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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Berichte von Nah und Fern
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Literarische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0291

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285

Jeder zugeben, dass es von lebhaftem Interesse ist, dasselbe kennen zu lernen, und dass
es gewiss nicht leicht war, mit so bescheidenen Mitteln eine solch gelungene und abge-
rundete Totalwirkung zu erreichen. Wir wünschen daher den Bestrebungen des wackern
Vereins „Oratorium“ und des Herrn Ratzenberger auch ferner die besten Erfolge, Die
Concerte des trefflich geschulten Bach-Vereins erfreuen sich bereits seit etwa vier Jahren
verdienter Sympathien, und lässt sich Herr Schauseil keine Mühe verdriessen, sich der-
selben in jeder Weise würdig zu machen. So sehr wir nun aber auch diese Einzelbestre-
bungen lobend anzuerkennen haben, so möchten wir doch wünschen, dass sich die Kräfte,
wenigstens zeitweise, wieder vereinigten, um wahrhaft Erquickliches leisten zu können!
Eine solche Vereinigung fand am 31. Mai statt, wo Max Bruch ein grossartiges Concert
gab, zu welchem er die getrennten Elemente brüderlich vereinigt und noch durch auswär-
tige Vereine verstärkt hatte, so dass etwa fünfhundert Mitwirkende seinem Dirigentenstab
gehorchten. Bruch, ein geborener Rheinländer, der jetzt bekanntlich in Bonn wohnt, hat
hier viele Freunde, und veranstaltete schon im vorigen Jahre in ähnlicher Weise bei uns
eine Aufführung seines „Odysseus“, die durch seine umsichtige Leitung und die ganz
vollendete Ausführung einen gewaltigen Eindruck machte. Er durfte daher der freund-
lichsten, ja einer begeisterten Aufnahme gewiss sein, als er in diesem Mai wieder kam,
um abermals ein Concert vorzubereiten. Dasselbe übte denn auch eine ähnliche Wirkung
aus, und bewährte aufs Neue sein grosses Dirigententalent. Es wurden fünf seiner eigenen
Composit.ionen, die „Rhapsodie“ von Johannes Brahms und Werke von Mozart und Gluck
meisterhaft aufgeführt, und der enthusiastische Beifall des ungemein zahlreichen Auditoriums
wollte kaum enden. Man hegt nun vielfach den Wunsch, die Stadt möge die Stelle eines
städtischen Musikdirectors wieder besetzen und Bruch dafür berufen, da man glaubt, ihm
würde es gelingen, den alten Ruhm unserer grossen Winterconcerte wiederherzustellen.
Doch es ist immerhin sehr fraglich, ob Bruch überhaupt geneigt ist, wieder eine bindende
Thätigkeit als Dirigent anzunehmen, und dann stösst es auch auf manche Bedenken, plötz-
lich einem Misikdirector, wie Tausch, der 26 Jahre hier thätig, und als Componist und
ehrenwerther Charakter so hoch geachtet ist, den Boden unter- den Füssen wegzuziehen
und gleichsam kalt zu stellen. Es dürfte aber nicht zu leugnen sein, dass höhere Rück-
sichten hier nicht äusser Acht zu lassen sind, und sehen wir mit Spannung der nächsten
Zukunft unserer musikalischen Verhältnisse entgegen. Dieselben werden ohnehin einen
wesentlichen Aufschwung nehmen, indem das Cultusministerium die Errichtung einer könig-
lichen Musikschule hier beschlossen hat, die im Anschlüsse an unsere Malerakademie
gleichsam eine Vorschule für die in Berlin bestehende Hochschule für Musik bilden soll.
Dieses neue Institut bringt jedenfalls manche neue Kraft von Bedeutung nach Düsseldorf,
und wenn die Directorstelle desselben mit der Stellung eines städtischen Musikdirectors
vereinigt würde, so könnte allerdings schon ein bedeutender Mann gefunden werden, der
diesen Doppelposten zur allgemeinem Befriedigung übernehmen möchte, was wir von
Herzen wünschen!

Literarische Rundschau.
W. Langhans. Die Königliche Hochschule für Musik in Berlin und Fr.
Chrysander’s Urtheil über dieselbe. Berlin 1874, Rob. Oppenheim.
So nennt sich eine kleine Broschüre, welche als Separatabdruck eines Auf-
satzes in der Musikzeitung „Echo“ erschienen ist, und wir wollen nicht unterlassen,
auf dieses Schriftchen um der mannigfach guten Gedanken willen hier besonders
aufmerksam zu machen. Fr. Chrysander, der bekannte Musikhistoriker, hatte in der
Allg. musikal. Zeitung die Berliner Hochschule für Musik als eine werdende deutsche
Normalschule begrüsst und ausgesprochen, dass sie in Folge ihrer Verfassung und
Besetzung befähigt sei, den Anforderungen der musikalischen Kunst unserer Zeit
nach beiden Seiten hin, in der Lehre wie in der Darstellung, genügen zu können.
Dieser Auslassung tritt W. Langhans entgegen. Er führt aus, dass eine Verfassung
augenscheinlich gar nicht existire, sondern nur ein eben so lückenhaftes und wenig
sagendes Programm wie an anderen Musikschulen; dass die Besetzung gar nicht
genügen könne, da bei der künstlerischen Ausnahmestellung des zeitigen Directors
gegen die übrigen Lehrkräfte ein Gleichgewicht der berathenden Theile gar nicht
zu erwarten, dasselbe aber doch nichts desto weniger unumgänglich erforderlich
sei; dass endlich eine von Chrysander so stark betonte Verbindung mit der Aka-
 
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