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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Berichte von Nah und Fern
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Literarische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0213

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207

um so mehr, als die Schwierigkeiten, die ihm aus der Unzulänglichkeit der vorhandenen
Mittel erwuchsen, keineswegs unbedeutende waren. — Von den Darstellern gebührt die
erste Krone unbedingt der „Eva“, Erl. von Bretfeld aus Berlin, die uns hier durch ein
einmonatliches Gastspiel erfreut. Wenn wir sonst im Zweifel waren, welcher Richtung
in ihrem bedeutenden Darstellungstalent wir mehr Bewunderung zuerkennen sollten, ob der
naiv-anmuthigen oder der hochdramatischen, so haben wir an ihrer Eva eine Rolle, die
ihre ganze Persönlichkeit in Anspruch nimmt, die uns gestattet, diese beiden Elemente,
die in der Regel nur getrennt von einander getroffen werden, in glücklichster, innigster
Verschmelzung zu sehen. Beides ist Natur an ihr: die kindlich-schlauen Fragen, die sie
an den Sachs richtet, ihr schliesslicher Unwille über seine scheinbar stumpfe Verschwiegen-
heit können nicht wahrer, natürlicher gegeben werden. Dem gegenüber ihre Hingebung
an den Geliebten, ihre überströmende Dankbarkeit gegen den väterlichen Freund, auch sie
erwecken unwillkürlich in uns das Gefühl: so und nicht anders. Nur auf diese Weise,
nur durch eine so organische, lebens- und seelenvolle Vereinigung dieser verschiedenen
Charaktereigenthümlichkeiten erhalten wir die Eva den Intentionen des Dichters gemäss,
nur so erscheint Alles, was sie thut, motivirt und ihrem Wesen angemessen. Zu diesen
Vorzügen unserer Eva kommt eine herrliche, selten ausgiebige Stimme, die es der Dar-
stellerin ermöglicht, wirklich Alles zu singen, nicht nur ihre Sprache nach bestimmten
Tonstufen zu moderiren, wie dies öfter in den Meistersingern Seitens unbegabter Sänger
zu geschehen pflegt. Nicht am geringsten anzuschlagen ist endlich ihre deutliche Aus-
sprache, die, wäre sie allgemeiner verbreitet, die Misere der Textbücher verringern, wo
nicht aufheben würde. Mit herzlicher Freude begrässen wir eine so treue, jugendfrische
Interpretin der Eva, die mehr als Irgendwer darauf stolz sein darf, Wagners Schöpfungen
zum Eigengut der Deutschen machen zu helfen.
An zweiter Stelle in Bezug auf gelungene Darstellung nennen wir — den Junker —
nein, Beckmesser, der in Hrn. Weiss, dem früheren münchener Beckmesser, den denkbar
glänzendsten Vertreter fand. Je mehr Hr. Weiss uns eine überall wahre, wenn auch derb
gezeichnete Figur gab, die eifersüchtig und kleinlich den Nebenbuhler zu Falle zu brin-
gen sucht und mit diesem Streben und dessen schliesslichen Misserfolgen den ergötzlich
komischsten Eindruck macht, desto fühlbarer war der Abstand zwischen ihm und den son-
stigen Darstellern des Beckmesser, die es in der Regel nicht über eine schlechte Carrica-
tur hinausbringen. Die Magdalene des Frl. Boree reihte sich diesen beiden Rollen würdig
an, überall war die altjüngferliche Liebhaberin, die fürsorgliche, theilnehmende Freundin
unverkennbar. Hr. Günzburger aus Nürnberg war bestrebt, der schwierigen Partie des
„Sachs“ nach ihrem innersten Gehalt gerecht zu werden, seine Auffassung war durchweg
eine gediegene. Walter von Stolzing wurde von Hrn. Koloman-Schmidt vorzüglich gesun-
gen, wenn auch nicht so gut gespielt. Pogner, Kothner, David befanden sich durchaus in
guten Händen. Die übrigen Meister, die oft allzu ausgelassenen Lehrjungen thaten ein
Uebriges, um die Vorstellung zu einer „Galavorstellung“ unseres Theaters, zu einem Fest
für unser’ kunstliebendes Publicum zu machen.

Literarische Kundschau.
Die Kunst im Gewerbe. Darstellung ausgefülirter Arbeiten als: Möbel
u. s. w., nebst Originalaufnahmen kunstgewerbl. Erzeugnisse aus der
Blüthezeit des Mittelalters, herausgegeben vom Hannoverschen Archi-
tektenverein, red. von Edw. Oppler; Hannover, Cohen & Risch. 1873.
Die 4 Hefte des 2. Jahrganges dieser trefflichen, von uns schon in ihrem
1. Jahrgange freudig begrüssten und wann empfohlenen illustrirten Zeitschrift liegen
vor uns. Auch dieser neue Jahrgang zeichnet sich durch eine reiche Auswahl ge-
diegener Darstellungen von stylvollen Arbeiten architektonischen oder gewerblichen
Kunstfleisses aus, und bietet Architekten und Kunstindustriellen jeden Gewerbes
eine reiche Fülle vortrefflicher Vorbilder voll reizender, nachahmungswerther Formen
und nutzbar zu verwendender Motive. Der vielseitige Inhalt desselben verbreitet
sich über die Gebiete der Stubenmalerei, der Bildhauerkunst, des Steinmetzge-
werbes, der Kunsttischlerei, der Kunstschlosserei, der Stuck- und Gipsarbeit und
führt uns ausserdem Originalaufnahmen hervorragender Erzeugnisse der gewerblichen
Kunst des Mittelalters vor. — Eine Anzahl Beilagebogen geben Entwürfe und
Details von ausgeführten Arbeiten in natürlicher Grösse klar und verständlich wieder,
so dass Gewerbtreibende und Industrielle ohne Schwierigkeiten danach arbeiten
können. — Ein Leitartikel bringt in kurzen Umrissen eine Uebersicht über den
reichen Inhalt des Buches: Die Kunstgebilde der Töpfer in der abteilichen Stadt
Siegburg und ihre Fabrikate von J. B. Dornbusch. — Auf Einzelnes näher ein-
 
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