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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber die Baukunst [4]
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Plaudereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0392

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458

sei hier noch bemerkt, dass jenes Bauwerk wahrscheinlich als Thiergehege
(für den heiligen Stier) gedient hat, nicht aber zur eigentlichen Anbetung be-
stimmt gewesen ist.*)

Plaudereien,
Ein Capitel aus der Leidensgeschichte der Photographen.
Wäre ich ein Künstler, würde ich in den Strahlen des Mondes, die hell durch die
unverhangenen Fenster meines Ateliers scheinen, von einer grossen Zukunft träumen, von
Werken, die meinen Namen beredt hinaustrügen in die Welt, von Lorbeerkränzen die
meine Stirne krönten. Da ich aber durch des Schicksal’s Tücke kein Künstler bin, auch
weder mit Ruhm und Ehre, noch mit dem Mond „dem wandelbaren“ in directen Be-
ziehungen stehe, sondern nur mit den Unliebenswürdigkeiten des Lebens und den Launen
meiner verehrten Mitarbeiterin, der Frau Sonne, zu schaffen habe, würde man es mir wahr-
scheinlich als unverzeihliche Arroganz auslegen, wollte ich Träume und Mondschein,
specielle Vorrechte der Herren Künstler, missbrauchen.
Eine andere Frage ist es freilich, warum man uns „Männer des Lichts“ in der
wahrsten Bedeutung des Wortes, aus jenen idealischen Kreisen ausgeschlossen, oder viel-
mehr, noch ehe man unsere Leistungsfähigkeit geprüft, uns den Eintritt in dieselben versagt ;
denn kaum hatten wir Photographen, grosser Hoffnungen voll, die ersten Schritte in die Welt
gethan, so beeilte man sich, o Schmach! unsere lichtvolle Kunst mit der Gewerbesteuer
zu belasten, und so uns für immer den Stempel des Handwerks aufzudrücken. Welche
Fortschritte wir auch seit diesen ersten Anfängen gemacht, keine Mühe, keine Versuche
noch Kosten scheuend, immer auf’s Neue giebt man uns zu verstehen : Ihr seid keine
Künstler, ihr bleibt eben Photographen, Chemiker, Techniker. Eure Bilder sind nur
Abklatsch von Staffage und Figuren.
In diesem letztgenannten Specialfache habe auch ich das Glück zu arbeiten, red-
lich bemüht, mein hartes Loos verkannten Künstlerthums mit Würde zu tragen. Aber
das hat mich nicht gehindert, zu denken: Rache ist süss, als ich unvermuthet zu einem
kleinen Vermögen gelangt, mein Atelier mit soviel Schönheit und Comfort ausstattete,
dass ein rechter Maler neiderfüllt seine Blicke wenden und zerknirscht in sein baufälliges
Gartenhaus zurückkehren würde.
Gothik, Rococco und Renaissance sind bei mir vertreten; moderne Sessel, antike
Säulen, eleganten Damen oder tragischen Liebhaberinnen würdige Umgebungen zu
schaffen, Uhren und Urnen je nach Bedarf des Publicums; auch fehlt es nicht an musi-
kalischen Instrumenten aller Art, geschmackvoll da und dort placirt, lyrisch gestimmten
Dilettantinnen oder Künstlerinnen in Civil aus der Noth zu helfen.
Die Wände schmücken Werke eines Freundes; auch er, der treffliche junge Mann,
leidet, wie ich; auch er seufzt auch’ io son’ pittore, und beschäftigt sich nebenbei damit,
die Werke alter und moderner Meister zu vervielfältigen, da er ebenso gut weiss wie
ich, dass Seufzen und Weheklagen vergebens sind.
Hinter dem faltenreichen Vorhang — dem Hintergrund für anspruchslose und be-
scheidene Kunden — sind die Attribute der lieben Kinderwelt verborgen: Wiegenpferd
und Puppenwagen in süsser Eintracht bei einander, das wilderregte Gemüth der Kleinen
beim Anblick des optischen Ungeheuers milder zu stimmen.
Dieses optische Ungeheuer, durch seine äussere Gestalt ahnungslosen Kinderherzen
Schrecken einflössend, dieses selbe Ungeheuer macht durch sein Inneres uns armen Pho-

*) Um den Artikel in diesem Hefte abzuschliessen, sehen wir uns genöthigt, es bei
der Betrachtung des ägyptischen Tempels bewenden zu lassen. Wohl verdienen auch
die gewaltigen Felsengräben und Todtenstädte, die Pyramiden, Obelisken u. A. m. nach
ihren architektonischen Seiten gewürdigt zu werden; nicht minder wichtig und interessant
ist der Nachweis des Zusammenhanges der ägyptischen mit der griechischen Kunst
in der Architektur u. s. w.; doch verbietet uns der Raum, in diesem Jahre näher hierauf
einzugehen.
 
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