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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Die grosse Kunst-Ausstellung in der Königlichen Akademie zu Berlin
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Der Kehlkopf Pauline Lucca´s und Herr Dr. Fieber
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0384

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realistisches Streben. Nach dieser Richtung hin ist auch R. Neumann’s Wallen-
steinischer »Soldat eine glücklich gedachte Figur.
Reizende Studienköpfe sind F. Hartzer’s neapolitanischer Fischer knabe und
römischer Hirtenknabe. M. Otto’s „Centaur und Nymphe“, ein Thema, welches
von Bildhauern mit besonderer Vorliebe ausgebeutet wird, kommt im lebensgrossen
Gypsmodell sehr glücklich zur Erscheinung, während F. Reu sch in sehr anmuthiger
Weise Psyche mit Cerberus zusammenführt, dem sie in naiv ängstlicher Weise einen
Kuchen anbietet. Reizend ist der Amor mit dem Cürassierhelm, ebenso humoristisch-
satirisch gedacht, wie prächtig in Marmor ausgeführt. A. Selbach’s Mädchen
an der Muschel horchend, giebt durch dieses unschuldige Vergnügen Gelegenheit
zu einer reizend graziösen Haltung. Betrachten wir noch die Büsten in gebranntem
Ton von M. Wiese, in Renaissancetracht, in denen sich eine unübertrefflich feine
Formengebung zeigt, sowie den Zinkabguss des Pagen mit dem Pokal, der mehr
malerisch gedacht ist, aber von vortrefflicher Wirkung, so bliebe wohl noch manches
Schöne und Werthvolle, dessen Erwähnung uns aber der Raum nicht mehr gestattet.
Nur einiger Porträtbüsten sei noch gedacht, die einer besonderen Hervorhebung
verdienen. Diese sind von E. Enke, R. Schweinitz, E. Steiner und A. Wolff,
meist Porträts hervorragender Persönlichkeiten.
Hiermit beschliessen wir unsere Besprechung der diesjährigen Kunst-Aus-
stellung und verabschieden uns von den geehrten Lesern und Leserinnen mit dem
Wunsche, dass unser Urtheil, wenn auch nicht immer mit dem ihren übereinstim-
mend, so doch im Allgemeinen der Sache angemessen erscheinen möge, dass so
mancher Hinweis nicht unwillkommen, und wo Belehrung gesucht wurde, ein An-
haltepunkt gefunden werden möchte.

Der Kehlkopf Pauline Lucca’s und Herr Dr. Fieber.
Wir entnehmen der Berliner Tribüne vom 21. November folgende Mittheilung
„Der Kehlkopf der Pauline Lucca ist der Gegenstand einer wissenschaft-
lichen Darstellung für einen Wiener Arzt geworden, dem die berühmte Sängerin
bei ihrer Rückkehr in die Vaterstadt jenes edle Organ zur genauesten Besichtigung
durch den Kehlkopfspiegel anvertraut hat. Der Arzt, Dr. Fr. Fieber giebt das
Resultat seiner Untersuchung wie folgt wieder:“
„Gleich bei dem Anblicke der Gaumenhöhle fällen dem sachkundigen Be-
schauer die Geräumigkeit derselben, die ausserordentliche Symmetrie (welcher nur
die extirpirte Tonsille etwas Eintrag thut) und die Energie, mit welcher sich beim
Anschlägen eines Tones das Gaumensegel hebt, besonders in’s Auge. In einem so
günstig formirten Raume können die Schallwellen, welche dem Kehlkopfe ent-
strömen, sich mächtig verstärken, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass das
schöne Au- und Abschwellen des Tones, welches wir bei Frau Lucca bewundern,
zum Theil in der Thätigkeit der- vortrefflich geschulten Gaumenmuskulatur seine
Erklärung findet. — Der Kehlkopf selbst ist klein und zierlich, doch sind seine
einzelnen Theile ungemein ausgebildet und entwickelt. Die sogenannten wahren
Stimmbändei’ (der eigentliche Motor der Stimme) präsentiren sich schneeweiss und
haben wenig von dem bläulichen Schimmer, welchen sie bei Damen gewöhnlich
zeigen. Bei Frau Lucca sind diese Stimmbänder etwas kürzer, als ich dieselben
wohl sonst bei Sängerinnen zu beobachten pflegte, dafür aber sehr stark und
kräftig, und hinsichtlich ihres muskulösen Antheiles von der Natur sehr reichlich be-
dacht. Im Ruhezustände (d. i. bei ruhigem Athmeu, während kein Ton angegeben
wird) sind sie von den sogenannten falschen Stimmbändern zum Theile bedeckt;
beim Anschlägen eines Tones zeigen sie sich in ihrer ganzen Breite und Stärke.
 
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