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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Literarische Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0078

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Literarische Rundschau.
Musik.
Vor uns liegen die drei letzten Monatshefte aus dem Jahre 1873 der „Musi-
kalischen Welt“, einem Sammelwerke, welches in einer Ausgabe A, nur Clavier-
stücke, in einer Ausgabe B, ausschliesslich Lieder für hohe Stimmen, in einer Aus-
gabe C, solche für tiefe Stimmen und endlich in einer Ausgabe D, Clavierstücke
und Lieder zusammen von Componisten der Jetztzeit veröffentlicht. Die Verlags-
handlung Henry.Litolff in Braunschweig hat dem Decemberhefte einen Rück-
blick auf ihre, die „Musikalische Welt“ betreffende Thätigkeit im Jahre 1873 für
ihre Abonnenten beigegeben, welcher an Selbstberäucherung Alles übertrifft, was
wir noch je gelesen haben. In hochtönenden Phrasen versichert sie, dass ihr Unter-
nehmen nunmehr zur „Vermittlerin der musikalischen Kunst bei der Mitwelt, sowohl
in Bezug auf die schaffenden Meister, als auch in Hinsicht der ausübenden und
lernenden Freunde und Freundinnen dieser Kunst“ geworden sei, „dass ferner die
Monatshefte der „Musikalischen Welt“ in keinem Hause mehr fehlen dürfen, wo
überhaupt die Kunst in Gesang und Spiel sich heimisch fühlen darf, wie das ein
Einblick in die Familienkreise lehre.“ Wonniges Gefühl das, sich unentbehrlich zu
wissen! Gott sei es gedankt, dass der musikalische Geschmack so durchaus doch
noch nicht gesunken ist, um in der „Musikalischen Welt“ das wiederzufinden, was
die Verlagshandlung ihr an dichtet. Hören wir sie selbst:
„Darin aber suchten wir hauptsächlich die Lösung unserer eben so schwierigen,
als schönen Aufgabe, dass wir dem musikalischen Kunststreben in allen Kreisen
der Gesellschaft, der künstlerischen wie bürgerlichen, durch unsere „Musikalische
Welt“ nicht allein einen starken und vielseitigen Mittelpunkt zu schaffen trachteten,
sondern dasselbe auch durch das Angebot des Schonern und Edlern aus dem
frischen Leben der Gegenwart in die Bahnen gesunder Kunstanschauung und
lebendigen Verständnisses hineinzulenken uns bestrebten. In dieser Rücksicht soll
überhaupt unser.e „Musikalische Welt“ ein willkommener und zweckmässiger Weg-
weiser sein und, wenn der von ihm gebotene so äusserst umfangreiche Stoff auch
nicht in seinem ganzen musikalischen Gehalte von einem Jeden erschöpfend be-
wältigt werden mag, so wird er doch, gleich jedem andern Litterärischen Blatte,
dem forschenden Geiste schon durch Einsicht, Lectüre und Durchblättern ein unver-
gleichlich praktisches Material zur Kunst- und Geschmacksbildung darbieten. Denn das
poetische Element der Jetztzeit pulsirt seinem innersten Wesen nach in unsern
Liedern und Melodien. Es lebt und webt darin mit jugendlicher Kraft, anregend,
belehrend und tröstend, sei es als zum poetischen Selbsterkennen den Einzelnen
veranlassend, sei es als dem suchenden Auge den Blick in das Wunderland des
Klanges erschliessend, sei es endlich, als dem Herzen die Tröstungen einer fernem,
schönen Welt vermittelnd.“
Am Schluss dieses musterhaften Rückblickes erneuert endlich die Verlagshand-
lung ihren Abonnenten gegenüber das Versprechen, dass sie auch fernerhin „mit
rastlosem Bemühen und opferwilligem Ernste bestrebt sein wolle, in der „Musikali-
schen Welt“ ein Werk zu schaffen, welches „das Wesen der musikalischen Jetzt-
zeit in sich umfasst und dasselbe in Gehalt und Form einem Jeden zugänglich und
verständlich machen will, — Jedem, der den wahren Sinn für das Schöne und Gute
aus lebendigem Quell zu schöpfen und im thätigen Mitleben in der Kunst zu be-
wahren geneigt ist.“
Wir wissen nicht, ob die Verlagshandlung Litolff sich, wie die bekannten
Kleider- oder Malz-Extract-Speculanten in Berlin, eigens ihre Leute hält, welche nur
mit Abfassung von Reclamen beschäftigt werden, sicher aber ist, dass derjenige,
welcher den „Rückblick“ geschrieben, das Metier aus dem Grunde versteht. Werfen
wir doch einen einzigen Blick in das Namenverzeichniss der Componisten, welche
zu dem vorigen Jahrgang Beiträge geliefert haben, um nur zu erfahren, welches
die Leute eigentlich sind, aus derem Schaffen „das Wesen der musikalischen Jetzt-
zeit“ zu erkennen ist! Wie beschämt müssen wir uns da gestehen, dass wir bisher
irrthümlicher Weise Männer wie Wagner, Liszt, Brahms, Kiel, Franz,
Volkmann und einige andere begnadete Geister dafür gehalten haben; und wie
 
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