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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber die Inscenierung klassischer Dramen
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Traumbilder in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0374

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440

steine, echt silberne Schnallen ■— das ist zwar ein übertriebener und sehr
überflüssiger Luxus, aber eine gute Imitation der Requisiten und Costüme —
was ist daran tadelnswerth? Die übertriebene Enthaltsamkeit ist ebenso
falsch wie der falsche Aufwand; man gebe jedem Stück, was ihm gebührt,
und Mancher würde gewiss Nichts dagegen haben, wenn Gretchens Zimmer
etwas niedriger und einfacher wäre, und wenn das bescheidene Bürgermädchen
einen etwas bescheideneren Stoff zu ihrem blauen Kleide wählte.
Ich gedachte oben des „Kaufmanns von Venedig“ und seiner Aufführung
auf dem Leipziger Stadttheater. Gerade Shakespeare durfte sich in scenischer
Beziehung Alles erlauben, weil er die stärksten Anforderungen an die Phan-
tasie seiner Zuschauer stellen konnte; aber die Shakespeare’sche Bühne ist
nicht mehr die unsrige und mir scheint nur die Wahl zu bleiben zwischen
der völligen Rückkehr zu dem alten Gerüst und der scenischen Erfüllung
dessen, was der Dichter gewollt. Es ist wohl etwas riskirt, das Treiben des
Carnevals, auch wo es Shakespeare nicht vorschreibt, auf die Bühne zu
bringen, aber cs kommt dadurch eine so echt venetianische Stimmung, ein so
vollkommener Lustspielton in das Stück, dass man wirklich eine Weile ver-
gisst, an wie vielen Unwahrscheinlichkeiten es leidet und wie unerquicklich
der ganze Streit um ein Pfund Fleisch, Jessica’s Flucht und Shylok’s
Christianisirung ist. Shakespeare ist Meister der Stimmung, des Colorits;
warum will man ihm jetzt auf der Bühne die Hülfsmittel versagen, die seine
Poesie ergänzen können, warum soll Lorenzo seine Geliebte nicht in der
Gondel in einer sternhellen Mondnacht entführen und hernach in Belmont in
einem zauberischen Garten die wundervollen Liebesworte mit ihr wechseln?
Derartige Bemühungen, klassische Dramen in würdige Ausstattung zu
bringen, sind jedenfalls ein Schritt zum Bessern, und die Kritik könnte mit
ihrem Tadel über ein Allzuviel etwas vorsichtiger sein. Aber über Shakespeare
dürfen unsre grossen Deutschen nicht vergessen werden, und wenn sich über
kurz oder lang ein Berufener finden sollte, der klassische Rollen dem Ver-
ständniss der Schauspieler durch psychologische Zergliederung näher rückt,
der unsre grossen Dramen nach allen Richtungen hin vom Standpunkt der
Bühne aus und für die Bühne beleuchtet, so dürfte wohl billig mit Lessing,
Schiller und Goethe der Anfang gemacht werden.

Traumbilder in der Malerei.
Experimenta periculoea.
An den unleugbar in neuerer Zeit hervortretenden Fortschritten auf verschie-
denen Gebieten des Kunstschaffens ist auch die Malerei betheiligt. Schon gelegent-
lich unseres Berichtes über die Kunstausstellung in der Berliner Akademie haben
wir mehr als einmal ein erfolgreiches Hinausgehen der malenden Künstler über die
althergebrachten und gewohnten Formen constatiren können. Freilich sind die
Fortschritte in der Malerei nicht von so durchgreifender Bedeutung, wie etwa die
auf dem Gebiete der dramatisch-musikalischen Kunst, wo ein gewaltiger Geistes-
heros die alten verbrauchten Formen mit mächtiger Hand zertrümmert und durch
so eigenartige neue ersetzt hat, dass man mit Recht’ von einem neuen Styl in
dieser Kunstgattung reden darf. Immerhin aber verdient auch in der Malerei neben
manchen anderen fortschrittlichen Richtungen namentlich die eine Beachtung, welche
 
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