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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Zur Erinnerung an Winckelmann
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Das Beste ist für Kinder eben gut genug [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0026

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den Staub des Gelehrten von sich, tritt mit den hervorragendsten Künstlern
in freundschaftliche Beziehung, beginnt unter der Leitung Oesers, den wir
aus den Mittheilungen seines späteren Schülers Göthe so gut kennen, nach
der Antike zu zeichnen; kurz, sein ganzes Leben gewinnt eine andere
Gestalt. Wie die Dichter jener Zeit das Joch der französischen Regeln
abzuschütteln suchten, so fühlte er gegen die Unnatur und Unsittlichkeit
der französischen Roccoco die entschiedenste Abneigung; Rückkehr zur Antike
wurde ebenso für die bildende Kunst wie für die Poesie als das Heilmittel
betrachtet. So erschienen im Jahre 1754 Winckelmauns »Gedanken über
die Nachahmung der griechichen Werke in der Malerei und Dichtkunst,«
Durch diese epochemachende Erstlingsschrift wurde er der Führer der Rich-
tung in Deutschland, welche in dem reinen Kunstideal des klassischen
Alterthums den Leitstern der gesammten modernen Poesie und Kunst er-
blickte.

Das Beste ist für Kinder eben gut genug.
Von dem reichen Vorrath der Unterrichts- und Bildungsmittel für die
kleinen Leute, die Kinder, macht das Material für Clavierspiel und für
Gesang einen ansehnlichen Theil aus. Da der letztere Zweig der Musik ein
obligatorischer Unterrichtsgegenstand in unseren Schulanstalten ist, so
herrscht in dem darauf bezüglichen Uebungsstoff schon längst eine syste-
matische Ordnung. Es existiren zahlreiche Liedersammlungen für Schulen,
kundige Hände trafen die Auswahl, neuere Auflagen schieden aus was nicht
mehr zeitgemäss, was verklungen ist; genug, der Gesanglehrer in der
Schule braucht nicht erst lange zu prüfen und zu sichten, denn auf den
Inhalt besagter Sammlungen, welche zumeist aus dem unversiegbaren Born
des Volksliedes schöpften, lässt sich fast durchweg anwenden: das Beste
ist für Kinder eben gut genug.
Der Clavierlehrer hingegen muss sich Alles selbst zusammensuchen, was
zur event. Erweiterung des Pensums an den geeigneten Stellen in die
Cla vierschule einzustreuen ist, und was derselben im logischen Anschlüsse
folgen kann. Freilich giebt es sogenannte „Wegweiser auf dem Gebiete
der Clavierliteratur;“ allein dieselben behandeln die ersten Stadien desgCla-
vierspiels allesammt etwas stiefmütterlich und leiden ausserdem in so fern
immer an einer gewissen Einseitigkeit, als sie vorzugsweise Verlagsartikel
derjenigen Handlungen rubriciren, in denen sie selbst das Licht der Welt
erblickten.
Tritt nun der Lehrer selbstständig und mit der Absicht, nach eigenem
Ermessen zu wählen, an den grossen Vorrathstisch heran, so wird er be-
ziehentlich des Werthes und der Tendenz des zu Prüfenden (natürlich ab-
gesehen von der den einzelnen Stufen entsprechenden verschiedenen Schwie-
rigkeit) merkliche Unterschiede gewahren. Im grossen Ganzen dürfte sich
das Material (in der ausgesprochenen Hinsicht) in drei ^Gruppen zerschei-
den. Die eine bietet Musikalien, welche ausschliesslich die technische Aus-
bildung bezwecken, blosse Fingerübungen, vielleicht formell abgerundet, aber
eines eigentlichen musikalischen Inhaltes gänzlich entbehrend. Ob zwar nun
diese Gattung seine volle Berechtigung hat und bei einem gewissenhaften,
methodischen Unterricht unentbehrlich ist, so vermag sie doch den musi-
kalischen Sinn des kleinen Spielers weder zu wecken noch zu bilden. Dies
geschieht schon mehr durch eine zweite Art von Tonstücken, (wie sie dem
 
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