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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Das Beste ist für die Kinder gut genug [2]
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Malerei und Architectur
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0055

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49

Wir können daher nur solchen Schul werken das Wort reden, in denen
die betreffenden Autoren so sparsam wie möglich mit ihren eigenen Gaben
gewesen sind, dahingegen vorwaltend von dem vorhandenen Guten das Beste
sich angeeignet und planmässig verarbeitet haben. Ein solcher Uebungsstoff
wird bis zur letzten Seite des Buches seine zündende Kraft bewähren und die
Spannung des Schülers rege erhalten.

Malerei und Architectur.
Die Vossische Zeitung brachte in ihrer ersten Nummer des neuen Jahr-
ganges den Aufsatz eines ungenannten Verfassers, worin derselbe, ausgehend
von einer Beurtheilung des neuerbauten P.’schen Hauses in der Wilholmstrasse,
auf die Thätigkeit des Malers Anton von Werner zu sprechen kam und sich
hierdurch einen Boden schuf, auf welchem er in einer Weise polemisch gegen
diesen genialen Künstler zu Werke ging, dass er die ernsteste Zurückweisung
verdient. Es war unsere Absicht, in einer Erwiderung die Irrthümer des
Verfassers jenes Aufsatzes aufzuklären, sowie seine, aus gänzlicher Unkennt-
niss in Kunstsachen hervorgegangenen Angriffe zu widerlegen. Da uns indessen
die Spalten der Vossischon Zeitung nicht zu Gebote stehen, die Sache aber
von ziemlich allgemeinem Interesse ist, wählen wir den „Kunstfreund“, um
die betreffende Angelegenheit unter künstlerischem Gesichtspunkte noch einmal
zur Sprache zu bringen. Eine Erwiderung in den Spalten der Vossischen
Zeitung ist nun bereits erschienen; dieselbe ist in Bezug auf* die angegriffene
Persönlichkeit, sehr ausführlich und künstlerisch begründet durch die vortreff-
liche Feder L. Pietsch’s. Wir können dem erfahrenen Kritiker nur unsere
Zustimmung darüber aussprechen, müssen aber an diesem Orte, da wir die
Tendenzen des „Kunstfreundes“ zu vertreten die Pflicht haben, noch ein Wort
zur Sache hinzufügen.
Das neuerbaute P.’sche Haus giebt uns Veranlassung zu ernsten Bedenken,
wohin es eigentlich mit unserer modernen Architectur noch kommen soll. Es
ist dies allerdings nur ein vereinzelter .Fall von Geschmacklosigkeit, und wir
sind nicht im Stande, zu beurtheilen, wie weit hieran die Macht des Auftrag-
gebers die Schuld trägt; immerhin bleibt es doch eine traurige Thatsache,
dass sich Architecten von Ruf gefunden haben, welche zu solchem Monumente
der Geschmacklosigkeit die Hand geboten. Das Wohnhaus dos Herrn P. steht
zwischen den edlen und ernsten Fagaden der Häuser und Paläste der Wil-
helmstrasse wie der Harlequin unter ernsten Männern, es wirkt wie ein
schlecht gelungener Fastnachtsscherz zur Unzeit. Der Styl ist keineswegs neu,
er entstand zur Zeit der Medicäer in Italien und war eine Folge zügelloser
Prunksucht. Diese Fagaden mit polychromer Ornamentik, mit Mosaikfeldern
und farbigen Terracotten können von sehr schöner Wirkung sein in einem
Villen-Complex ausserhalb der Stadt, in landschaftlicher Umgebung unter süd-
licherem Himmel; dort ist die erforderliche Stimmung zu erlangen, aber
nimmermehr in einer ernsten, würdigen Strassenfront.
Betrachten wir die Fagado, ihres bunten Ornamentschmuckes entkleidet,
so werden wir empfindlich berührt durch die geradezu umgekehrte Massen-
vertheilung. Die schweren grossen Massen lasten oben und drücken auf die
leichteren dermassen, dass wir aus angeborenem Sichorheitsgefühl geneigt sein
würden, uns schleunigst zu entfernen, wenn wir nicht jenes, jedem guten
 
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