Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstfreund — Band 1.1874

DOI Artikel:
Ursprung der Siegfriedsage und die verschiedenen Bearbeitungen derselben in der alten, mittleren und neuen Literatur [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0295

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ursprung der Siegfriedsage und die verschiedenen Be-
arbeitungen derselben in der alten, mittleren und
neuen Literatur.
m.
Bei dem Gange der Culturgeschichte aller Völker zeigt sich, dass auf
der höchsten Stufe der Entfaltung der Poesie das Drama zur Blüthe gelangt.
Nachdem die Nibelungensage in der alten Literatur in Liedern, in der
mittlern und neuern in Epen behandelt worden ist, bemächtigte sich in
neuester Zeit das Drama des grossartigen Stoffes. Zwischen dem alten
Nibelungenliede und dem herrlichen Epos von Jordan liegen viele hundert
Jahre, und wenn auch das Lied selbst in staubigen Klosterbibliotheken ver-
graben war, so lebte Siegfried selbst doch stets als der grösste Nationalheld
im Munde des Volkes fort und gerade 200 Jahre früher, bevor Bodmer das
alte Epos wieder der Vergessenheit entriss, dichtete der alte würdige Nürn-
berger Meister Hans Sachs seinen „Hürnen Seyfried“. Er hat seinen Stoff
aus dem alten Volksbuche „der gehörnte Siegfried“ und aus dem
„grossen Rosengarten“ geschöpft und vieles aus seiner Phantasie hin-
zugethan. Seinen Quellen folgend hat er die streitbare Brünhilde ganz aus
dem Spiel gelassen, und Siegfried wird von den Brüdern Kriemhilds, welche
durch den Helden aus der Gewalt eines Drachen hefreit und zum Weibe ge-
wonnen ist, aus gemeinem Neid ermordet. Das ganze Stück besteht aus
sieben Acten und enthält trotzdem wenig über 1000 Verse. Es beginnt mit
einem Prolog, in dem der Ehrenheld die ganze Geschichte kurz erzählt und
einen Epilog, in welchem eine lehrreiche Nutzanwendung gegeben wird. So
zeigt König Sigmund an, dass Eltern, die einen ungerathenen Sohn haben,
gar weh und bange sei; — Siegfried bedeutet die Jugend ohne Zucht, gute
Sitten und Tugend, frech und unverzagt; der Drache bedeutet eine Herrschaft,
die zu aller Sache ausfährt mit Frevel und Gewalt (die wird mit gleichem
Werth bezahlt!); in Dietrich von Bern, der Siegfried im Rosengarten von
Worms nach der übermüthigen Aufforderung des Drachentödters besiegt,
sollen wir einen gerechten und frommen Mann sehen und in seinem Waffen-
meister, dem alten Hildebrand, einen treuen und weisen Hofmann:
Zum achten, Kriemhild, das schöne Weib,
Deut’t ein Weib, das der Fürwitz treibt
Zu manchem hpchmüthigen Stück;
Der kommt viel Unraths auf den Rück.
Zum neunten deuten ihre Brüder das,
Ein neidisch Geschlecht voll Neid und Hass,
Das anrichtet viel Ungemachs,
Vor der b’hüt uns Gott, wünscht Hans Sachs.

24
 
Annotationen