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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Theaterschau
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Plaudereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0036

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30

eine andere Nummer vor. Auch sie gehören in das Gebiet der Kunst, wenn
auch jener, die nach Brot geht, — allerdings ohne es immer zu ßnden.
Plaudereien.
Ich werde meinen Vorsatz nunmehr entschieden ausführen, mit meinen
gemnthlichen Abenden ist es doch nun einmal vorbei und wegen des Ge-
betes einer Jungfrau kann ich doch nicht ausziehen; oder soll ich meine
pränumerando gezahlte Miethe im Stich lassen'? Dem Hauswirth könnt’s
gefallen, meiner Börse nicht ■— das Gebet einer Jungfrau ist ein solches
Opfer auch gar nicht werth. Aber abgesehen davon, wer garantirt mir da-
für, dass in einer andern Wohnung mir nicht ein ähnliches Attentat droht?
Also, es bleibt mir nichts weiter übrig, ich werde meinen Vorsatz entschie-
den ausführen! Ach so, jetzt bemerke ich erst, in meiner verdriesslichen
Laune rede ich lauter unverständliches Zeug und wenn ich mich nicht bald
deutlicher erkläre, wird dem geehrten Leser die Geduld ausgehen, von der
bei mir schon längst keine Spur mehr vorhanden ist. Dass heisst, eigent-
lich kann dem geehrten Leser meine Erklärung ganz gleichgültig sein, er
kennt mich ja nicht, was kann ihn mein Vorsatz interessiren, und hätte ich
nicht das Gebet einer Jungfrau erwähnt, so könnte ich es Niemanden übel
nehmen, wenn er dieses Blatt bei Seite würfe und alle meine Expectorationen
von sich abwehrte. Aber was es mit dem Gebet einer Jungfrau ist, das
wird gar Manchen neugierig machen, und warum auch nicht, als ein Ver-
treter des männlichen Geschlechts, wird man es mir wohl nicht übel nehmen,
wenn ich offen gestehe, dass dasAVesen einer Jungfrau einen unendlichen
süss geheimnissvollen Reiz auf uns Männer ausübt, dass die Erkenntniss
dieses Wesens sich als unsere herrlichste Aufgabe in dieser Welt darbietet,
deren Lösung aber wohl keinem Einzigen vergönnt sein mag und das mit
Recht: Warum den holden Wahn zerstören. — Das Wesen der Jungfrau
kann sich wohl nicht reiner offenbaren, als im Gebet, in der kindlich ver-
trauensvollen Bitte zu dem Schöpfer aller Dinge. Das Gebet einer Jung-
frau lässt sich so als Inbegriff alles edlen, reinen und keuschen Gefühls
denken, dass schon der wörtliche Ausdruck eine gewisse weihevolle Stim-
mung hervorruft. Wenn ich also bei solcher lobens wer then Anschauungs-
weise durch das Gebet einer Jungfrau so empört werde, dass ich sogar an
einen Wohnungswechsel denke (ein entsetzlicher Gedanke in jetziger Zeit
der Wohnungsnoth, dem nur eine gewichtige Ursache zu Grunde liegen kann),
von anderen, noch nicht näher definirten Vorsätzen abgesehen , so muss es
mit diesem Gebet eine besondere Bewandniss haben und ist deshalb eine ge-
wisse Neugier des geehrten Lesers durchaus gerechtfertigt. Ich will nun
endlich deutlicher sprechen. Das Gebet ist gar kein Gebet und das ist das
Aergerliche davon. Ich kann nicht umhin, den grösseren Theil der deut-
schen Jungfrauen einen recht energischen Vorwurf zu machen — oder giebt
es im weiten deutschen Reich eine junge Dame, die sich des Klavierspielens
befleissigt — und nicht „das Gebet einer Jungfrau“ spielt? Diese nehme
ich aus. Man soll gegen Damen galant sein, aber es ist mir im gegebenen
Falle durchaus nicht möglich. Ich bin kein Egoist und will vorläufig da-
von abstrahiren, dass mir allabendlich meine sonst so gemüthliche Thee-
stunde verdorben wird, aber Ihrer selbst wegen, meine Damen, muss ich bei
dem Vorwurf bleiben. Was soll man schlieslich von dem Wesen einer Jung-
frau denken, wenn eine Dame, die sich also selbst aus diesem Wesen ent-
 
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