Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstfreund — Band 1.1874

DOI article:
Der ästhetische Standpunkt Richard Wagner´s und seines nationalen dramatisch-musikalischen Kunstwerks [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0131

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der ästhetische Standpunkt Richard Wagner’s
und
seines nationalen dramatisch - musikalischen Kunstwerks.
Niemand soll herein rennen
Mit seinen besten Gaben!
Solln’s die Deutschen mit Dank erkennen,
So müssen sie Zeit haben. (Goethe.)
Wenn wir es unternehmen, für eine Sache die Feder zu ergreifen, in
welcher mehr, als für irgend ein anderes Gebiet der ästhetischen Kunst-
Disciplinen, die Federn in Bewegung gesetzt wurden, so geschieht es in der
Hoffnung, der Tendenz des „Kunstfreundes“ als populär - ästhetischer Zeit-
schrift zur Verbreitung deutscher Kunst, von einigem Nutzen zu sein. Der
Kunstfreund, indem er es sich zur Aufgabe gemacht hat, soviel, als er es
vermag, zur ästhetischen Erziehung und Belehrung nach jeder Richtung im
Gebiete der Kunst beizutragen, wird die Sache Wagner’s als eine echt
nationale ästhetisch würdigen, jederzeit vertreten und demjenigen Theile
seiner Leser, dem es um Belehrung zu thun ist, auch die Berechtigung des
ästhetischen Werthes des Wagner’sehen Kunstwerkes nachweisen.
Die bildenden Künste und die Architektur, wenn sie auch in steter Fort-
entwickelung begriffen sind, haben sich doch nicht als geistiges Eigonthum
einer einzigen Nation bis auf den heutigen Tag erhalten. Sie haben die
Wanderung gemacht durch Nationen, welche zu verschiedenen Zeit-Epochen
Culturvölker waren, sie haben in Folge dessen kosmopolitisches Gewand an-
gelegt, haben unter den Einflüssen der Errungenschaften anderer Nationen
nicht nur Nichts eingebüsst, sondern sind unbeschadet stärker geworden,
haben Neues in sich aufgenommen, das Schlechte wieder ausgeschieden, das
Gute sich angeeignet Die Musik aber hat sich trotz der Zerrissenheit der
deutschen Nation, allein innerhalb derselben zur vollen Blüthe entwickelt.
Den Entwickelungsgang einer Kunst zu beobachten, ist nur Sache derer,
die sie einem speciellen Studium unterwerfen, es gehört besondere künstlerische
Erziehung dazu. Denn die Kunst, welche es als ihre erste Aufgabe be-
trachtet, von Jedem ohne Mühe verstanden und genossen zu werden, hat
immer auf niederer Stufe gestanden.
Nicht jeder Boden hat die Eigenschaften, dass er eine ihm ohne be-
sondere Vorbereitung an vertraute Saat zur Reife bringt, und so hat auch die
Natur den Menschen geartet. Was an dem Boden die Ackergeräthschaften,
der Dünger, die Kunst des Landmannes thun müssen, damit er nur im Stande
ist, die dem Lande angemessene Vegetation hervorzubringen, ■— sollen wir
11
 
Annotationen