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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Wanderungen durch die Berliner Gemälde-Sammlungen
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Theatherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0155

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den. Aus der Spanischen Schule ist ein vortrefflich erhaltenes Bildniss in ganzer
Figur, Lebensgrösse, von Diego Velasquez (1599—1660), der erste echte den wir
besitzen. Ein mit breitem Pinsel gemaltes, sehr charakteristisch in Haltung und
Colorit sich zeigendes Bild eines Kriegsmannes aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.
Die französische Schule, Nicolas Poussin (1594—1665), Landschaft aus der römischen
Campagna, ans der Sammlung im Palazzo Sciarra zu Rom. Burkhardt und Mündler
erwähnen des Bildes daselbst (im „Cicerone“) mit folgenden Worten: „einfach herr-
liche Flusslandschaft — eines jener Bilder vom höchsten Adel der Linien, wie nur
Poussin sie geschaffen.“ Der zweite französische Meister ist ohne Namen (um
1700). Bildniss eines jungen Gelehrten.
Die Vlämische und Holländische Schule ist am stärksten vertreten, - sie beginnt
mit Lucas Jacobsz van Leyden (1494—1535). Bemerkenswerth ist eine unvollendete
Skizze von Peter Paul Rubens (1577—1640), die Eroberung von Tunis durch Kaiser
Karl V. (1535), erworben in St. Petersburg. Dann David Teniers der Sohn (1610
bis 1690). Gesellschaft von zwei Paaren bei Mahl und Musik, mit zwei Dienern.
Abraham Bloemart, ein Portrait. Cornelis Decker, Reiter an einer Schmiede und
Bergruine. Jacob von Ruisdael (1625—1681), Hütten unter hohen Eichen an einer
Brücke; in der Ferne Dünen. Dieses Bild ist eine der ersten Jugend - Arbeiten des
Meisters, während das zweite von demselben: Aussicht von den Dünen bei Overveen
aus der Zeit der vollen Meisterschaft (um 1660) stammt. Eine Klarheit der Luft,
der Perspektive und der Beleuchtung durchdringt dieses kleine poetische Bildchen,
welche nur noch übertroffen wird durch die wunderbare Behandlung des Terrains im
Vordergründe. Das Gemälde war früher im Besitz des Königs Max II. von Bayern.
Unter den Meistern der Holländischen Schule wollen wir hier nur noch zwei er-
wähnen. Reinier Nooms, gen. Zeemaun (um 1650). Meeresstrand mit Schiffen, ein
aus feinster Beobachtung hervorgegangenes Bildchen, Luft, Perspective, Schiffe,
Strand und Staffage sind so naturwahr, dass man es als eins der werthvollsten (nach
dieser Richtung hin) in der ganzen Gallerie bezeichnen darf.
Ein originelles Bild wollen wir schliesslich noch betrachten, das des Jacob von Loo
(1614—1670), Diana mit ihren Nymphen auf der Ruhe nach der Jagd. Hier zeigt
sich ein so naiver Anachronismus in Bezug auf das Costüm, wie wir es selten ge-
funden haben. Diana und ihre Gefährtinnen in Kleidern aus der Zeit des Malers, in
dunklen wollenen Strümpfen und Lederschuhen. Dabei ist das Bild sehr hübsch in
der Zeichnung und gesund im Colorit.
Die genaueste Auskunft über die neu erworbenen Gemälde giebt ein gedruckter
Katalog, welcher am Eingänge zum Oberlichtsaale käuflich zu haben ist.

Theaterschau.
Das königl. Schauspielhaus hat sich in dieser Saison einer wahrhaft rühren-
den Zurückhaltung befleissigt. Es schloss das Sauctuarium seines Coulissentempels
mit mütterlicher Sorgfalt vor allen nennenswerthen Neuerungen und bot seinen
Gästen, die aus alter Anhänglichkeit doch immer wieder kamen, ein sehr dürftiges
dramatisches Menu, dessen Gaben obenein von so zweifelhaftem Werth waren, wie
eine Baubank-Actie. Wahrscheinlich sollte das nur mit ärmlicher Bühnenkost ge-
nährte Berliner Publicum durch leckere Fleischtöpfe Schillerplatz-Aegyptens nicht
verwöhnt werden, und so erschienen zuerst Wichert’s Realisten, die aber einen
Schritt vom Wege des Erfolges thaten und vom Publicum kühl bis an’s Herz hin-
an aufgenommen wurden. Früher, als sie selbst wohl erwartet hatten, versanken
sie in den Strom Lethe, der schon so viele Opfer verschlungen hat, die Niemand
beweinte, als der tantiemengetäuschte Verfasser. Pegasus auf dem Dache war un-
tröstlich; es war Gefahr, dass er, der bekanntlich schon immer dem Schauspielhause
den Rücken kehrend auf dem Sprunge steht, flüchtigen Fusses davon eilen würde;
 
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