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die ein scharfes Benagen harmlosem Geniessen vorziehen, hat bereits eine
literarische Dame des zehnten Jahrhunderts, die ehrwürdige Nonne Hros-
witha von Gandersheim, im fröhlichen Selbstgefühl eigenen Schaffens die
richtige Antwort gegeben: „Wofern nun Jemand an meiner bescheidenen
Arbeit Wohlgefallen findet, so wird mir dies sehr angenehm sein; sollte sie
aber wegen der Verleugnung meiner selbst oder der Rauhheit eines unvoll-
kommenen Styls Niemandem gefallen, so hab’ ich doch selbst Freude
an dem, was ich geschaffen!“ Diese Freude wünschen wir Freytag weiter,
dieselbe Freude aber bereitet er uns!
Die Entstehung der Oper.
in.
War das alte Singspiel ,,Robin und Marion“*) wirklich die erste Oper
oder auch nur der Kern zu einer solchen?
Marion singt, wie ja auch eine wirkliche Schäferin singen würde, erfüllt
von ihrem Liebesglück. Der Ritter singt, von der Jagd zurückkehrend, eine
Art Ballade, - wie es einem Jäger und Ritter zur Verkürzung der Zeit, oder
um dem Gefühle der. Lust an der Natur, am Waidwerk Ausdruck zu geben,
natürlich ist. Robin singt ebenfalls, und zwar ein Liebeslied, dann eine Art
Trinklied (hier wäre Esslied richtig) endlich Tanzlieder. Auch was die Gesell-
schaft singt, ist erst nur der Ausdruck eines momentanen Lustgefühls, und
dann dient ihr Gesang dem Tanze Treske zur Begleitung. — Wir erkennen
in allen diesen Gesangsstücken nur lyrische, keine dramatische Musik. Sobald
die Empfindung der Liebe, der Jagdlust, der Freude am Mahle im Tone hat
ausklingen können, sobald das Bedürfniss nach Angabe des Rhythmus zum
Zweck des Tanzens befriedigt ist und die Handlung weiter zu schreiten hat,
— wie dürftig sie auch immer sein mag — tritt das Wort wieder ein. Kurz,
dass in dem Stücke in Rede gesungen wird, macht dasselbe gern interessanter
und mannichfaltiger, aber die Musiksätze gehören durchaus nicht zum Wesen
desselben; man könnte sie fortlassen, ohne dass es als Drama ■— falls wir
den anspruchsvollen Ausdruck hier anwenden dürfen •— irgend etwas ein-
büsste. Die kleinen ,, chansons“ sind anmuthiger Zierat, gefälliger Ausputz,
nichts weiter.
Sie haben, abgesehen von ihrem Werthe als lyrische Musikstücke und
abgesehen besonders von ihrer Bedeutung als für uns höchst wichtige Zeugen
einer längstvergangenen Zeit, keine grössere Wichtigkeit im Bühnenspiele, als
etwa unsere heutigen Couplets in der Posse oder, wenn das Beispiel nicht
edel genug erscheint, als die Musik in unsern ,,Schauspielen mit Chören“. Um
es mit einem Worte auszudrücken: die Oper ist ein Drama, dessen Sprache
der Gesang ist. In der engsten Verbindung von dichterischer und musika-
lischer Diction kann weder von einem Sprechen, noch von einem Singen die
*) Wir bemerken noch, dass dies Singspiel durch den verdienstvollen Musikgelehrten
W. Tappert aus dem Staube der Bibliothek hervorgezogen und, nachdem er die Musik-
stücke desselben harmonisirt hatte, kürzlich einem Kreise von Kunstfreunden sammt dem
dazu gehörigen Dialoge (nach dem ÄltfranzRisischen Original metrisch übertragen von
R. Fiege) vorgeführt worden ist.
die ein scharfes Benagen harmlosem Geniessen vorziehen, hat bereits eine
literarische Dame des zehnten Jahrhunderts, die ehrwürdige Nonne Hros-
witha von Gandersheim, im fröhlichen Selbstgefühl eigenen Schaffens die
richtige Antwort gegeben: „Wofern nun Jemand an meiner bescheidenen
Arbeit Wohlgefallen findet, so wird mir dies sehr angenehm sein; sollte sie
aber wegen der Verleugnung meiner selbst oder der Rauhheit eines unvoll-
kommenen Styls Niemandem gefallen, so hab’ ich doch selbst Freude
an dem, was ich geschaffen!“ Diese Freude wünschen wir Freytag weiter,
dieselbe Freude aber bereitet er uns!
Die Entstehung der Oper.
in.
War das alte Singspiel ,,Robin und Marion“*) wirklich die erste Oper
oder auch nur der Kern zu einer solchen?
Marion singt, wie ja auch eine wirkliche Schäferin singen würde, erfüllt
von ihrem Liebesglück. Der Ritter singt, von der Jagd zurückkehrend, eine
Art Ballade, - wie es einem Jäger und Ritter zur Verkürzung der Zeit, oder
um dem Gefühle der. Lust an der Natur, am Waidwerk Ausdruck zu geben,
natürlich ist. Robin singt ebenfalls, und zwar ein Liebeslied, dann eine Art
Trinklied (hier wäre Esslied richtig) endlich Tanzlieder. Auch was die Gesell-
schaft singt, ist erst nur der Ausdruck eines momentanen Lustgefühls, und
dann dient ihr Gesang dem Tanze Treske zur Begleitung. — Wir erkennen
in allen diesen Gesangsstücken nur lyrische, keine dramatische Musik. Sobald
die Empfindung der Liebe, der Jagdlust, der Freude am Mahle im Tone hat
ausklingen können, sobald das Bedürfniss nach Angabe des Rhythmus zum
Zweck des Tanzens befriedigt ist und die Handlung weiter zu schreiten hat,
— wie dürftig sie auch immer sein mag — tritt das Wort wieder ein. Kurz,
dass in dem Stücke in Rede gesungen wird, macht dasselbe gern interessanter
und mannichfaltiger, aber die Musiksätze gehören durchaus nicht zum Wesen
desselben; man könnte sie fortlassen, ohne dass es als Drama ■— falls wir
den anspruchsvollen Ausdruck hier anwenden dürfen •— irgend etwas ein-
büsste. Die kleinen ,, chansons“ sind anmuthiger Zierat, gefälliger Ausputz,
nichts weiter.
Sie haben, abgesehen von ihrem Werthe als lyrische Musikstücke und
abgesehen besonders von ihrer Bedeutung als für uns höchst wichtige Zeugen
einer längstvergangenen Zeit, keine grössere Wichtigkeit im Bühnenspiele, als
etwa unsere heutigen Couplets in der Posse oder, wenn das Beispiel nicht
edel genug erscheint, als die Musik in unsern ,,Schauspielen mit Chören“. Um
es mit einem Worte auszudrücken: die Oper ist ein Drama, dessen Sprache
der Gesang ist. In der engsten Verbindung von dichterischer und musika-
lischer Diction kann weder von einem Sprechen, noch von einem Singen die
*) Wir bemerken noch, dass dies Singspiel durch den verdienstvollen Musikgelehrten
W. Tappert aus dem Staube der Bibliothek hervorgezogen und, nachdem er die Musik-
stücke desselben harmonisirt hatte, kürzlich einem Kreise von Kunstfreunden sammt dem
dazu gehörigen Dialoge (nach dem ÄltfranzRisischen Original metrisch übertragen von
R. Fiege) vorgeführt worden ist.