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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Concertschau [3]
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Vom Tanzen [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0162

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und Henselt eine vortreffliche Basis zum weiteren Ausbau ihres künstlerischen Strebens
erworben hat; aber noch ist sie weder einer Bach’schen Buge, noch der Cmoll-Sonate
op. 111 von Beethoven gewachsen, sowohl in Hinsicht der Kraft und Energie, als in Be-
zug auf seelische Belebung des Tones. Hr. Rappoldi errang in diesem Concerte mit dem
Vortrage der Amoll-Sonate von Tartini wohlverdienten, stürmischen Beifall.
In drei Concerten bewährte Hr. J. Stockhausen seinen alten Ruhm als tüchtiger
Gesangmeister, obwohl die Jahre nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind. Gleichzeitig
führte er einen jungen Musiker, Hrn. Julius Röntgen, ein. Dieser zeigte sich als ein
schätzbarer Pianist und als ein überaus leidenschaftlicher Componist, denn er überschüttete
das Publikum förmlich mit eigenen Compositionen. Das mag nun Alles recht schön und
gut sein, würde vielleicht auch den Dank der musikalischen Welt verdient haben, wenn
in diesen Compositionen eine fertige künstlerische Persönlichkeit hervorgetreten wäre.
Offenbar ist der junge Mann aber noch nicht über die Zeit der Studien hinausgekommen,
und er blickt später vielleicht selbst lächelnd auf diese gar zu übereifrigen Versuche,
schon jetzt einige Bröcklein von dem Componistenlorbeer erhaschen zu. wollen, zurück.

Vom Tanzen.
(Fortsetzung.)
König Franz I. von Frankreich, der Re galantuomo seines Jahrhunderts, welcher in
der Schlacht von Pavia so glorreich gefangen wurde, hielt sehr auf den Tanz und arran-
girte an seinem lustigen Hofe schöne Tanzfeste, aber er wurde noch weit übertroffen durch
Katharina von Medicis bluthochzeitlichen Andenkens, die in ihren jüngeren Jahren sich
weniger um Politik und Kirche, als um Vergnügen und Ballsaal kümmerte. Sie hat das
unsterbliche Verdienst, zuerst Bälle, Ballets und Maskeraden in Frankreich aus Italien
eingeführt zu haben, und da nun diese Freuden schnell ihren Weg nach Deutschland
fanden und in beständiger Blüthe blieben, so hätten unsere tanzlustigen Herren — ach,
ihrer sind leider so wenig! — und die „tanzbaren“ Damen, die unsere Salons mit ihren
Engelsgestalten zum Paradiese machen, allen Grund, der blutdürstigen, tanzfreudigen
Kathi eine köstliche Statue in dankbarer Erinnerung zu errichten, denn wo wäre ohne sie
der Ball! Vielleicht harrte er noch seines Columbus, der ihn entdeckte; es gäbe keine
Quadrillen, keinen Cotillon, keine Bouquets, keine Ballconversation, keine süsse Gegen-
wart und theure Erinnerung — Heil Dir, tanzbeförderthabende Katharina!
Meine schönen Leserinnen wissen, was „der erste Ball“ ist und bedeuten will, der
erste, ächte, wirkliche Ball, dieser himmlische Vorgeschmack von Edens Wonne, dieser
schönste Tag, auf den man so lange hofft, auf welchen man sich so lange präparirt, den
man nie vergisst, und der im „Tagebuch“ so entzückend geschildert wird, dass nur die
intimste Freundin in stiller Stunde in den Inhalt der Blätter eingeweiht wird. Wie mag
nun wohl den jungen Damen des Hofes zu Paris zu Muthe gewesen sein, als das erste
französische Ballfest anno 1581 bei der Hochzeit des Herzogs von Joyeuse mit Margarethe
von Lothringen stattfand, als der König und der Herzog in unerhörter Pracht erschienen,
so reich mit Perlen und Edelsteinen an ihren Kleidern geziert, dass man allein an Arbeits-
lohn etwa 10,000 Livres bezahlen musste. Freilich, die Festlichkeiten dauerten auch sieben-
zehn Tage, und der König hatte ausdrücklich befohlen, dass die Prinzen, Prinzessinnen
und alle Damen und Herren vom Hofe an jedem Tage in anderen Anzügen erscheinen
sollten, ein Befehl, dessen Ausführung den Damen bei ihrem Sinn für Einfachheit gewiss
eben so schwer geworden ist, wie sie heutzutage unsern Damen werden würde. Und im
Louvre kam ein „komisches Ballet der Königin“ zur Aufführung, in welchem diese, sowie
die Prinzen, Prinzessinnen und Herren und Damen des Hofes tanzten, eigenbeinig fünf
volle Stunden lang tanzten und gar nicht müde wurden. Es war ein serieuses Ballet, „der
Triumph Jupiters und der Minerva“, also offenbar mit eingetanzter Moral, und Baltasor
von Beaujoyeux, der trefflichste Violinspieler seiner Zeit, der aber trotzdem keine Concert-
reisen machte, vielleicht weil er keinen Ullmann finden konnte, hatte es erfunden und
arrangirt, Chenaye, des Königs Aumonier, die Verse gemacht, und Beaulieu, Hofkapell-
meister der Königin, die Musik, während Botin, der Maler des Königs, die Decorationen
geliefert hatte.
Interessanter noch war ein anderes Ballfest, welches die Königin bei einer Zusammen-
kunft mit ihrer Tochter auf einer kleinen Insel in der Bayonne feierte, zwischen deren
hohen Bäumen zwölf Bogengänge geschlagen waren, welche von einem in der Mitte berge-
 
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