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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Die Ausstellung des Vereins zur Förderung des Zeichen-Unterrichts
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Theaterschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0204

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198

Wenn wir mit dieser kurzen Besprechung demjenigen Theil unserer Leser, der
nicht durch eigene Anschauung Kenntniss von der Sache genommen, ein ungefähres
Bild entworfen haben von dem, was der Verein bisher geleistet, sowie von seinen
Zielen, so nehmen wir, in Ansehung der befriedigenden Resultate, Gelegenheit, an
dieser Stelle unser Bedauern auszusprechen, dass so gelungene Leistungen bisher
noch nicht vermocht haben, einen Einfluss auszuüben auf den traurigen Zustand des
Zeichnen-Unterrichts der höheren Lehr-Anstalten und Gymnasien. Wenn das Gym-
nasium für dasjenige Institut angesehen sein will, das die Jugend für die höchsten
Ziele der Geistescultur vorbereiten und sie denselben zuführen soll, stellt es sich
als eine nicht zu umgehende Nothwendigkeit dar, auch ästhetische Zwecke neben
den wissenschaftlichen als gleichberechtigte Factoren zu einer harmonischen Bezie-
hung zu fördern. Erscheint der studirenden Jugend oder denen, die für ihr Wohl
zu sorgen haben, ein solcher Zweck, wie ihn der Verein zur Förderung des Zeich-
nen-Unterrichts im Auge hat, zu bürgerlich handwerksmässig, so liegt es ja sehr
nahe, an diesen höheren Instituten auch höhere ästhetische Zwecke durch den
Zeichnen-Unterricht und durch einen Lehrcursus in der Kunstgeschichte anzustreben.
Am zweckmässigsten wäie ein anregender ästhetischer Lehr-Cursus, verbunden mit
praktischer Ausübung, welcher das ganze Gebiet der schönen Künste umfasste. Es
würde sich hierbei nur der Uebelstand bemerkbar machen, wo man die geeigneten
Lehrer hernehmen sollte, da ein solches vielseitiges ästhetisches Wissen und zugleich
auch Können sich nicht so leicht vereint findet. Es wäre eine sehr dankbare Auf-
gabe für den Staat, für Ausbildung der geeigneten Lehrer Sorge zu tragen, und
dann durch Aufnahme dieser fehlenden Lehrfächer eine mehr veredelnde Richtung
in der Erziehung der Jugend einzuleiten. Durch die Gewalt der Waffen sind wir
an die Spitze der Macht gelangt, durch die Gewalt des Wissens und des Verständ-
nisses edler Bestrebungen würden wir uns auch an die Spitze der Geistes - Cultur
stellen.

Theaterschau.
Endlich eine That! Das Königl. Opernhaus hat uns mit einer Novität beschenkt.
Mit einer? nein mit zweien, der ferne samumdurchhauchte Süden, der wilde rauhe Norden
wurden in’s Mittel gezogen, unsere Neugierde zu erregen, unser Verlangen nach neuen
Kunstgenüssen zu stillen, weder Kosten noch Mühe — wie die bekannte Phrase heisst —
wurde gescheut, um dem erwartungsvollen Publikum der Haupt und Residenzstadt Berlin
zu beweisen, dass unser Kunstinstitut am Opernplatz wohl befähigt ist, alle Erwartungen,
alle Anforderungen zu befriedigen — oder auch nicht. Nach Monden sehnsüchtigen
Harrens erschien sie, die bräunlich geschminkte Tochter Aethiopiens und hielt ihren Ein-
zug auf den Brettern, die, wie eine andere nicht zu verbannende Phrase sagt, die Welt
bedeuten, in ihrer ganzen morgenländischen Pracht mit eigens dazu angefertigten impo-
nirend langen Trompeten. Das war ein Schmettern und Geigen — doch davon später,
das Opernhaus hat die ganze Saison hindurch unsere Erwartungen auf das Höchste ge-
spannt, um erst ganz zum Schluss seinen Trumpf auszuspielen; gut, wir wollen Gleiches
mit Gleichem vergelten und die Besprechung der Novitäten möglichst lang hinausschieben,
wir fühlen hierzu volle Berechtigung, gilt es doch, noch andere Ereignisse zu registriren,
die uns nicht ohne Bedeutung sind. Zuerst ein Nachruf: Anton Woworsky ist nicht
mehr — Mitglied unserer Hofbühne. Fünfzehn Jahre lang diente er treu seiner Kunst,
nicht als Virtuose, nicht als Specialist, nein, als ein stets eifriger, anspruchsloser Künstler,
der keine Rolle zurückwies und keine Rolle verdarb, der überall sein Bestes gab und
deshalb auch zu den Besten zählte. Fünfzehn Jahre lang schwärmte die jüngere Damen-
welt für Anton Woworsky und schwor bei seinem göttlichen Schnurrbart, seinen himm-
lischen Zähnen, seinem entzückenden hohen G, von der schlanken Taille gar nicht zu
reden. — Das Alles wird nun zur süssen, schmerzlichen Erinnerung. Als Almaviva hauchte
der Freund der Musen seinen Schwanengesang aus — es war den vielen Verehrerinnen gegen-
übor grausam, den Mädchenherzen bestrickenden Hidalgo als Abschiedsgruss zu wählen — und
ging heim, auszuruhen auf seinen wohlverdienten Lorbeern, das Haupt umkränzt mit
Hymens Rosenketten. — Le roi est mort, vive le roi! Herr Link, bestimmt, die verwaiste
Stelle eines Spieltenors zu besetzen, kam, sang und siegte, letzteres wenigstens zum Theil.
Etwas weniger Wachtel, viel mehr Niemann, etwas weniger äussere Mache, viel mehr
 
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