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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Wilhelm von Kaulbach
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Vier Christus-Compositionen [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0187

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indem er das Hellenenthum, die reine Schönheit der antiken Form in seinem
Style heimisch machte, er wirkte in seiner Compositionsweise mehr durch
Charakteristik der grossen Form, als durch Charakteristik des Detail, dadurch
stand er der Antike näher, als der Ausdrucksweise der modernen Historien-
malerei. Den Einflüssen der modernen Stimmungsmalerei blieb er fremd, er
blieb ein deutscher Künstler, wie sein Meister Cornelius, wie seine geistes-
verwandten Kunstgenossen Schwindt, Schnorr von Carolsfeld u. A. Er war
in hohem Grade subjectiv, was genau mit der satirischen Kraft zusammen-
hängt, welche ihm eigen war. Für religiöse Bilder war seine Phantasie nicht
organisirt, dagegen war das ganze Gebiet der Sage und Geschichte seine
eigentliche Heimath. Er hatte mit grossem Erfolge sich dem Studium des
Colorits gewidmet, war ein Meister der lebenswahren Carnatur und einer
durchaus feinen, leichten und vollendeten Malweise, jedoch war die Malerei
ihm immer nur Mittel zum Zweck, zu seinen grossartigen Geistes-Acusserun-
gen. Heute ist sie das nur noch Wenigen, dem bedeutend grösseren Theile
unserer Künstlerschaft ist die Malerei Mittel und Zweck zu gleicher Zeit,
ohne jegliche Geistes-Aeusserung. Wenn auch die Staffelei - Malerei den
Realismus und das Aufbieten aller malerischen Wirkung gebieterisch fordert,
so darf doch der gedankliche Inhalt nicht darunter leiden. Darum trauern
wir um den verewigten Meister, und blicken voll Wehmuth zurück auf ein
vergangenes Leben, welches zu den edelsten aller Zeiten gehörte, dessen
schöpferische Kraft, dessen Genie erloschen, aber doch fortleben wird in
seinen Werken. Mit Stolz wird es jeden Deutschen erfüllen, dass er der
Unsre war, und wer kennt ihn nicht, den Namen Kaulbach, aus irgend einem
seiner Werke; denn sie sind populär und von einer Schönheit, die Jedem
verständlich. Freuen wir uns an dem, was er uns hinterlassen, und halten
wir sein Andenken in Ehren.

Vier Christiis-Coiiipositioiieii.
i.
Die erhabene Person des Welt-Heilandes zum Gegenstände musikalischer Dar-
stellung zu machen, ist selbstverständlich nicht neu; die sogenannten Passionsmusiken,
wie wir sie namentlich aus dem vorigen Jahrhundert in fast unübersehbarer Fiille be-
sitzen, geben den genügenden Beweis dafür. Schon lange hat sich ja die Kunst die
Aufgabe gestellt, das höchste Mysterium des christlichen Glaubens, den Erlösungstod
Jesu, dem menschlichen Gemüthe in der eindringlichsten Weise zuzuführen, und dass
die Musik, das Bibelwort durchdringend, dazu vor allen anderen Künsten geeignet
ist — wer wollte das bestreiten? Ist sie es doch gerade, die mit einer sich gleich-
sam in jedem Augenblicke selbst verjüngenden Kraft bis in die Tiefen der Menschen-
brust hinabzusteigen und die Seele mit zwingender Gewalt in eine heilige Stimmung
hinüberzuführen vermag, aus deren Grunde eine reine, gläubige Hingebung an das
ewig Göttliche hervorblüht.
Es ist hier nicht unsere Absicht, nachzuweisen, wie die musikalische Kunst
diese Aufgabe gelöst hat, auch wollen wir nicht den Zusammenhang der Passions-
musiken mit dem christlichen Cultus untersuchen. Es genüge, darauf aufmerksam
zu machen, dass die Begriffe Oratorium und Kirchenmusik häufig mit einander ver-
wechselt, oft wohl gar für identisch gehalten werden, während sie doch wesentlich
verschiedene Dinge sind. Es ist ein grosser Unterschied, wenn man von Messen,
Requiem, Tedeum u. s. w. spricht, denn sie stehen auf durchaus anderer Basis, als
 
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