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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Literarische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0042

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Literarische Rundschau.
Tägliche Studien für das Pianoforte von Carl Tausig, nach dessen Anwei-
sung und Manuscripten gesammelt und stufenweise geordnet, mit einer Anleitung ver-
sehen und herausgegeben von H. Ehrlich, — Berlin, M. Bahn’s Verlag.
Wenn der allzufrüh verschiedene Meister Tausig, dessen Namenstag vor wenigen
Wochen all seine Freunde auf’s Neue an die Unsterblichkeit seines Verlusts gemahnte,
sich schon durch seinen »Gradus ad Parnassum« und sein »Wohltemperirtes Clavier«
vor der ephemeren Bedeutung des Virtuosen wahrte, so hat er sich unzergängliche
Lorbeeren, ein Denkmal glanzvollster Art in seinen jetzt erschienenen »Täglichen Stu-
dien« geschaffen. Dieselben legen noch mehr, als jene Werke, Zeugniss davon ab,
wie sehr Tausig bahnbrechend und erweiternd auf dem Gebiet des Clavier^piels vor-
gedrungen ist, und gewähren dem clavierspielenden Publikum ein Studienmaterial, wie
es instructiver, umfassender, bündiger bisher nicht geboten ist. Die »Studien«, deren
Herausgabe, Anordnung, und wie wir hören, auch Erweiterung wir dem Freunde des
Verstorbenen, dem bewährten H. Ehrlich zu danken haben, sind ganz dazu angethan.
dem Spieler Etwas von jener unfehlbaren Sicherheit, welche Tausig’s ausschliesslicher
Besitz war, beizutragen; überall siebt man, wie sie darauf hinzielen, vollständigste
Vertrautheit mit dem Instrument, als nothwendige Grundlage für die Reproduction
unserer Meisterwerke zu gewähren.
„Angereihte Perlen“ aus „Die Walküre“ von R. Wagner für Pianoforte von
Alb. Heintz. 3 Hefte. — Mainz, B. Schott.
Es gehört heutzutage zum bon ton, über Wagner »mitreden« zu können, und
ihn, je nachdem es Mode oder Clique mit sich bringt, aus irgend welchen Gründen zu
verdammen oder zu vergöttern. Ergötzlich ist oft eine Vergleichung der Beurtheilun-
gen, die Wagner’s Werke und jetzt vornehmlich der »Ring der Nibelungen im Publikum«
erfahren, die alle für das vollkommendste Interesse an den grossen Schöpfungen des
Meisters bürgen, die aber von wirklichen Verständniss derselben herzlichwenig merken
lassen.
Das letztere, besonders nach der musikalischen Seite hin, zu fördern, hat sich Herr
Heintz in seinen »Angereihten Perlen« angelegen sein lassen, Sicher ist es dankens-
werth, Excerpte aus musikalisch-dramatischen Werken einmal in organisch-gegliederter
Form, nicht in der potpourrihaften, jedem künstlerischen Gefühl hohnsprechenden Zer-
stückelung angelegt zu sehen. Die »Angereihten Perlen«, von denen uns die drei Hefte
der/»Walküre« vorliegen, enthalten, so zu sagen, eine gedrängte Uebersicht des musika-
lischen Theils des Dramas, geben dessen Hauptmotive in logischer Reihenfolge, da-
zwischen längere, lyrische Episoden unverkürzt, und bilden durch ihre verständliche
Gliederung, durch ihr geschicktes, einfaches Arrangement, neben der Lectüre des Text-
buches eine ausgezeichnete Vorbereitung für das Verständniss der Wagner 'sehen Ton-
dichtungen.
Die Glanzpunkte des Drama’s, hier speciell das »Liebeslied« im ersten Act, Brun-
hildens Todverkündung an Siegmund im zweiten, endlich der Walkürenritt mit dem in
allen bisherigen Arrangements dieser echt nordischen Schilderung fehlenden, schön ver-
klingenden Schluss, endlich Wotan’s Abschied und Feuerzauber, der ja auch die Perle
des letzten vom Meister dirigirten Berliner Concerts bildete und der zu den begeistertsten,
zauberhaftesten Dichtungen der Wagner’schen Muse gehört, all diese Scenen haben vor-
zugsweise. verdiente Berücksichtigung von Herrn Heintz erfahren. Wir hoffen, bald
der Fortsetzung dieser »Perlen» zu begegnen, und werden nicht verfehlen auf dieselben
zurückzukommen.
Im Verlage der Nicolai’schen Buchhandlung (A. Effert und L. Lindner) erschienen
die photographischen Nachbildungen der Kaulbach’schen Cartons zu Shakespeares
Dramen. Es ist bisjetzt eine Serie von 9 Blatt, welche jedenfalls fortgesetzt wird,
wenn neuere Copositionen des Meisters der photographischen Nachbildung zur Dis-
position stehen. Zu Macbeth und König Johann erschienen je drei Blatt, zum Sturm
zwei, und zu Julius Caesar ein Blatt. Nach einigen dieser vortrefflichen Cartons er-
schienen bereits Kupferstiche im Kunsthandel, die Stiche sind durch photographische
Nachbildung reproducirt und stehen ausserhalb des gesetzlichen Schutzes.
Vorstehendes Werk bringt uns die photographische Vervielfältigung der von des
Meister’s Hand gezeichneten Cartons selbst und hat dasselbe schon deshalb einen höhern
Werth, weil es eine directe Wiedergabe Kaulhacli’scher Factur bringt. Die Aus-
stattung des Werkes ist eine saubere und elegante, in Mappenform und kann dasselbe
seines tiefen kunstsinnigen Inhaltes wegen nicht genug empfohlen werden. Es.verdient
ganz besondere Berücksichtigung, und sprechen wir die Hoffnung aus, dass es eine recht
weite Verbreitung finden möge.

Druck von Carl Jahncke (Franz Jahncke) in Berlin, Klosterstrasse 64.
 
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