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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Berichte von Nah und Fern
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Lehmann's erste permanente Kunstausstellung in Prag
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0252

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als Budike im „Papa hat’s erlaubt“ auf, und bewies durch Wiedergabe dieser verschie-
den angelegten Partien Vielseitigkeit, überhaupt ausgesprochene Anlagen für Charakter-
komik. — Director Haase gab nach längerer Pause wieder einmal den „Shylok“. Nur
das decente Spiel eines vollendeten Künstlers kann die gegen Shakespeares sonstige Ge-
wohnheit unwahr und carrikirt geschilderte Figur geniessbar machen, die widerliche Ge-
richts-Scene mit dem Messerwetzen mildern. — „Die Bezähmung einer Widerspenstigen“,
„Donna Diana“ sind als die besten Lustspiel - Aufführungen der letzten Zeit zu be-
zeichnen.
Der Process der Genossenschaft dramatischer Autoren und Componisten gegen Di-
rector Haase ist zu Gunsten des Letzteren entschieden, welchen Ausgang wir vom Rechts-
standpunkte aus mit Freuden begrüssen.
In Folge eines zwischen dem Stadtrathe und Director Haase ausgebrochenen Con-
flictes hat Letzterer um Entlassung aus seinem Contracte nachgesucht. Die Veranlassung
der Differenz ist eine geringfügige, das einsichtsvolle Publicum steht auf der Seite des
Director Haase. Schon Laube war’s, der unter dem „Uebermuth derAemter“—wie Hamlet
sich ausdrückt — zu leiden hatte, noch kein Theaterdirector konnte friedlich von Leipzig
scheiden, und die jedem friedlich Gesinnten anwidernden Theaterconflicte sind in Per-
manenz erklärt, ja scheinen als liebgewordene Abwechselung von Zeit zu Zeit provocirt
zu werden.

Lehmann’s erste permanente Kunstausstellung in Prag.
Natur und Kunst sind zu gross, um
auf Zwecke loszugehen; Bezüge gibts
überall und Bezüge sind das Leben.
Go ethe.
Wenn Prag in musikalischer Beziehung mit Recht eine Kunststadt genannt wird,
so darf man diese Bezeichnung auf die bildende Kunst leider nicht ausdehnen, da das
Interesse dafür nur sehr schwach zu Tage tritt. Unsere musikalischen Zustände sind
weltbekannt, die Musik ist bei uns ins Volk gedrungen. Der Malerei aber bietet das alte
Prag nicht den Schutz, der zu ihrer freien Entwickelung nöthig wäre. Wir besitzen zwar
hier auch eine Gallerie, welche aber nur während der Sommermonate, und dann auch nur
an einem Tage der Woche geöffnet ist, auch besitzen wir eine Ausstellung, die aber nur
von Ostern bis Pfingsten dauert und auch nur gegen hohes Eintrittsgeld dem Publicum
zugänglich ist. — Wir müssen es daher freudig begrüssen, wenn durch den Unternehmungs-
geist des Herrn Lehmann die erste permanente Kunstausstellung ins Leben gerufen wurde.
Erstreckt sich diese Ausstellung auch nur auf einen Saal, so liefert sie doch, wie der
Lateiner sagt, multum sed non multa, nicht Vieles, aber Viel. Hier hat man Gelegenheit,
die verschiedenen Schulen kennen zu lernen, hier kann man heimische und ausländische
Producte bewundern, das Andenken jener Maler, welche in unserer Stadt gelebt und ge-
wirkt haben, erneuern.
Wir beginnen mit dem Werke eines böhmischen Künstlers, der gegenwärtig in
München verweilt und dessen Gemälde schon in der Photographie von Bruckmann erschie-
nen, jetzt aber von Herrn Lehmann für seine Gallerie erworben ist. Wir meinen die
heilige Iria von Waclaw Brozik. So schön dieses Gemälde im ersten Augenblick auf den
Beschauer wirkt, so werden dem aufmerksamen Beobachter auch seine Mängel nicht ent-
gehen. In den Verhältnissen ist dadurch gefehlt, dass jener kolossale Mann, der die hei-
lige Iria auf Händen trägt, gegen diese viel zu gross erscheint. So schön die Gegensätze
der Beiden in der Farbengebung wirken, indem das südliche und tiefbraune Colorit des
Mannes den zarten hingehauchten und durchsichtigen Teint der Jungfrau desto schöner
hervortreten lässt, so sind die allzugrossen Gegensätze in der Form doch störend, auch
erscheint der Arm des Mannes zu wenig plastisch. Was den zweiten Fehler anbelangt,
so dringen die am Horizonte angebrachten Lichtstrahlen durch ihre intensive Farbe
(cadmium und orange), so in den Vordergrund, dass sie, wie man sich technisch ausdruckt,
herauswachsen, und durch keine starke, mit diesen Tönen contrastirende Farbe des Vor-
dergrundes zurückgedrängt werden, ein Fehler, der in der Photographie dieses Bildes
minder stark ist und sie deshalb viel weicher als das Bild macht. Sehr anerkennenswert!!
ist die Stimmung des Bildes, sowie die saftige Behandlung des Vordergrundes.
Ein Bild von Alfred Seifert „Titania und Oberon im Sonjmernachtstraum“,
zeigt in der Untermalung jenen feinen Silberton, der einer Mondscheinstimmung
in der Natur eigen ist. Auch hier ist der landschaftliche Theil vortrefflich, die Elfen des
Hintergrundes ätherisch gehalten, jedoch sinken die Figuren nur zur Staffage der Land-
 
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