertreibung bezeichnen darf,
vom herrschenden Zeitgeist afficirt wird, wenn fort und fort das musika-
lische Material, die Instrumente, durch anschlägische Köpfe Vervollkommnung
und Zuwachs erhalten. Nicht nur die Leistungsfähigkeit der vorhandenen
Instrumente wird vergrössert, ihre Technik zu schwindelnder Höhe gestei-
gert — man denke an unsere jungen Pianisten, die Unglaubliches in vielen
Beziehungen leisten; man denke an jenen Violinisten, der im vorigen Winter
im Circus Renz den Gesang alter Nonnen auf seiner G-Saite in erschütern-
der Weise nachzuahmen wusste, man denke an dessen Collegen, Herrn
Dingsda, der in einer Fantasie: „Die Vöglein im Walde“, die geflügelten
Himmelsbewohner so meisterhaft copirte, dass ein sonst sehr „böser“ Kri-
tiker sich in den Wald versetzt wähnte. Nun, es geht nichts über Jung-
deutschland’s Kunstproductionen und die Träume eines Recensenten. Doch,
pour revenir , nicht nur die Technik der vorhandenen Instrumente
verliert sich in nebelhafte Ferne, es werden fortwährend noch neue fabricirt,
so in jeder Saison ein Vierteldutzend, wenn wir die Grenze der „Zurech-
nungsfähigkeit“ neuer Instrumente von dem Begriff der Erträglichkeit resp.
Anhörbarkeit an feststellen.
Da ist das Vitro-Cymbalino (man wolle sich nicht an die Orthographie
dieses zweifelhaften Namens stossen, die für den genialen Erfinder und Na-
mengeber überhaupt erst in zweiter Linie steht), gewiss vielen Lesern
schon unter dem Namen Glasglocken-Instrument, Euphonium u. dgl. m.
bekannt. Ich selber hatte erst im vergangenen Sommer in einer civilisirten
Stadt Norddeutschlands das Glück, diese Königin der Instrumente näher
kennen zu lernen. Die Hauptbestandttheile des Vitro-Cymbalino sind abge-
stimmte Glasglocken, unsern Butterglocken ähnlich, welche alle an einer
 
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