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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Theaterschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0112

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106

Theaterschan.
Ehe wir mit wenigen Worten über die Thätigkeit des Königlichen
Opernhauses berichten, haben wir die Pflicht, uns ganz kurz mit einem
Feuilleton-Artikel der „Spenerschen Zeitung“ zu beschäftigen, der dem „Kunst-
freunde“' die Ehre erweist, aus dessen Theaterschau einige auf Herrn Wachtel
bezügliche Sätze abzudrucken, um daran allerlei passende und unpassende
Bemerkungen zu knüpfen. Gluck habe niemals gesagt, heisst es da: „das
Wort soll herrschen!“ wie wir angeführt. Nun, dann hat auch Galilei, des
grossen Musikers noch grösserer Sohn, nie gesagt: „Und sie bewegt sich
doch!“ Denn der Wortlaut des Ausspruches lässt sich nicht nachweisen. Aber
beide Männer haben mehr gethan, sie haben •— dieser wissenschaftliche, jener
Werke der Kunst geschaffen, als deren Kern man die beiden Aussprüche
bezeichnen darf. Uebrigens hat Gluck ausserdem noch jenem Ausspruche dem
Sinne nach Gleichkommendes wiederholt gesagt und geschrieben, z. B. in der
berühmten Zueignungsschrift der Alceste: „Musik (soll) nur dazu dienen, die
Figuren (der Zeichnung) zu beleben, ohne die Umrisse (das Wort) zu zer-
stören.“ Also die Dichtkunst Herrscherin! Und was bedeutet denn sein Aus-
spruch: „Wenn ich componire, vergesse ich, dass ich Musiker bin“ und der
bekannte Ausruf: „cela sent la musique?“ Auch Herder verstand Glucks
Worte, wie wir, wenn er sagt: „Gluck liess den Worten .... seine Töne
nur dienen.“ •— Ferner findet es H. D. (so ist der Artikel gezeichnet) er-
götzlich, wenn man einmal von Wachtels hohem cis, das andremal von seinem
des spricht. Hat man das Septett in den Hugenotten im Sinne, so kann man
doch des Sängers höchsten Ton — und den zu bezeichnen galt es — nur
des, denkt man an das Duett im 4. Acte, so muss man diesen Ton doch cis
nennen. ■— Wir dürfen aber den Feuilletonisten wohl ersuchen, über dem
„fortiter in re“, welches wir recht gut vertragen, nicht das „suaviter in modo“
zu vergessen und sich zu vergegenwärtigen, dass die gebrauchten Wendungen:
„Tirade — Geschwätz -— Narr — bekannte, Skandal suchende und machende
Clique etc.“ in’s Gebiet der Schimpfereien gehören, auf welches ihm zu folgen
wir durchaus nicht Lust haben.
Vqn den Opernvorstellungen sei nur erwähnt, dass Otto Nicolai’s
,,Lustige Weiber von Windsor“ nach zweijähriger Ruhe neu einstudirt und
in den Hauptrollen neu besetzt in Scene gingen. Von allen Werken dieses
talentvollen, wennschon nicht eigenartigen Componisten ist der Bühne nur
dies eine als Besitz geblieben; hätte nicht der Tod ihm so frühe das Saiten-
spiel zerschlagen, er würde derselben wohl noch manche andre Oper ge-
schenkt haben. Wie früher mit Fr. Lucca in der Titelrolle erfreute das
Werk sich jetzt mit Fr. Mailing er reger Theilnahme, auf welche auch die
Leistungen des Frl. Lammert, der Herren Betz, Fricke und Schott
vollen Anspruch machen dürfen. Die „Meistersinger“ wurden zweimal mit
Weglassung der Orgel in der Eingangsscene gegeben, welcher ein Harmo-
nium substituirt war. Diese böse Neuerung wünschen wir recht bald ab ge-
stellt, da das genannte Instrument zu schwach ist, um vom Publikum gehört
zu werden, so dass ein wesentliches Moment der Kirchenscene verloren geht.
Im Königlichen Schauspielhause wogten „des Meeres und dei'
Liebe Wellen“ von Grillparzer hin und her, wie Leander in der salzigen
Meerfluth. Das Trauerspiel selbst ist ja längst bekannt und schon vor vielen
Jahren auch in Berlin aufgeführt; nur war es jetzt gerade zeitgemäss ein-
studirt. Der Stoff an und für sich ist ja nicht tragisch, und dass einei' für
die Geliebte in’s Wasser geht, zumal wenn er schwimmen kann, ist nicht
 
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