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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Raff´s Symphonie "Im Walde"
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Ueber die Inscenierung klassischer Dramen
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0370

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436

beeinträchtigt. In grossartigem, breit angelegten Maassstabe fügt sich dann
als Schluss an das zweite Verschwinden der wilden Jagd das Nachtmotiv an,
jetzt den Tagesanbruch bedeutend und umspielt von lebhaft wogÄden Be-
gleitungsfiguren. Wie ein Gruss an den neuen Tag, erschallen noch einige
Takte des zweiten Hauptmotivs der ersten Abtheilung.
So haben -wir denn die ganze Zauberwelt des Waldes kennen gelernt.
Genug des Träumens und Schwärmens! Verlassen wir den duftigen Wald,
um noch lange zu schwelgen in lieben freundlichen Erinnerungen.

üeber die lusceiiirnng klassischer Dramen.
Keine Kunst ist so sehr der allgemeinen Kritik unterworfen wie die
Kunst der Bühne, keine wie sie Gegenstand eines immer gesuchten ober-
flächlichen Amüsements und einer leichtfertigen, blasirten Klatschsucht.
Man jammert heutzutage auch in sogenannten competenten Kreisen über sie
wie über eine tief gefallene, dem traurigsten Verdorben preisgegebene Schön-
heit, aber den Wenigsten fällt es ein, Hand und Fuss zu rühren, um die
Gesunkene wieder in den gepriesenen status quo ante zurückzuführen. Un-
sere Gelehrten, die Aesthetiker, Literarhistoriker und Literaten machen sich
— mit einigen glänzenden Ausnahmen •— dieses Pharisäismus leider am
Häufigsten schuldig; entweder kümmern sie sich gar nicht um die Bühne
und werden, nur gewöhnt, unsere Dramen aus Büchern kennen zu lernen,
völlig unfähig, über eine Schauspielaufführung ein Urtheil zu fällen, oder sie
stellen, mit der dramaturgischen Technik unbekannt, Anforderungen, die
keine Direction, keine Regie zu erfüllen im Stande ist. Die vielen überall
laut werdenden Klagen verhallten nicht unerhört; kaum aber hatten sich
einige Hoftheater daran gemacht, classische Dramen und ganz besonders
Shakespeare’sehe, mit vollem Aufwand scenischer Mittel auf die Bretter zu
bringen, so wurden auch schon wieder tadelnde Stimmen laut; man klagte
über opernhafte Ueberfülle der Ausstattung, man hielt es geradezu für einen
Frevel, dass Friedrich Haase nach dem Vorbilde des Charles Kean
den „Kaufmann von Venedig“ mit dem tollsten Treiben eines venetianischen
Carnevals beginnen liess, und wenn die Vorstellungen der Meininger auch
das Publicum enthusiasmirton, die Kritik wusste gleich ein „Aber“ anzu-
hängen und sprach von peinlicher historischer Genauigkeit, von „minutiöser
Antiquitäten-Detaillistik“, die über das Mangelnde der schauspielerischen
Einzelleistungen hinwegzuhelfen bestimmt sei u. s. w. Kein Wunder, dass diese
Stimmen manchen guten Vorsatz der Theaterdirectionen wieder im Keime
ersticken, und dass schliesslich doch Alles beim Alten bleibt.
Man braucht nicht zu untersuchen, warum nicht jede Bühne im Stande
ist, auch die Wünsche der bescheideneren Recensenten zu erfüllen und die
klassischen Dramen wenigstens halbwegs würdig zur Anschauung zu bringen.
Der einen fehlt es am Gelde, der andern an einer fähigen Regie, und wenn
an Decorationen, Requisiten und Costümen auch Alles geleistet werden
könnte, so fehlt es endlich an den Darstellern, unter denen zwei oder drei
gute oder wohl gar ausgezeichnete oft mehr schaden als nützen. Kennt
nicht Jeder solche Vorstellungen des König Lear oder des Wallenstein, in
 
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