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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Vier Christus-Compositionen [1]
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Ueber Gesangvereine [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0191

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begleitendes Element; so namentlich in dem wahrhaft prächtigen Chore: „Mein Jesus
stirbt, die Felsen beben“, der erst als einfacher Choral — Wer nur den lieben Gott
lässt walten — dann als Cantus firmus mit Fuge auftritt.
Diese allgemeinen Betrachtungen mögen hier genügen, auf nähere Einzeln-
heiten werden wir bei der Betrachtung des Liszt’schen Christus zurückkommen.

Ueber Gesangvereine.
in.
Es erübrigt noch, nachdem wir die Thätigkeit der beiden numerisch
grössten Gesangvereine Berlin’s besprochen haben, ein kurzer Seitenblick
auf diejenigen Gesangvereine, die, wenn auch in keiner Weise so weit her-
vortretend, dass sie nicht entbehrt werden könnten für das öffentliche Kunst-
leben, doch in kleinerem Maasstabe den Bestrebungen der beiden grossen
Vereine nachzueifern sich Mühe geben, also hauptsächlich die Aufführung
grosser chorischer Werke mit Orchesterbegleitung bezwecken. Es mag hart
klingen, wenn die Berechtigung zur Existenz dieser Vereine in Frage gestellt
wird; es ist deshalb nöthig zu betonen, dass es sich nur um die künstleri-
schen Kundgebungen derselben nach aussen hin handelt, dass ihre Thätigkeit
im eigenen Hause sich also jeder Beurtheilung unsererseits entzieht. Lobens-
werth an diesen Vereinen, — wir schliessen auch den Cäcilien-Verein unter
Direction des Herrn Alexis Holländer mit ein in diese Kategorie, —• ist
thatsächlich'die Opfer Willigkeit, mit welcher Dirigent wie Vereinsmitglieder
sich der Mühe unterziehen, grosse, selten zu Gehör kommende, aber von
Grund aus zu studirende Werke zur öffentlichen Vorführung vorzubereiten.
Die Mühen sind bei kleinen Vereinen notorisch um so grösser, als einmal die
Anzahl der wirklich musikalischen Mitglieder geringer ist, der Ballast für
diese also verhältnissmässig schwerer wiegt, als in grossen Vereinen, zweitens
aber grosse Klangwirkungen ungleich leichter mit einem numerisch starken
Chor zu erzielen sind, als mit einem von geringer Stärke. Daher ist es denn
oft kaum zu verwundern, wenn nach einem stattgehabten Concerte solcher
Vereine «der objectiv beobachtende Zuhörer eine starke Dosis „verlorner
Liebesmühe“ zu constatiren hat. Nun ist es doch aber unzweifelhaft richtig,
dass nicht allein das „Was“, sondern vornehmlich erst das „Wie“ einer
Musikaufführung den Approbationsstompei für künstlerische Bedeutung auf-
drückt, und deshalb glauben wir, dass trotz alldr Anerkennung für die interne
Wirksamkeit solcher Vereine ihnen ein Einfluss auf das öffentliche Kunst-
leben kaum zugesprochen werden darf. Ja, streng genommen, kann ein
Einfluss, aber ein schädigender nachzuweisen sein, insofern durch ungenügende
Darstellung einem neuen Werke dem Publicum gegenüber ein unendlich
schwieriger Stand geschaffen wird, da leicht Vorurtheile damit geboren
werden, welche, werden sie nicht baldmöglichst durch eine nach allen Seiten
hin vollendete Vorführung desselben Werkes beseitigt, erfahrungsgemäss für
die Folgezeit bis zur Unheilbarkeit anwachsen. Das Vorurtheil spielt ja in
Berlin, wie kaum in einer andern Stadt eine Rolle von Bedeutung, davon
wissen die modernen Componisten ein Liedchen zu singen, wir müssen des-
halb im Interesse der Kunst und der schaffenden Künstler wünschen, dass
Novitäten mit möglichster Vollkommenheit aufgeführt werden und dazu reichen
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