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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Die Entwicklung der Symphonie [3]
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Ursprung der Siegfriedsage und die verschiedenen Bearbeitungen derselben in der alten, mittleren und neuen Literatur [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0229

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223

in die Erbschaft Haydn’s und Mozart’s hinein. Neugestaltend und neu-
schaffend schuf er in der Symphonie ein Werk, welches an die Spitze der
ganzen musikalischen Entwickelung tritt, eine Kunstform, in welchei' die
musikalischen Strömungen der Zeit gipfeln, in welcher die reine Musik zur
vollendeten Aussprache zu gelangen sucht.

Ursprung der Siegfriedsage und die verschiedenen Be-
arbeitungen derselben in der alten, mittleren und
neuen Literatur.
i.
Für den Naturfreund ist es ein gar köstliches Vergnügen, sich an dem
Duft und an der Farbenpracht einer Blüthe zu erfreuen; grösser aber ist der
Genuss des Naturforschers, die Schöpfung in ihrer geheimsten Werkstätte zu
beobachten,
„in ihre tiefe Brust,
Wie in den Busen eines Freundes zu schauen.
Nicht das Sein sondern das Werden entzückt des Forschers Auge.
Dem Freunde der edlen höheren Dichtkunst mag es ein seliges Gefühl
sein, sich ganz und voll in die herrlichen Sagendichtungen zu versenken und
die grossen Ideen auf Geist und Gemüth wirken zu lassen; aber viel höhere
Wonne gewährt es, dem geheimnissvollen Rauschen des Sagenstromes nach-
zugehen, und endlich den Quell zu finden, daraus er in unerschöpflichen
Wellen strömt.
Wir Deutschen können wohl ohne Ueberhebung sagen, dass unter allen
Völkern wenige Sagenstoffe unserer Siegfriedsage an Bedeutung und gross-
artiger Idee gleich kommen, noch weniger sie übertreffen. Dem poetischen
Werden dieser herrlichen Sage im schaffenden Dichtergeiste des Volkes nach-
zugehen, wird daher besonderen Genuss gewähren.
Die ersten Keime unserer grossen Heroensage haben wir gewiss in
grauer Vorzeit zu suchen, da unsere Urväter noch in verständnissinnigem
Bunde mit der Natur lebten und „der Dichtung zauberische Hülle sich noch
lieblich um die Wahrheit wand.“
Es ist leicht begreiflich, dass von jeher unter allen Naturerscheinungen
die Sonne und ihre belebende und erweckende Wirkung am meisten die
staunende Bewunderung des Menschen herausforderte.
Wenn die Finsterniss mit all ihren natürlichen Schauern alles Leben in
Fesseln hält, wenn die schreckvolle Nacht in der Natur die Nacht in seinem
Innern noch dunkler macht, wenn die Trostlosigkeit dieses Zustandes, in dem
die Quelle des Lebens und der ewigen Schönheit versiecht zu sein scheint,
den Menschen an die Grenzen der Verzweiflung treibt: mit welchem über-
strömenden Gefühl des Dankes und der Freude muss der geängstete Mensch
seine Blicke dorthin wenden, wo sich der Osten purpurn röthet, und ein Kampf
des Lichts und dei- Finsterniss entsteht. Und wenn das glänzende Gestirn
endlich siegreich das Dunkel durchbrochen hat und seine strahlende Lauf-
bahn beginnt, wenn vor dem entzückten Auge sich nun die Herrlichkeit der
 
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