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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Wilhelm von Kaulbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0185

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179

Wilhelm von Kaulbach.
Eine tief erschütternde Trauerbotschaft traf die Herzen unserer ge-
summten deutschen Nation um so schmerzlicher, als der plötzliche Tod den
edlen Meister hinwegnahm in einem Lebens-Alter, welches ihm noch den
völligen Gebrauch seiner Kräfte, seines grossen vielseitigen Könnens ge-
stattete, in welchem er sich körperliche und geistige Frische in hohem Maasse
bewahrt hatte. Die Cholera, dieser schlimmste Feind aller Völker, mordend
ohne Wahl, traf einen Fürsten auf dem Gebiete des Geistes im noch nicht
vollendeten neun und sechzigsten Lebensjahre. Wenn wir uns nach seinem
Dahinscheiden fragen, was wir an ihm verloren haben, so drängen sich, bei
einem Ueberblick auf sein Wirken und Wollen, alle diejenigen Eigenschaften
hervor, durch deren Besitz er der deutschen Kunst von hohem Nutzen war,
aber auch solche, die, vom ästhetischen Standpunkte anfechtbar, der Nach-
ahmung nicht empfohlen werden dürfen. Eine eingehendere Charakteristik
zur Feststellung der Licht- und Schattenseiten der unserm verewigten Meister
eigenthümlichen Kunstrichtung wäre die Aufgabe einer ausgedehnteren Arbeit
und vollständigen Kritik seiner Werke, innerhalb des Raumes dieser Zeilen,
durch welche wir ihm einen Nachruf aus dankbarem Herzen widmen wollen,
verbietet schon der Anstand jeden Hinweis auf Mängel, denen jeder Sterb-
liche unterworfen ist. Es mag genügen, hiei’ an dieser Stelle Kaulbach’s
Standpunkten der bildenden Kunst seiner Zeit als einen sehr bedeutenden
zu bezeichnen, dessen Lichtkern auf die Schattentheile seiner Subjectivität
immer noch so wohlthuend reflectirt, dass auch diese uns an ihm interessant
erscheinen. Von allen anderen Eigenschaften seiner Kunst, die in uns das
Gefühl der Dankbarkeit und des Stolzes hervorrufen, steht uns sein deutsches
Wesen und Streben am nächsten, Kaulbach war ein nationaler, deutscher
Künstler, in allen seinen Werken, in seinem Empfinden wie in seinem
Schaffen, von der Conception bis zur technischen Vollendung.
Geboren am 15. October 1805 in Arolsen, als Sohn eines Kupferstechers,
fand er wohl als Kind schon Gelegenheit, durch Anschauung des Entstehens
von Bildwerken seinen Sinn auf die bildende Kunst zu richten. Er wurde
zum Maler bestimmt und ging 1822 nach Düsseldorf zu Cornelius, dessen
Einfluss ihn auf die Richtung wies, die bestimmend für das Wirken seines
Lebens wurde. Schon in der ersten Arbeit, einem Manna-Sammeln in der
Wüste, trat sein bedeutendes Talent zu Tage; doch er begann noch keine
grösseren Arbeiten. Bald übertraf er seinen Meister bedeutend in allen
technischen Mitteln seiner Kunst, sowie durch seinen vom Studium nach der
Antike ausgebildeten Formen- und Schönheitssinn. Seinem Blick für das
Charakteristische, sowie die Leichtigkeit, welche er sich angeeignet hatte,
es in allen Formen zur Darstellung zu bringen, verdanken wir eins der
genialsten Werke seines Lebens, die Illustrationen zu Goethe’s Reineke Fuchs.
Auch spricht sich in diesen Zeichnungen die Kraft seines Humors und seiner
Satire mit grosser Schärfe aus, Eigenschaften seiner künstlerischen Indivi-
dualität, denen wir in allen seinen Werken, im grossen Historienbilde, wie
in der kleinen Skizze bis auf die letzte Zeit, begegnen.
Im Jahre 1827 ging er nach München, wo er sich an den Fresken in
den Arkaden des Hofgartens, an den Deckengemälden des Odeon und an der
Ausschmückung des Palastes des Herzogs Max betheiligte. 1831 und wäh-
rend der folgenden Jahre malte er zwei Säle im neuen Königsbau in Enkaustik
und in Fresco, zog sich aber alsdann von öffentlichen Arbeiten zurück,
malte die Geisterschlacht der Hunnen und Römer, und eröffnete sich damit
 
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