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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Berichte von Nah und Fern
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Literarische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0332

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H. Werner, Toussaint und viele Andere bewährten auf diesem Gebiet den guten Ruf
der Düsseldorfer Schule, der in der Landschaftsmalerei eine noch reichere Vertretung
fand. Jacobsen, Flamm, H. Krüger, G. Fuhrbach und C. Irmer wollen wir nur
namhaft machen, da es uns zu weit führen würde, Alle zu nennen, die es verdienten.
Dass Marine, Architektur, Stillleben und Thierstück auch nicht fehlten, versteht sich
eigentlich von selbst, dass aber sogar sechs plastische Werke vorhanden waren, ist ein
erfreulicher Fortschritt und ein Beweis, dass die Bildhauerschule, die vor zehn Jahren an
der hiesigen Akademie errichtet wurde und die unter des Professors August Wittig-
ausgezeichneter Leitung steht, schöne Früchte trägt. H. Geissler, der zwei gute Marmor-
Reliefs ausstellte, gehört allerdings nicht zu den Schülern dieses Meisters, dagegen ver-
danken C. Müller (ein Sohn des Historienmalers und Professors Andreas Müller), Leo
Müsch und Georg Neumann ausschliesslich ihm ihre Ausbildung, und haben wir beson-
ders des letzgenannten Künstlers reizende Gruppe „Mutter und Kind“ lobend anzuerkennen.
— Professor Steifensand und J. Kohlschein hatten treffliche Kupferstiche eingesandt
und die hier bestehende grosse xylo graphische Anstalt von R. Brendamour hatte meh-
rere vorzügliche Holzschnittproben beigesteuert, so dass der Besuch der Ausstellung wohl
hätte befriedigen können, wenn die Beleuchtung nicht gar so ungünstig gewesen wäre!

Literarische Rundschau.
Otto Tiersch, Elementarbuch der musikalischen Harmonie- und Modulationslehre. Zum
unterrichtlichen Gebrauche in Musikinstituten, Seminarien u. s. f. und zur Aufklärung
für jeden Gebildeten. Berlin, 1874, Verl. v. Robert Oppenheim.
Seit Gottfried Weber’s „Versuch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst“,
welche zu Mainz von 1817 bis 1821 und im Jahre 1831 noch einmal in dritter Auflage
erschien, ist auf dem Gebiete der Harmonie- und Modulationslehre zwar viel gethan worden,
über Weber hinaus aber so gut wie nichts.
Wir brauchen hier nicht weiter zu erörtern, wie sich in der musikalischen Kunst nicht
die Praxis aus der Theorie herausbildet, sondern umgekehrt immer erst aus den lebendigen
Fortschritten des Kunstschaffens die bisherigen theoretischen Regeln modifizirt und erwei-
tert, verworfen und neugebildet werden; wir setzen das als allgemein bekannt voraus.
Wenn wir darnach aber in’s Auge fassen, dass sich seit Gottfried Weber, also seit circa
einem halben Saeculum auf dem Gesammtgebiete des musikalischen Schaffens ein gänzlicher
Umschwung vollzogen hat, so müssen wir zugestehen, dass die musikalische Praxis den
theoretischen Apparat weit hinter sich gelassen hat. Sicher ist, dass die „harmonischen
Ungeheuerlichkeiten“ der verketzerten Zukunftsmusiker bis dato noch immer als ausserhalb
der musikalischen Gesetze stehend betrachtet worden sind — d. h. von Seiten der Zunft-
Genossen, die es nicht versäumten, auch dem grossen Publicum durch Wort und Schrift
diese Ansicht aufzudringen. Trotz aller Anathema’s haben indessen Tannhäuser, Lohengrin,
die Meistersinger die Runde um die Welt gemacht und erzielen überall, wohin sie kommen,
volle Häuser, während es die Werke ihrer Verächter, die in den musikalischen Gesetzes-
wegen wandelnd, so hoch über ihnen zu stehen meinen, kaum einmal zu einem ephemeren
Erfolge bringen können.
Daraus ergiebt sich zunächst, dass ein Buch wie das vorliegende schon lange noth-
wendig gewesen ist, dass die landläufige Redensart von dem dringenden Bedürfniss ihm
gegenüber nicht als Phrase, sondern als eine Wahrheit erscheint. Die Miene der Unfehl-
barkeit, mit welcher die Anhänger der alten musikalischen Principien alle Bestrebungen der
neueren Zeit verurtheilt haben und die doch durch deren grossartige Erfolge nach allen
Seiten hin Lügen gestraft worden ist, musste den Kunstjünger schon lange stutzig machen.
Er sah das Material dessen, was sich in die bisherigen Regeln nicht einfügen wollte, berge-
hoch anschwellen; das Mögliche überwucherte das Gesetzmässige derartig, dass er sich
schon lange nirgends mehr Rath holen konnte. Und warum? Weil die immensen Fort-
schritte der physikalischen Wissenschaften von vielen Lehrern der musikalischen Theorie
ingnorirt wurden, oder sagen wir,s gerade heraus: Helmholtz, Hauptmann u. A. wurden
als grosse Männer angestaunt, ihre wissenschaftlichen Untersuchungen als Grundlage für
die nothwendig gewordene Erweiterung der musikalischen Theorie gar nicht verstanden.
Der Kunstschüler stand vor ihnen wie vor einer Sphinx, die ihm unlösbare .Räthsel. auf-
giebt; mit allen Fasern klammerte er sich an die überkommenen Weisheiten seines Meisters
und stemmte sich mit Hand und Fuss gegen die „Zukünftler“. _ Und unbewusst fanden
deren harmonische Ungeheuerlichkeiten auch bei ihm Eingang, unwillkürlich kamen sie ihm
 
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