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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber die Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0144

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138

lieber die Baukunst.
Einleitung.
Durchwandeln wir die Strassen einer Stadt mit ihren langen ernsten und
doch oft so abwechslungsvollen Paraden, betrachten wir die prachtvollen
Villen in der Nähe grosser Städte, begegnen wir gelegentlich einem eleganten
Landhause in ländlicher Abgeschiedenheit oder in der Stille des Waldes einem
freundlichen Jagdschlösse, ■— oder betreten wir eine unserer Kirchen, oder
vollends einen der Kunst geweihten Raum, — so bieten sich dem Auge
allerwärts jene vielseitigen Aeusserungen der Kunst dar, welche dazu bestimmt
sind, in dem Beschauer Empfindungen und Gedanken über das Schöne wach
zu rufen, ihm zum Herzen zu sprechen, seine Einbildungskraft anzuregen und
in seiner Seele eine wohlthuende Befriedigung über die heitere Ruhe und
Harmonie des Ganzen zu erwecken. Wie Mancher aber geht an den Denk-
mälern der Kunst und insbesondere der Baukunst vorüber, ohne Etwas von
den eben angedeuteten Wirkungen in sich zu verspüren! Man betrachtet
wohl hin und wieder einzelne Ornamente und künstlerisch schön wirkende
Linien, man nennt dieses Bauwerk grossartig, jenes prachtvoll, ein drittes
elegant und ein viertes kurzweg schön, aber in den weitaus meisten Fällen
ist das auch Alles, was man von den Wirkungen einer kunstvollen Schöpfung
auf das Gemüth des Beschauers verzeichnen kann; nur Wenige betrachten
mit Gedanken dankbarer Anerkennung gegen den Meister ein architektonisches
Kunstwerk und tragen einen dauernden Eindruck von der stylvollen und
harmonischen Durchbildung desselben mit sich hinweg. Woher kommt es
denn aber, dass wir solche unerfreuliche Erscheinungen so oft wahrzunehmen
Gelegenheit haben? Was ist der Grund dafür, dass Mancher, der ein warmes
Herz und ein reges Interesse für die Schöpfungen der Kunst im Allgemeinen
hat, den Denkmälern der Baukunst dennoch oft eine so geringe Beachtung
schenkt? — Es will uns scheinen, dass der Grund hierfür einzig und allein
in der zu geringen Kenntniss der Wesenseigenthümlichkeiten der Baustyle
und ihrer charakteristischen Merkmale und Ornamente zu suchen ist. Wir
Menschen pflegen ja gewöhnlich für dasjenige, was wir nicht genauer kennen,
ein geringeres Interesse zu haben, und würdigen die einzelnen Dinge meist
in dem Maasse, wie wir unsere Kenntniss von ihnen erweitern. Das gilt
besonders von der Kunst, speciell von der Baukunst. Wer das Wesen und
die Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Stylarten und der von ihnen an-
gewendeten Verzierungen nicht kennt, wer sich nicht mit ihren Gesetzen,
die ja die Gesetze des Schönen sind, vertraut gemacht hat, wer sich über
die Forderungen einer künstlerisch vollkommenen Leistung nicht Rechen-
schaft zu geben vermag, — der mag wohl dieses oder jenes Kunstwerk
„hübsch“ finden, wird aber gewöhnlich aus Mangel an sachlichem Urtheil
keine allzu grosse Theilnahme für künstlerische Schöpfungen bekunden und
von einem organischen Kunstwerke höchstens einen halben Genuss und kaum
einen bleibenden Eindruck haben.
Wenn es sich nun unser „ Kunstfreund“ zur Aufgabe gemacht hat,
seine Leser über die verschiedenen Zweige und Erzeugnisse der Kunst zu
belehren, ihre Theilnahme zu erwecken und ihr Urtheil und Verständniss
für die Gesetze des Schönen zu schärfen, so erachtet er es in erster Linie
für seine Pflicht, dieselben auch in die Kenntniss der verschiedenen Bau-
style und der darin verwendeten architektonischen Ornamente einzu-
führen, sie dadurch zur Theilnahme für die Schöpfungen der Baukunst anzu-
 
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