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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber die Baukunst [2]
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Wanderungen durch die Berliner Gemälde-Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0199

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ziegeln zu einer Rinnleiste (Sima), in welcher’ sich das Regen wasser
sammelt; Oeffnungon, die meist die Gestalt von Löwenköpfen haben, lassen
dasselbe zur Erde herabfliessen. Das schräg abfallende Dach selbst war
durch gewölbte Ziegeln aus Thon, Marmor oder Bronze gerippt; die First-
ziegeln trugen Palmetten. — Ausdrücklich sei noch bemerkt, dass Statuen
und Figuren nur an den Giebelecken verwendet wurden, keineswegs aber, wie
wir das bei modernen Bauten sehen, rund um die Krone des ganzen Tempels
Aufstellung fanden. (Schluss folgt.)

Wanderungen durch die Berliner Gemälde-Sammlungen.
A. von Werner’s Siegesbild,
von Angely’s Portraits des Kronprinzlichen Paares.
Wenn wir uns zu den Begebenheiten wenden, die im Laufe des Monats April
im Gebiete der bildenden Kunst unserer Residenz besonders in’s Auge fallen, so
müssen wir vor Allem dankend erwähnen, dass sich eine Form gefunden hat, unter
welcher es dem kunstliebenden und gebildeten Publicum gestattet worden ist, mit
dem grossen Siegesbild A. v. Werner’s in nähere Bekanntschaft zu treten. Wie all-
gemein bekannt, hatte der geniale Künstler den Auftrag zu diesem Bilde erst sechs
Wochen vor der Enthüllungsfeier der Sieges-Säule erhalten, und in dieser ganz un-
verhältnissmässig kurzen Zeit, auf eine Leinwand von 18 Fuss Höhe und einigen
70 Fuss Breite, ein Bild in voller malerischer Wirkung geschaffen. Nachdem die
Leinwand etwa zwei Monate zur Bekleidung des Schaftes der Sieges-Säule gedient
hatte, an einem für das Anschauen sehr ungünstigen Platze, wurde sie wieder herab-
genommen, um zum Zwecke der Ausführung in Mosaik nach Italien geschafft zu
werden. Dieses Intermezzo benutzt der Künstler, um sein Werk noch einmal mit
Musse durchzuarbeiten, ein Streben, welches uns zur Genüge beweist, wie ernst er
es mit seiner Kunst meint. An der Stelle, welche ihm die königliche Akademie zum
Arbeitsraum angewiesen, an welcher er die nochmalige Durcharbeitung unternommen,
im langen Saale der Akademie, wurde es nun mit Bewilligung S. M. des Kaisers
zum Besten der Kaiser Wilhelm-Stiftung dem Publicum gegen ein geringes Entrüe
zugänglich gemacht. Wenn schon der Platz, für den das Bild bestimmt, so ungünst'g
wie nur irgend denkbar zur Aufstellung eines Bildes ist, so befinden wir uns im
langen Saale der Akademie dem Werke gegenüber auch in keiner glücklichen
Situation. Wir haben keinen Ueberblick über das Ganze, da die Breite des Saales,
also der Abstand vom Bilde im günstigsten Falle, wenn man etwas Wand auf der
Rückseite seines Rockes mitnehmen will, nur etwa 12 Schritt beträgt. Ausserdem
wird der obere Theil der Malerei durch reflectirendes Licht undeutlich. Das wären
die äusseren Hindernisse, mit denen wir bei der Betrachtung des Bildes kämpfen,
haben wir uns aber „nach der Decke gestreckt“, so wirkt das Herrliche der Com-
position, das Leuchtende der geist- und lebensvollen Darstellung mit vollen Strahlen
auf uns ein.
Unter den Umständen eines im Allgemeinen mangelhaften Verständnisses, im
Besonderen aber der rücksichtslosen Kühle unseres residenzlichen Publicums Kunst-
werken höchster Gattung gegenüber erscheint es als eine Pflicht der Presse, wo
dieselbe auch Gelegenheit dazu finden mag, sich zu äussern, die volle Wucht der Be-
deutung einer grossartigen That in die Wagschale zu legen, und dieselbe stetig, mit
aller Energie niederzudrücken, um der Theilnahmlosigkeit, Blasirtheit und ästhetischen
Unwissenheit ein Uebergewicht abzugewinnen.
Wir sind jetzt eine deutsche Nation, Einigkeit macht uns stark, unsere heimische
Kunst steht auf einer hohen Stufe, gleichberechtigt, ja erhaben über der Kunst
fremder Nationen. Beginnen wir nun endlich einmal damit (Jahrhunderte lang haben
wir es versäumt), auch unsern heimischen Künstlern einen Tempel in unseren Herzen
zu bauen, rufen wir es kühn in alle Welt hinaus: „Unsere Propheten gelten in
unserem Vaterlande! Wo fänden wir denn den Mann, und wenn wir bei Tages-
 
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